Sonntag 06 März 2022, 23:11

Kerr: Die Begeisterung für die Weltmeisterschaft ist bereits spürbar

  • Sam Kerr ist Australiens Spielführerin und Rekord-Torschützin

  • Die Starspielerin von Chelsea ist voller Vorfreude auf die WM im kommenden Jahr

  • Kerr sprach mit der FIFA über 2023, ihre Rekorde und ihren Karriere-Höhepunkt

'Beyond Greatness' lautet der Slogan für die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Australien/Neuseeland 2023™, und für Sam Kerr könnte sich das als regelrecht prophetisch erweisen.

Sie hat mehr Tore erzielt als alle anderen australischen Fussballer und hat rund um die Welt Torjägerkronen geholt. Damit hat sie ihren Status als nationale Legende längst gesichert und zementiert.

Doch die bevorstehende Weltmeisterschaft, die in gerade einmal 500 Tagen beginnt, bietet ihr die Chance, wahrhaft unsterblich zu werden.

Kerr, die im September 29 wird, wurde kürzlich Zweite bei der Wahl der The Best – FIFA-Weltfussballerin. In den Jahren von 2017 bis 2021 sammelte sie auf drei Kontinenten nicht weniger als sechs Kronen als beste Torjägerin. Derzeit steuert sie auf die siebte derartige Auszeichnung zu.

Und es gibt noch mehr schlechte Nachrichten für die Verteidigerinnen, denen der Star des FC Chelsea und der Matildas bereits jetzt Angst und Schrecken einjagt. Denn es scheint, dass Kerr gerade erst richtig anfängt.

"Von mir wird man definitiv noch mehr sehen", sagte sie selbstbewusst gegenüber der FIFA. "Man hört immer wieder, dass man mit 28 den Zenit erreicht, aber Megan Rapinoe wurde erst mehrere Jahre später zur The Best – FIFA-Weltfussballerin gewählt, und Carli Lloyd ebenfalls. Ich weiß jedenfalls, dass ich noch eine ganze Menge mehr zu zeigen habe.

Ich bin sehr gespannt, wie es mit meiner Karriere weitergeht, wie es mit unserem Nationalteam weitergeht und wie es mit meinem Verein weitergeht. Ich habe das Gefühl, dass ich gerade erst anfange, meinen besten Fussball zu spielen, und das auf einem konstant hohen Niveau. Hoffentlich glauben auch die anderen daran, dass ich noch mehr zu geben habe – denn das habe ich definitiv."

Sam Kerr von den Matildas feiert einen Treffer während des internationalen Frauen-Freundschaftsspiels zwischen Australien und Brasilien im CommBank Stadium am 26. Oktober 2021 in Sydney, Australien.

England erobern und Cahill überflügeln

Wenn sie ihr hohes Niveau noch weiter steigern kann, dürfte sie mit hoher Wahrscheinlichkeit eines Tages selbst ganz oben auf dem Podium landen. Doch selbst für eine geborene Gewinnerin, die es gewohnt ist, Erste zu werden, war dies ein zweiter Platz, auf den sie wirklich stolz sein konnte.

"Manche hätten es vielleicht als Misserfolg empfunden", sagt sie, "aber ich fühle mich durch die Wahl zur zweitbesten Spielerin der Welt wirklich geehrt und ich bin stolz darauf, wie weit ich in meiner Karriere gekommen bin. Ich spiele nicht, um solche Auszeichnungen zu bekommen – ich spiele für mein Team und ich spiele, um Titel und Trophäen zu gewinnen. Aber natürlich ist es ist schön, anerkannt zu werden, und ich gebe gern zu, dass ich wirklich stolz war. Ich denke auch, dass Alexia [Putellas] es absolut verdient hat, also ist es definitiv keine Schande, hinter ihr Zweite zu werden."

Barcelonas brillante Spielmacherin war nicht die einzige Preisträgerin, die Kerr mit Lob überschüttete. Sie erkannte auch die erfolgreiche Mischung, die es der einfühlsamen, aber sehr anspruchsvollen Emma Hayes – ihrer Trainerin bei Chelsea und FIFA-Welttrainerin im Frauenfussball – ermöglicht hat, ihr Spiel auf ein noch höheres Niveau zu heben.

