Sonntag 04 Januar 2009, 00:03

Theune: "Ein spannendes Frauenfussballjahr 2008"

Sie kennt den Frauenfussball in- und auswendig. Tina Theune hat schließlich selbst eine gehörige Portion Anteil daran, dass er sich großer Beliebtheit erfreut. Als Nationaltrainerin ihres Heimatlandes führte die Deutsche ihre Teams zwischen 1996 und 2005 zu zahlreichen Titeln - darunter auch der WM-Triumph 2003 in den USA.

Längst hat Deutschlands "Frau des Jahres 2006" an Silvia Neid abgegeben, doch ihrem Sport ist sie als Mitglied der Technischen Studiengruppe der FIFA (TSG) treu geblieben. Im Exklusiv-Gespräch mit FIFA.com ließ Theune das Jahr 2008 im Frauenfussball noch einmal Revue passieren.

Frau Theune, das zurückliegende Jahr war für den Frauenfussball äußerst abwechslungsreich. Was stach für Sie hervor? Es war ein sehr spannendes Jahr. Zum ersten Mal wurde eine U-17-Frauen-WM gespielt, was bedeutet, dass die Wettbewerbe der Juniorinnen nun identisch mit jenen der Junioren sind. Ich selbst war beim Olympischen Fussballturnier in China und bei der U-20-Frauen-WM in Chile. Von den U-17-Juniorinnen in Neuseeland hat man viel Positives gehört. Unter anderem auch von Franz Beckenbauer, der das eine oder andere Lob ausgesprochen hat. Bei der U-20 haben mich sehr viele, für ihr Alter sehr reife Spielerinnen überzeugt. Da wächst eine starke Generation im Frauenfussball heran.

Welche Spielerinnen, die Sie gesehen haben, sind Ihnen besonders positiv aufgefallen? Da waren einige dabei, die Maßstäbe gesetzt haben. Ich denke vor allem an die junge U.S.-Keeperin Alyssa Naeher, die als mitspielende Torfrau sehr viel Sicherheit ausstrahlte. Sie könnte als Beispiel einer neuen Generation von Keeperinnen dienen, die sich technisch weiterentwickelt. Landsfrau Sydney Leroux mit ihrer Risikofreude und Zielstrebigkeit war sehr auffällig, auch Alex Morgan, die perspektivisch das Zeug zu einer Spielgestalterin hat. Die Deutsche Nicole Banecki bringt großes Potential mit, sie ist immer präsent, spielt mit feiner Technik und Herz.

Wer hat Sie im Jahr 2008 überrascht? Ich bin von Japan absolut begeistert. Japans Frauen, U-20- und U-17-Teams sorgen für tolle Momente, avancieren zu Lieblingen des Publikums. Die Spielerinnen sind klein und flink, äußerst fit, technisch stark und beherrschen Offensive wie Defensive. Sie können ein hochintensives Pressing aufziehen und jeden Gegner mit atemberaubender Schnelligkeit oder technischer Perfektion komplett ausspielen. Vielleicht haben sie noch zu viel Respekt vor den Großen, aber das wird sich legen.

Wie sieht's in Europa aus? Deutschland war bei jedem Turnier 2008 unter den "Top 3", wurde zweimal infolge Weltmeister und gehört ganz unumstritten zur absoluten Weltspitze. Vor allem England und Frankreich haben bewiesen, dass mit ihnen ab sofort sehr stark zu rechnen ist. Sie unterstützen junge Talente in ihrer Karriereentwicklung mit sehr guten, langfristig geplanten Ausbildungskonzepten.

Wieso ist Korea DVR im Nachwuchsbereich so stark, aber mit dem Frauen-Nationalteam nicht? Die nordkoreanischen Teams, auch die Youngster, spielen äußerst diszipliniert und clever, in Ballbesitz geschieht alles in höchstem Tempo. Was den Frauen noch fehlt, ist die Erfahrung - wenn man bedenkt, dass ihr Altersdurchschnitt im WM-Jahr 2007 bei 22 Jahren lag. Vielleicht ein Schuss Lockerheit und etwas mehr Flexibilität in der Spielanlage. Die Perspektiven sind hervorragend.

Ist Ihre Vorfreude auf die FIFA Frauen-WM 2011 in Ihrer Heimat Deutschland schon spürbar? Oh ja, und ich kann es kaum erwarten, und bin stolz, dass auch die U-20-WM 2010 in Deutschland gespielt wird. Ich freue mich auf die Zuschauerzahlen, denn die Menschen werden heiß darauf sein, sich Karten zu besorgen. Es wird ganz viele tolle Feste geben, und die Fans aus Europa werden die kurzen Wege nutzen, um anzureisen. Ich glaube, es wird Sachen geben bei dieser Frauen-WM, die noch nie dagewesen sind. Public Viewing garantiert. Gäbe es Bilder zum Einkleben, würde ich sie sammeln...

Ist Deutschland stark genug, um zum dritten Mal infolge Weltmeister zu werden? Aber natürlich! Einige Spielerpersönlichkeiten sind zwar zurückgetreten, aber es werden neue Spielerinnen nachrücken, die das Zeug haben, genauso erfolgreich zu sein. Silvia Neid ist der nahtlose Übergang bereits jetzt gelungen, und das Publikum war schon immer fantastisch.

Noch ein letzter Rückblick: Was war Ihr persönliches Highlight 2008? Da muss ich nicht lange nachdenken. Es waren die Olympischen Spiele. Ich habe versucht, mich in die chinesische Kultur reinzudenken. Es gab faszinierende Begegnungen am Strand von Qinhuangdao, einem der Spielorte. Ich erinnere mich an einen Tag, an dem ich in Peking mit dem Fahrrad unterwegs war oder an einen Spaziergang auf der Mauer, mit Schlagzeuguntermalung. Bewegend war der Moment, als ich unter anderem Deutschlands Bronzeteam bei der Medaillen-Zeremonie die Blumen überreichen durfte.