Donnerstag 04 Februar 2016, 12:01

Chilavert und Paraguay mit vollem Einsatz

Der Paraguayer Carlos Chilavert erinnert sich noch lebhaft an die Verletzung, aufgrund derer er 2012 seine dritte FIFA Futsal-Weltmeisterschaft verpasste. "In der letzten Vorbereitungsrunde für die WM sind wir nach Kasachstan gereist, um zwei Freundschaftsspiele gegen den europäischen Vereinseuropameister auszutragen. Ich erholte mich gerade von einer Knieverletzung und war in der ersten Partie nicht dabei, die wir verloren. In der zweiten kehrte ich dann aufs Spielfeld zurück, einen Tag vor der Abreise nach Thailand. Wir lagen mit zwei Toren in Führung, ich war mit vollem Einsatz dabei und bin auf den Ball gefallen. Der Arm wurde nach hinten geschleudert, ich habe mir die Schulter ausgekugelt und konnte mich von der WM verabschieden."

Es ist beeindruckend, wie nüchtern er die Szene schildert. "An diesem Tag wurde mir bewusst, dass Gott gesagt hatte: 'Bis hierher und nicht weiter Chila'", fährt der heutige Nationaltrainer Paraguays im Gespräch mit FIFA.com fort. "Ich habe das Team trotzdem nach Thailand begleitet, weil ich wusste, dass ich als Kapitän wichtig für die Truppe war. Doch die Entscheidung, mich aus der Nationalmannschaft zu verabschieden, war bereits getroffen", so der 39-jährige ehemalige Verteidiger, der zuvor an den Futsal-Weltmeisterschaften 2004 in Chinese Taipei und 2008 in Brasilien teilgenommen hatte.

Chilavert bereut es nicht, dass er damals auf seine Teilnahme am Freundschaftsspiel bestanden hat, und noch weniger, dass er sich so kurz vor der WM voll ins Zeug gelegt hat. "Ich habe immer so gespielt, wollte sogar in den Trainingsspielen gewinnen. Wenn ich mich etwas zurückgenommen hätte, würde ich vielleicht noch spielen. Doch ich habe mich nie zurückgenommen, egal ob mit oder ohne Verletzung. Und dasselbe erwarte ich jetzt auch von meinen Spielern", erklärt der wohl bedeutendste paraguayische Futsal-Spieler aller Zeiten, der seine aktive Karriere Ende 2012 endgültig beendete.

Wie ernst es ihm mit dieser Aussage ist, hat er bereits gezeigt: Wenige Tage bevor in Asunción die Südamerika-Qualifikation für die FIFA Futsal-Weltmeisterschaft Kolumbien 2016 beginnt, schickte Chila im letzten Vorbereitungsspiel gegen den fünfmaligen Weltmeister Brasilien seine besten Spieler aufs Feld (das Team unterlag mit 0:5). Gegen denselben Gegner wird man auch im Qualifikationswettbewerb antreten müssen. "Man kann sich jederzeit verletzen: beim Training, beim Aufwärmen, in einem Spiel… Es ist nicht gut, mit Angst an die Sache heranzugehen und zu denken, dass etwas passieren könnte. Es gibt ein normales Risiko. Und ich bin immer Risiken eingegangen."

Herausforderung auf einem anderen Niveau Nur vier Monate, nachdem er die Fussballschuhe an den Nagel gehängt hatte, übernahm Chilavert das Ruder der Nationalmannschaft und damit eine Herausforderung auf einem ganz neuen Niveau. Er überlegte zwei Tage, bevor er die Zusage gab. "Es hat mir keine Sorgen gemacht, dass ich noch keine Erfahrung hatte oder meinen Ruf aufs Spiel setzen würde. Aber dass ich gewisse Entscheidungen in Bezug auf Spieler treffen müsste, die vorher meine Teamkameraden gewesen waren, hat mich schon mit Sorge erfüllt. Man sprach von Erneuerung, doch ich glaubte an diese Spieler. Und jetzt ist es so, dass die Hälfte des aktuellen Kaders damals in Thailand schon dabei war", berichtet er mit Stolz.

Und die andere Hälfte? "Das sind Nachwuchsspieler mit einem Durchschnittsalter von 21 Jahren. Wir haben den erforderlichen Umbruch geschafft, und daher wäre es jetzt wichtig, dass wir uns zum vierten Mal in Folge für die WM qualifizieren. Unabhängig davon, was später mit mir passiert, wäre es schon ein Vermächtnis, wenn diese Jungs eine WM spielen könnten."

Die Albirroja, die bei der Copa América 2015 hinter Argentinien den zweiten Platz belegte, geht als aussichtsreicher Kandidat auf einen der insgesamt drei in diesem Turnier zu vergebenen Startplätze ins Rennen. Chilavert verliert jedoch keinesfalls die Bodenhaftung. "Hier glauben viele, dass wir Meister werden müssen, aber ich kenne die Realität im südamerikanischen Futsal. Es kommt nicht auf das Spiel gegen Brasilien an, obwohl wir im Halbfinale der letzten Qualifikation gegen die Brasilianer gewonnen haben."

Dann fügt er hinzu: "Die Teams, die wir schlagen müssen, sind Venezuela, Peru und Ecuador. Wir dürfen unser Ziel nicht aus den Augen verlieren, und das ist die Qualifikation für die WM. Wir müssen ins Halbfinale einziehen und dann schauen, ob das schon ausreicht. Denn wenn Kolumbien ebenfalls den Sprung unter die ersten Vier schafft, hätten wir damit den Startplatz schon gesichert. Je früher das passiert, desto besser."

Im Augenblick ist Chilavert, der während seiner aktiven Karriere in den prestigeträchtigen Ligen Italiens und Spaniens unter Vertrag stand, fest davon überzeugt, seinen Traum verwirklichen zu können. Allerdings räumt er ein, dass noch an einigen Aspekten gearbeitet werden muss. "Wir sind ein Team, das gern in Ballbesitz ist, und wenn wir den Ball dann einmal nicht haben, mangelt es uns oftmals an Geduld. Den Gegner die ganze Zeit unter Druck zu setzen, kann gefährlich sein. Daher arbeiten wir daran, in Abhängigkeit vom Gegner intelligent zu spielen."

Carlos, ein entfernter Cousin von José Luis Chilavert, ist ähnlich vertrauenerweckend wie der berühmte Torhüter. "Wir Paraguayer haben bereits sehr darunter gelitten, dass wir bei der WM in Brasilien nicht dabei sein konnten. Es ist immer schrecklich, eine WM von außen verfolgen zu müssen, insbesondere, wenn sie in der Nähe stattfindet. Für unseren Futsal wäre das ein sehr harter Schlag. Doch ich vertraue auf die bislang geleistete Arbeit. Ich glaube, dass ich über das beste paraguayische Futsal-Team aller Zeiten verfüge."