Kerr sagte: "Emma ist eine großartige Trainerin und ein ebenso großartiger Mensch – jemand, der sich auf und abseits des Spielfelds stets um uns kümmert. Sie kümmert sich sehr um uns als Menschen, und ich glaube, das ermöglicht es uns, unser Bestes zu geben. Sie ist aber auch sehr streng und geht einem auf die Nerven, wenn man nicht das tut, was man tun soll!

Und genau das war ein Grund für meinen Wechsel zu Chelsea: Ich wusste, dass Emma mich herausfordern würde, dass der Verein mich herausfordern würde, dass die Liga mich herausfordern würde, und das hat mein Spiel nur verbessert. Ich musste mich anpassen und bin dadurch definitiv stärker geworden."

Auf Kerrs Weg gab es allerdings durchaus auch Enttäuschungen, wie die demütigende Finalniederlage des FC Chelsea in der UEFA Champions League gegen den FC Barcelona und die schockierende Viertelfinalniederlage Australiens gegen Korea Republik beim letzten AFC Asien-Pokal der Frauen. Doch trotz des frühen Ausscheidens wurde Kerr Torschützenkönigin des Turniers. Zudem übertraf sie in Indien den bisherigen australischen Rekord von Tim Cahill (50 Länderspieltore).

"Tim und ich haben sehr viel Respekt füreinander", sagte Kerr mit Blick auf ihren jüngsten Rekord. "Er ist eins meiner Vorbilder. Dass ich seinen Rekord gebrochen habe und oft mit ihm in einem Satz genannt werde, kann ich manchmal selbst kaum glauben. Aber obwohl ich es genossen habe, diesen Rekord zu erreichen, bin ich eigentlich froh, dass es jetzt geschafft ist, damit ich endlich aufhören kann, ständig etwas dazu sagen zu sollen."

Die Messlatte 2023 noch höher legen

Wenn es hingegen ein Thema gibt, von dem Kerr nie genug bekommen kann, dann ist es die FIFA Frauen-WM im nächsten Jahr. Wenn überhaupt, dann wächst ihre Aufregung mit jedem weiteren Meilenstein und dem stetigen Herunterzählen der Tage bis zum 20. Juli 2023.

"Ich bin sehr stolz darauf, dass Australien diese Weltmeisterschaft ausrichten kann", sagt sie und strahlt. "Wir haben es verdient, und ich bin sicher, wir werden der Welt zeigen, was für ein tolles Land wir sind; was für ein sportliches Land wir sind.

Ich bin einfach absolut begeistert. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es sein wird. Schon jetzt, noch weit mehr als ein Jahr vor Beginn, geht die Begeisterung schon los. Wir können es kaum erwarten, alle in Australien willkommen zu heißen."

Sam Kerr von den Matildas bedankt sich bei den Fans nach dem Sieg im internationalen Frauen-Freundschaftsspiel zwischen Australien und Brasilien.

Es herrscht auch die Erwartung, dass bei diesem historischen Turnier mit 32 Teams sowohl auf als auch abseits der Spielfelder beeindruckende neue Maßstäbe gesetzt werden.

"Jede Weltmeisterschaft verbessert die Qualität auf dem Spielfeld, die Werbung und das Marketing abseits des Spielfelds und das Profil der Spieler", sagt Kerr. "Als ich zu meiner ersten Weltmeisterschaft fuhr, musste ich den Leuten noch erklären, was wir dort eigentlich machen. Jetzt hingegen freuen sich alle darauf, die Spielerinnen bekommen immer mehr Anerkennung, und es wird zu einem sehr wichtigen Datum im Kalender.

2023 wird fantastisch. Ich glaube, es wird die beste Weltmeisterschaft werden, nicht nur, weil Australien sie ausrichtet, sondern weil sich das Niveau des Frauenfussballs in den letzten vier Jahren dramatisch verbessert hat."

Die persönliche Entwicklung Kerrs verlief indes ähnlich beeindruckend wie die des Frauenfussballs. Und wer würde es wagen, dagegen zu wetten, dass sich diese australische Legende sogar wahrhaft unsterblich macht, wenn ihr Land die Welt empfängt?

Die australische Olympionikin Sam Kerr wird am 05. September 2021 in Sydney, Australien, auf das Sydney Opera House projiziert.