Samstag 11 Februar 2023, 10:30

Unser Ziel sollte es sein, ein einladenderes, integrativeres Umfeld für Fans zu schaffen

  • Das Überwachungssystem der FIFA zur Bekämpfung von Diskriminierung wurde 2015 eingeführt

  • Ein ehemaliger Fanaktivist leitet die laufende Partnerschaft der FIFA mit dem Netzwerk Fare

  • Die FIFA fördert den Dialog mit den Fans und arbeitet gemeinsam mit den Mitgliedsverbänden an Präventionsmaßnahmen

2015 führte die FIFA zusammen mit dem Netzwerk Fare (Football Against Racism Europe), einer Organisation mit umfassender Erfahrung im Kampf gegen Diskriminierung im Fussball, ihr erstes Monitoring-System zum Schutz vor Diskriminierung ein. Dieses System kommt noch heute bei FIFA-Veranstaltungen zum Einsatz.

Gerd Dembowski, Senior Diversity & Anti-Discrimination Manager, ist bei der FIFA für die laufende Partnerschaft mit Fare verantwortlich. Derzeit ist er in Nordafrika bei der FIFA Klub-Weltmeisterschaft Marokko 2022™ und überwacht den Einsatz der Spielbeobachter bei jedem Spiel. Was qualifiziert ihn für diese Arbeit?

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"Meine Tätigkeit begann vor 30 Jahren auf ganz andere Weise. Damals war ich Aktivist und Fan", erklärt er. "Ich erkannte die rassistischen Tendenzen der Vereinsfans, von denen ich umgeben war, und musste mich entscheiden: Suche ich mir ein anderes Hobby, oder versuche ich, etwas zu verändern? Wir haben antirassistische Fangruppen organisiert und später gegen Homosexuellenfeindlichkeit gekämpft. Sehr schnell habe ich mich mit Gruppen in anderen Ländern zusammengetan und wurde Gründungsmitglied des Netzwerks Fare, das heute ein Partner der FIFA ist. Also begann ich, mich in Fangruppierungen so engagieren, die mit UEFA und FIFA zusammenarbeiteten. Ich studierte Sozialwissenschaft und entwickelte neue Maßnahmen zur Konfliktbewältigung. Ich habe für Borussia Dortmund, den 1. FC Köln und Hannover 96 gearbeitet und in bestimmten Situationen mit den Ultras sind wir in den Dialog gekommen. Die Hardcore-Fans auf der einen Seite, der Klub auf der anderen, und dazwischen die Polizei. "

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Um als Spielbeobachter für den Schutz vor Diskriminierung ausgewählt zu werden, muss jede Person über Fachwissen über die Fankultur, die Sprache und das Verhalten der jeweiligen Fangruppen verfügen. Sie werden weltweit gescoutet und erhalten dann eine gezielte Ausbildung. Im Falle eines diskriminierenden Verhaltens müssen sie Beweise, einschließlich Videoaufnahmen, vorlegen, die wiederum in einem speziellen Spielbericht an das Sekretariat des FIFA-Disziplinarausschusses übermittelt werden müssen.    Was passiert bei Vorfällen während eines Spiels? "Sobald ein Spiel angepfiffen ist, können unsere Spielbeobachter zum Schutz vor Diskriminierung unserem Sicherheitsteam eine sofortige Einschätzung eines Vorfalls geben. Das geht dann über mich (als Menschenrechts- und Antidiskriminierungsbeauftragten), und danach können unsere Spielleiter entscheiden, was zu tun ist", so Dembowski. "Die bestehenden Sicherheitsmaßnahmen reichen von der Verweisung von Personen aus dem Stadion bis hin zur Unterbrechung des Spiels durch die Spielleitung."     Piara Powar ist der Geschäftsführer des Netzwerks Fare. In seiner Rede am Vorabend des Endspiels der FIFA Klub-Weltmeisterschaft in Rabat unterstrich er die Zusammenarbeit der beiden Organisationen und betonte, wie wichtig es ist, die von der FIFA geschaffenen rechtlichen Rahmenbedingungen zu unterstützen, um Diskriminierung in den Stadien zu bekämpfen. 

