Montag 06 September 2021, 07:28

Schlüsselfaktoren für Italiens Weltrekordserie

  • Mit dem Remis gegen die Schweiz hat Italien 36 Spiele in Folge ohne Niederlage absolviert – ein neuer Rekord für Nationalmannschaften

  • Der Schlüssel zu dieser Bestmarke war die Übernahme des Traineramtes durch Roberto Mancini, nachdem die Azzurri die WM in Russland verpasst hatten

  • Unter Mancini ist die Spielweise der Italiener attraktiver geworden

In den sechs Monaten vom 13. November 2017 bis 14. Mai 2018 musste Italien den härtesten Schlag seiner Fussballgeschichte verdauen Anschließend sorgte ein neuer Coach für einen radikalen Wechsel bei den Azzurri.

An jenem 13. November 2017 verpasste Italien die Qualifikation für die FIFA-WM Russland 2018. Der viermalige Weltmeister (1934, 1938, 1982 und 2006) würde nicht auf der größten Bühne des Weltfussballs dabei sein. Es war ein bitterer Schlag für die Italiener, die seit 1958 keine WM-Endrunde verpasst hatten.

Nach diesen bitteren sechs Monaten übernahm am 14. Mai 2018 Roberto Mancini "seine" italienische Auswahl. Mit 53 Jahren und großer Erfahrung gepaart mit vielen Erfolgen auf den Trainerbänken Europas traf er die Entscheidung, ein italienisches Team, das so dringend neue Ziele brauchte, wieder auf Kurs zu bringen. Und das ist ihm voll und ganz gelungen.

Der aktuelle Europameister hat nun schon 36 Spiele in Folge nicht verloren (27 Siege , 9 Unentschieden) und damit die Bestmarke von 35 Partien übertroffen, die diese beiden Nationalteams aufgestellt hatten: Brasilien, das als Weltmeisters zwischen 1993 und 1996 keine Partie verlor, und Spanien, das zwischen 2007 und 2009 ungeschlagen blieb und dabei einen Weltmeister- und zwei Europameistertitel holte. Zwei legendäre Teams, zu denen nun auch Italien zählt.

Bis zum heutigen Tag hat Mancini die italienische Auswahl in 41 Spielen betreut und dabei nur zwei Niederlagen kassiert, beide unter den ersten fünf Partien: ein Freundschaftsspiel gegen Frankreich im Juni 2018 und im selben Jahr eine Niederlage gegen Portugal in der UEFA Nations League. Anschließend begann die Serie von nunmehr 36 Spielen ohne Niederlage, für die es einige wichtige Gründe gibt.

Image > Italy's Head coach Roberto Mancini (2nd R) oversees a training session of his players

Attraktiver Ballbesitzfussball

Wenn man an Italien denkt, fällt einem sofort der Abwehrriegel, der Catenaccio ein, von dem Mancini aber nichts wissen wollte. Von Anfang an entschied er sich für ein 4-3-3-System und ist auch dabei geblieben. Der Erfolg seiner Philosophie spricht für sich, denn in den 41 Spielen hat Italien 93 Tore (ohne die heutigen) erzielt, was einem Schnitt von mehr als zwei Treffern pro Partie entspricht.

Das war noch nicht alles. Nach einigen Änderungen in der Defensive überraschte Italien bei der Europameisterschaft die Gegner mit seinem stark auf Pressing ausgerichteten Spiel. Mancini verband dabei Intensität und Offensivdrang mit der ohnehin traditionellen Abwehrstärke, wodurch es gelang, 1.168 Minuten ohne Gegentor zu bleiben. Damit übertraf man den alten Rekord von 1.143 Minuten, den Dino Zoff aufgestellt hatte.

Eine Auswahl, bei der die Namen nicht zählen

Fussballerisches Talent ist von vorrangiger Bedeutung für Roberto Mancini und die italienischen Spieler, die das zeigen, bekommen früher oder später ihre Chance in der Auswahlmannschaft. Er hat knapp 80 Spieler in den Kader berufen und ein hoher Prozentsatz von ihnen ist auch zum Einsatz gekommen.

