Sonntag 14 Mai 2023, 08:00

Inspirierende Schiedsrichter-Vorreiterin Penso freut sich auf WM-Herausforderung

  • Die Amerikanerin leitete mit 14 Jahren erstmals als Schiedsrichterin ein Spiel, schlug aber später eine Karriere in der Werbebranche ein

  • Nachdem sie Mutter von drei Mädchen geworden war, beschloss sie 2019, ihr Hobby zum Beruf zu machen

  • Sie ist eine der US-amerikanischen Schiedsrichterinnen bei der bevorstehenden FIFA Frauen-WM

Tori Penso war schon zehn Jahre alt, als ihre Mutter ihr erstmals erlaubte, Fussball zu spielen. Dass sie ihre Erlaubnis bis dahin verweigert hatte, lag allerdings nicht daran, dass Tori ein Mädchen war. "Sie wollte einfach nicht, dass ich blaue Flecken und Beulen an den Beinen habe, aber ich sah meine beiden Brüder ständig gegen den Ball treten und wollte das unbedingt auch", so Penso, eine der US-Schiedsrichterinnen bei der bevorstehenden FIFA Frauen-WM Australien & Neuseeland 2023™ mit einem Grinsen gegenüber FIFA.com.

Ihre Familie spielte auch eine große Rolle dabei, dass sie erstmals eine Pfeife in den Mund nahm. "Meine Brüder waren Schiedsrichter in einer lokalen Liga in Stuart (Florida), wo ich geboren wurde und aufwuchs", erklärt sie. "Als ich 14 Jahre alt war, sagte ich meiner Mutter, dass ich eigentlich gerne etwas Geld verdienen würde, und sie meinte: 'Na, das kannst du doch auf dem Spielfeld machen, wo du ohnehin schon so viel Zeit verbringst'. Und so begann ich also, für Geld Spiele zu leiten, und zwar bei den Jungen und bei den Mädchen."

Der Titelgewinn des Frauen-Nationalteams der USA bei der FIFA Frauen-WM im gleichen Jahr (1999) hatte enorme Auswirkungen auf Penso. "Zu meinen liebsten Erinnerungen gehört Brandi Chastains Torjubel nach dem verwandelten Elfmeter, der den Sieg bedeutete", sagt sie. "Das war das erste Mal, dass ich eine Frau als echte Athletin sah. Es war sehr inspirierend und hat meine ganze Sichtweise verändert.

Als sie 18 war, konnte sie sich von ihrem als Schiedsrichterin verdienten Geld nicht nur ihr erstes eigenes Auto kaufen, sondern wurde wegen ihrer Leistungen auch zu einem Schiedsrichter-Trainingslager im Rahmen des Olympic Development Program in Texas eingeladen. "Es war das erste Mal, dass ich Florida verlassen habe. Mit vielen Leuten, die ich damals dort kennengelernt habe, stehe ich immer noch in Kontakt", erinnert sich die 36-Jährige. "Aber vor allem begann ich, die Kunst des Schiedsrichterwesen so zu schätzen, wie ich es heute tue."

Damals studierte sie Marketing und spielte an der Universität auch Fussball. Das Schiedsrichterwesen sah sie allerdings noch nicht als mögliche Quelle ihres Lebensunterhalts an: "In den USA gab es damals noch keine weiblichen Vollzeit-Schiedsrichterinnen, und so sah ich darin eigentlich keinen möglichen Karriereweg. Aber mir war durchaus klar, dass das für mich mehr als nur ein vorübergehender Job sein sollte, und dass ich dadurch vielleicht mein Land und sogar die Welt ein bisschen besser kennenlernen würde."

Referees Seminar III STARTS Montevideo

Bevor sie sich entschied, ihren Job in einer Werbeagentur zugunsten der Schiedsrichterei aufzugeben, lernte Tori Chris Penso kennen, den sie schließlich heiratete und mit dem sie drei Töchter hat. Den Entschluss zu einer neuen Karriere fasste sie während der FIFA Frauen-WM Frankreich 2019™, als sie ihre jüngste Tochter in den Armen hielt.