"Wenn man eine Minderheit ins Visier nimmt, sei es eine kleinere Volksgruppe oder eine Minderheit mit anderer Hautfarbe, oder wenn man jemanden aufgrund seiner sexuellen Orientierung angreift, dann kann das sehr viel Schaden anrichten.     "Die Kultur der Fussballfans in Deutschland unterscheidet sich von der in Neuseeland, von der in den USA und von der in Marokko. Manchmal gibt es Gesänge oder Verhaltensweisen, die auf nationaler Ebene vielleicht akzeptabel sind, weil die Menschen nicht anders erzogen wurden.    "Manchmal geschieht es aber auch, weil eine Botschaft übermittelt werden soll, die für den Rest von uns zumindest intolerant, wenn nicht gar diskriminierend ist. Wenn es um den internationalen Fussball geht, darf man nicht zulassen, dass der Fussball als Plattform für solche Dinge benutzt wird", so Powar weiter.

Anti Discrimination Training

Im Vorfeld der laufenden FIFA Klub-Weltmeisterschaft hat sich Dembowski mit den lokalen Behörden in Marokko, dem lokalen Organisationskomitee und der Polizei in Verbindung gesetzt, um sich mit den Aufsichtssystemen und den verschiedenen Rollen und Verantwortlichkeiten vertraut zu machen. An Spieltagen muss schon in der Vorbereitung sichergestellt werden, dass die FIFA und Fare einen Ansprechpartner haben, der bei der Ankunft der Fans und beim Betreten der Stadiontribünen auf Probleme hinweist. 

Weniger bekannt ist zudem, dass antidiskriminierende Botschaften und Spruchbänder Unterstützung finden. "Das Zeigen allgemeiner Erklärungen zu Menschenrechten und Antidiskriminierung steht im Einklang mit den FIFA-Bestimmungen", sagt Dembowski.  

"Wir versuchen, mehr und mehr den Dialog mit den Fans zu fördern, denn ein Dialog im Vorfeld kann viele Probleme lösen. In der Vergangenheit haben Sportorganisationen die Fans oft als Sicherheitsrisiko betrachtet, aber sie sind auch ein Sicherheitspartner."

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Vor einigen Monaten hat die FIFA ein neues Mitglied des Menschenrechts- und Antidiskriminierungsteams eingestellt – mit einem speziellen Auftrag.  

"Wir führen gerade ein Pilotprojekt mit dem mexikanischen Fussballverband durch. Außerdem haben wir unlängst eine Zusammenarbeit mit Brasilien begonnen. Unser neuer Kollege ist für die Entwicklung einer Strategie zur Zusammenarbeit mit den FIFA-Mitgliedsverbänden zuständig, lange bevor ein Turnier beginnt. Wir versuchen, Präventivmaßnahmen zu ergreifen, an denen wir inzwischen sehr viel systematischer arbeiten", ergänzt Dembowski.    "Unser Ziel ist es, ein einladenderes, integrativeres Umfeld für Fans zu schaffen, die weltweit zu FIFA-Spielen kommen. Wir bei der FIFA wollen nicht nur als die Kontrolleure der Fans gesehen werden. Wir wollen Fenster, wollen Türen und Tore öffnen – und das hat längst begonnen."

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Das letzte Wort aber soll wieder der Geschäftsführer von Fare haben. "Wir wollen dazu beitragen, eine Fussballkultur zu schaffen, die sehr integrativ ist und zu der sich jeder zugehörig fühlen kann. Wir wollen nicht, dass zum Beispiel junge Menschen in Neuseeland und Australien sagen, dass sie nicht zur Frauen-WM fahren, weil sie Dinge sehen werden, die sie nicht sehen wollen. Oder dass ihre Eltern das sagen.    Dabei geht es nicht darum, den Fussball steril und sauber zu machen. Es geht um Respekt gegenüber den vielfältigen Kulturen, die die Gesamtkultur ausmachen. Es geht darum, die Kraft zu unterstreichen, die der Fussball hat, wenn es darum geht, Menschen zu verbinden."