Mittwoch 27 Mai 2020, 02:49

Paola López – Zwischen Vergangenheit und Gegenwart

  • Paola López ist eine der besten Außenbahnspielerinnen Mexikos

  • Zweite Leidenschaft: Geschichte

  • López: "Die Pandemie kann den Frauenfussball vorantreiben"

Alles begann in der weiterführenden Schule, als eine Lehrerin ihren Geschichtsunterricht so interessant gestaltete, dass Paola López fortan das Bedürfnis verspürte, die Gegenwart mit Erkenntnissen aus der Vergangenheit zu erklären.

Heute spricht Paola López ebenso gern über die großen Kriege des 20. Jahrhunderts wie über den unermüdlichen feministischen Kampf und die große Bedeutung der sozialen Dimension des Sports.

"Die Geschichte ist wichtig, weil sie abgesehen von den Tatsachen zeigt, wie wir Menschen waren. Im Allgemeinen glaube ich, wir können am besten verstehen, wer wir sind, indem wir uns anschauen, wer wir waren. Was wir heute sind, unterscheidet sich nicht besonders von dem, was wir vor Jahren einmal waren", erklärt sie in einem Exklusiv-Interview mit FIFA.com.

Der schwindelerregende Rhythmus, mit dem sie sich zwischen unterschiedlichen Konzepten bewegt, zeichnet sie auch auf dem Spielfeld aus, wo sie mit der Rückennummer 25 für CF Pachuca aufläuft und über die rechte Flanke immer wieder gefährlich vorstößt.

Doch mit der COVID-19-Pandemie kam die Welt plötzlich zum Stillstand.

"Ich habe vor Kurzem Das Kapital von Thomas Piketty gelesen. In seiner historischen Analyse der Weltwirtschaft und der Ungleichheit stellt er die Behauptung auf, am gerechtesten sei es direkt nach zwei großen und unglücklichen Konflikten zugegangen, nämlich nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Ich glaube, dass die Pandemie zum gleichen Ergebnis führen kann. Das ist natürlich etwas Trauriges, gleichzeitig aber auch ein externes Ereignis, das uns mit einer solchen Wucht trifft, dass wir darüber nachdenken, wer wir eigentlich sind."

Natürlich betrifft die Situation auch den Frauenfussball. "Um es ganz pragmatisch auszudrücken: Als Frau siehst du, dass nach einer positiven Entwicklung ein plötzlicher Stillstand eingetreten ist. Das ist hart, denn nachdem wir die WM in Frankreich erlebt hatten, wussten wir, dass sehr positive Dinge auf uns zukommen würden. Die Liga MX Femenil war in Bezug auf Einschaltquoten, Fans und Gehälter auch auf dem aufsteigenden Ast ...."

"Aber ich möchte den vorherigen Gedanken noch einmal aufgreifen, denn COVID-19 sorgt jetzt dafür, dass die Leute darüber nachdenken, was ihnen wirklich wichtig ist. Im Idealfall dient die Pandemie nach diesem Ansatz dazu, alles gleichberechtigter zu gestalten. Und in diesem Fall kann vielleicht auch die Entwicklung des Frauenfussballs davon profitieren."

Die zwei Gesichter von Paola López

  • Abseits des Spielfelds: Sie absolvierte eine Studium der Politikwissenschaften. Bis Ende 2019 war sie im Instituto Nacional de Estudios Históricos de las Revoluciones de México (INEHRM) tätig. Derzeit absolviert sie in der offiziellen Schule des mexikanischen Fussballverbands FEMEXFUT die Trainerinnenausbildung. Sie schreibt und publiziert in unterschiedlichen mexikanischen Medien.

  • Auf dem Spielfeld: Die 26-Jährige zählt zu den besten rechten Außenstürmerinnen der mexikanischen Liga. Sie stand in allen neun Partien des Clausura-Turniers 2020 in der Startelf und erzielte vier Treffer. In ihrer gesamten Karriere bringt sie es auf 23 Tore. López hat bisher für Club Universidad und CF Pachuca gespielt.

Kulturbegeistert

Während die Welt angesichts der Pandemie gerade eine dunkle Talsohle durchschreitet, widmet sich Paola López weiterhin ihren Leidenschaften abseits des Spielfelds. "Im Augenblick lese ich viel. Außerdem nehme ich wöchentlich einen *Podcast* namens 'Historias del llano' (Geschichten aus der Ebene) auf, der mich als Person glaube ich ganz gut widerspiegelt. Ich versuche, den Fussball über die sportliche Ebene hinaus zu beleuchten und beziehe geschichtliche, philosophische und soziale Faktoren mit ein."

Über die Vergangenheit und die Gegenwart haben wir bereits gesprochen. Und wie sieht es mit ihrer Zukunft aus? "Ich fände es nicht schlecht, mit der Geschichtsschiene weiterzumachen. Deshalb schreibe ich weiterhin und bleibe mit Universitätskreisen in Kontakt."

"Aber gleichzeitig sind mir auch meine Fussballkarriere und mein Trainerinnenkurs sehr wichtig. Ich würde gern eine Führungsrolle übernehmen, zu einem Klub gehören und dem Ganzen auch eine soziale Dimension geben. Pachuca ist einer von wenigen Klubs, der über eine Universität verfügt. Daher werden hier Spieler ausgebildet, die vielleicht eine ganzheitliche Vision entwickeln, mit intellektuellen und sportlichen Komponenten", meint sie abschließend.

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Dieser Artikel ist Teil unserer neuen Serie mit dem Titel "Frauen im Fussball", in der wir einen Blick hinter die Kulissen werfen. In der kommenden Woche steht die kanadische Schiedsrichterin Carol Anne Chenard im Blickpunkt.