"Mir wurde klar, dass ich nicht mehr beide Tätigkeiten mit vollem Einsatz ausüben konnte. Außerdem wurde deutlich, dass sich für professionelle Schiedsrichterinnen immer mehr Möglichkeiten ergaben. Und so beschloss ich mit voller Unterstützung meiner Familie, zu sehen, wie weit ich es bringen konnte", so Penso. "Die Schiedsrichtertätigkeit hat mir weit mehr gegeben, als ich mir je vorstellen konnte."

Und welche Bedeutung hatte die FIFA Frauen-WM in Frankreich? "Die Geschichten so vieler Frauen auf dem Spielfeld zu hören, von denen einige ebenfalls Mütter waren, fand ich sehr inspirierend. Und ich dachte: 'Vielleicht stehe ich in vier Jahren ja selbst da draußen'. Deshalb kann ich es immer noch nicht glauben, wenn ich zurückblicke."

Penso begann in ihrer neuen Karriere schon bald, bedeutende Meilensteine zu erreichen: Im September 2020 leitete sie als erste Frau seit über 20 Jahren ein Spiel in der MLS. "Vor fünf Jahren war dies eines meiner langfristigen Ziele", sagt sie. "Dass ich das mittlerweile sogar schon mehrfach gemacht habe, ist einfach fantastisch. Ich gehöre jetzt zu den MLS-Schiedsrichtern der Professional Referee Organization. Bei dieser Tätigkeit arbeiten wir hart und beweisen uns immer wieder selbst."

2021 schrieb sie erneut Geschichte, dieses Mal sogar auf kontinentaler Ebene: Sie war die erste Schiedsrichterin, die mit einem rein weiblichen Team ein Spiel in einem CONCACAF-Männer-Wettbewerb leitete. Im Juni des gleichen Jahres leitete sie als erste Frau überhaupt ein WM-Qualifikationsspiel der Männer. "Ich bin durchaus ein bisschen stolz. Wenn man sich in der Welt umschaut, ist es erstaunlich, was Frauen derzeit alles erreichen", sagte sie bescheiden.

Bei der FIFA U-20-Frauen-WM 2022™ in Costa Rica leitete Penso fünf Spiele, davon ein Halbfinale. Angesichts all dieser Leistungen ist es nur logisch, dass sie selbst nun Andere inspiriert, insbesondere ihre drei Töchter. Ist eine von ihnen bereit und willens, das Erbe der Mutter fortzuführen?

Spain v Netherlands - FIFA U-20 Women's World Cup Costa Rica 2022 Semi Final

"Während des letzten SheBelieves Cup füllten alle drei ein Plakat aus, auf dem sie die Zeile 'Ich glaube, dass...' ergänzen sollten: Meine Achtjährige schrieb, dass sie Profifussballerin werden würde, die Sechsjährige, dass sie Fussball spielen und niemals aufgeben würde, und die Fünfjährige, dass sie Schiedsrichterin werden würde", berichtet Penso lachend. "Natürlich haben sie alle drei unsere volle Unterstützung!"

Aktuell bereitet sich Penso neben ihren laufenden Verpflichtungen als Schiedsrichterin auf die bevorstehende FIFA Frauen-WM vor. "Ich führe zu Hause mit Chris, der ein FIFA Video-Schiedsrichterassistent ist, intensive Diskussionen über das Schiedsrichtern und das hilft mir sehr, die Dinge bei den Spielen auch mal aus einer anderen Perspektive zu sehen."

Penso gibt unumwunden zu, dass sie an Spieltagen manchmal ziemlich nervös ist und sich lieber darauf konzentriert, "an den Feinheiten zu arbeiten und sich jeden Tag um ein weiteres Prozent zu verbessern, um letztlich in bestmöglicher Form auf dem Platz zu stehen." Schon bald muss sie sich ans Kofferpacken machen und wird dabei einen Gegenstand ganz sicher nicht vergessen: "Ein Foto meiner Familie, die mich überallhin begleitet. Denn ohne sie hätte ich das alles niemals geschafft."