'Wenn du es dir verdient hast, erhältst du eine Chance in der Auswahl.' – Diese Botschaft hat Mancini allen Spielern in Italien vermittelt und ließ damit keinen Zweifel daran, dass das Tor zur Nationalmannschaft allen offensteht. Er legt keinen Wert auf große Namen, wie andere Auswahlmannschaften. Alle wissen, dass sie es sich verdienen können zu spielen. Die mannschaftliche Geschlossenheit ist auch einer seiner großen Trümpfe.

Giorgio Chiellini and Leonardo Bonucci of Italy celebrate

Italien: eine Familie

Eine der wichtigsten Aufgaben von Mancini nach der Übernahme des Ruders war, die Spieler wieder zu motivieren, die den harten Schlag der verpassten Qualifikation für die WM in Russland erlitten hatten.

Es galt zunächst, diese Enttäuschung in Ehrgeiz für die kommenden Aufgaben umzuwandeln. Dann musste er die jungen italienischen Talente ins Team holen, die wieder für die Frische, Unbekümmertheit und Begeisterung sorgen würden, die der italienischen Auswahl von 2018 fehlten. Damit war er erfolgreich. Das heutige Italien ist so erfolgreich, weil die Spieler an das Projekt von Mancini glauben und immer wieder ihre Geschlossenheit und ihren Teamgeist zeigen.

"Wir werden die Niederlage gegen Schweden nie vergessen, aber es ist uns gelungen, diese Enttäuschung in Begeisterung umzuwandeln", erklärt Chiellini gegenüber der Presse vor der Auftaktpartei bei der EM. Bonucci fügte hinzu: "Dieses Projekt nimmt Form an: Wir verfügen über Enthusiasmus, Talent, jugendlichen Schwung und Erfahrung". Die folgenden Parteien gaben dem starken Innenverteidiger-Duo Recht.

Eine neue Mentalität

Das beste Rezept nach der bitteren Niederlage gegen die Schweden 2018 war, auf Begeisterung zu setzen. Damit steckte er seine Spieler an, indem er ihnen klarmachte, dass man nun mit einer anderen Einstellung in die Partien gehen würde. Der gewagte und attraktive Fussball, den Mancini propagierte, riss die routinierten Spieler mit und passt perfekt zu den jungen vielversprechenden Talenten. Es war der ideale Augenblick für diesen Wechsel, wie er gegenüber FIFA.com vor der Europameisterschaft erklärte.

"Ich habe immer versucht, diese offensive Philosophie den Teams, die ich trainiert habe, zu vermitteln. Manchmal ist das gut gegangen, manchmal nicht, aber dieses Mal war es genau der richtige Zeitpunkt, unseren Fans ein Team zu präsentieren, das einen attraktiven Fussball spielen würde". Und genau so kam es. In dreieinhalb Jahren zeigte Italien ein neues Antlitz und eine neue Mentalität und geht mittlerweile in jede Partie als Favorit.

Die Ergebnisse ließen nicht auf sich warten

Die Azzurri von Mancini haben nicht nur eine neue Bestmarke aufgestellt, was die Anzahl der Spiele ohne Niederlage angeht. Es ist auch gerade einmal zwei Monate mehr, dass man in Wembley im Finale gegen Gastgeber England den zweiten EM-Titel nach Italien holte.

Das ist noch nicht alles. Auch die Gruppe C der EM-Qualifikation für Katar 2022 führt Italien unangefochten an. Spielen die Italiener weiterhin so erfolgreich und lösen sie das Ticket, werden sie als einer der großen Titelfavoriten nach Katar reisen. Mancini und Italien sind sich dessen bewusst, dass sie beim nächsten WM-Turnier Geschichte schreiben können.