Freitag 09 April 2021, 02:19

Caparrós: "Armenien muss an den eingeschlagenen Weg glauben"

  • FIFA.com sprach exlusiv mit dem armenischen Nationaltrainer Joaquín Caparrós

  • Drei Siege in drei Spielen zum Auftakt der WM-Quali in Gruppe J

  • Caparrós dazu: "Guten Start hingelegt, bleiben aber mit beiden Beinen fest auf dem Boden"

Als Joaquín Caparrós zu Beginn des neuen Jahrhunderts das Traineramt beim FC Sevilla übernahm, hat sicherlich nicht einmal er selbst geahnt, wo er sich 21 Jahre später befinden würde.

Bis 2005 blieb er dem südspanischen Klub treu, leistete dort einen Beitrag zur Entwicklung von Spielern wie Sergio Ramos, Jesús Navas, José Antonio Reyes oder Dani Alves und erlangte Idolstatus. Nach Engagements bei weiteren Klubs in Spanien, der Schweiz und Katar nahm er 2018 kurzfristig erneut auf der Trainerbank des FC Sevilla Platz und übernahm gleichzeitig Aufgaben in der Vereinsführung. Dann kam der Anruf von Ginés Meléndez, der alles ändern sollte.

Der erfahrene Trainer, der eine spektakuläre Bilanz mit den spanischen Nachwuchsteams für sich verbuchen kann, wandte sich an Caparrós, um ihm den Trainerposten in Armenien anzubieten. Er war engagiert worden, um den armenischen Fussballverband umzustrukturieren und zögerte keine Sekunde, als er einen Trainer für das Nationalteam des Landes suchte. Caparrós war sein Mann.

"Sie wollen sich weiterentwickeln und wissen, dass alles von der Ausbildung ihrer Trainer abhängt. Sie machen ihre Sache sehr gut, und es stellen sich Ergebnisse ein, die für den Präsidenten und sein Team sprechen. Diesen Weg müssen wir fortsetzen", so Caparrós im Gespräch mit FIFA.com auf die Frage nach dem Wandel des armenischen Fussballs.

"Ich hatte noch einen laufenden Vertrag bei Sevilla, als Ginés Meléndez mit mir über dieses Projekt sprach. Später habe ich dann den Verbandspräsidenten in Madrid getroffen. Die Chemie, das Feeling hat gestimmt, und wir sind uns schnell einig geworden. Sie vertrauen uns und die Kommunikation ist sehr gut", erklärt Caparrós, auf den Wechsel nach Armenien und den Unterschied zu seiner vorherigen Tätigkeit angesprochen. Das war der Auftakt zu diesem exotischen Abenteuer.

Seitdem haben sich die guten Beziehungen zwischen Caparrós und Armenien noch vertieft. Der Trainer hatte einen Auftakt nach Maß. "Dass wir in die Liga B der UEFA Nations League aufgestiegen sind, war eine Auszeichnung für die geleistete Arbeit und kam außerdem unerwartet, weil auch starke Teams wie Georgien und Nordmazedonien dabei waren. Das war ein Erfolg und hat dem Team und dem ganzen Land mental Auftrieb gegeben. Damit hat sich bestätigt, dass Armenien an den eingeschlagenen Weg glauben muss", so der ehemalige Trainer von Athletic Bilbao, Deportivo La Coruña und RCD Mallorca.

Die Erfolge waren beste Vorzeichen für die europäische Qualifikation für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2022™, die für Armenien spektakulär begonnen hat. Die Armenier konnten den Schwung aus der Nations League mitnehmen und einen perfekten Start hinlegen. Mit drei Siegen in drei Spielen stehen sie jetzt an der Spitze von Gruppe J.

"Wir sind mit hohen Erwartungen in die Qualifikation gegangen, aber gleichzeitig war uns klar, dass wir in einer schwierigen Gruppe gelandet waren. Wir haben einen guten Start hingelegt, bleiben aber mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Wir müssen gegen Teams wie Rumänien, Island, Nordmazedonien und vor allem Deutschland antreten, die sehr stark sind. So ist die Lage, aber die Hoffnung lassen wir uns nicht nehmen", betont Caparrós.

Der erfahrene 65-jährige Trainer weiß, dass sein Team jetzt Ruhe bewahren muss, und fasst die bisherigen Ereignisse in Gruppe J nochmals zusammen. "Für uns ist es gut, dass es in der Gruppe so verrückt zugeht, aber uns ist bewusst, dass es sehr schwer werden wird. Das sind Traditionsteams mit vielen guten Spielern, vor allem Topfavorit Deutschland."

Aus diesem Grund will Caparrós, nach seinen Zielen befragt, auch noch nicht über den September hinausdenken [Anm. d. Red.: Armenien bestreitet erst im September die nächsten Qualifikationsspiele]. "Wir müssen Spiel für Spiel denken und schauen, wie weit wir kommen können. Wir werden erst im September wieder spielen und sehen, wie die Spieler sich präsentieren. Bei uns hängt alles davon ab, dass wir mental und im Kollektiv stark sind."

Obwohl er erst seit zehn Spielen für Armenien verantwortlich ist, fühlt sich der spanische Trainer in dem osteuropäischen Land bereits ausgesprochen wohl. "Die Chemie hat von Anfang an gestimmt, vom Präsidenten bis zu unserem Trainerstab. Die Trainingslager mit den Spielern machen wirklich Spaß, weil sie sich stark einbringen."

Caparrós hat nur lobende Worte für seinen Alltag mit der armenischen Nationalmannschaft. "Wir haben ein unglaubliches Ausbildungs- und Trainingszentrum. Es verfügt über zehn Fussballplätze in spektakulärem Zustand und ein Wohnheim der Luxusklasse. Mehr braucht man nicht... wir fühlen uns sehr wohl", meint er.

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Bei einem spanischen Trainer in Armenien kommt einem natürlich auch die Sprachbarriere in den Sinn. "Im Nationalteam werden vier Sprachen gesprochen: Russisch, Armenisch, Englisch und Spanisch", berichtet Caparrós gegenüber FIFA.com und betont gleichzeitig, dass das für ihn kein Problem ist. "Die Kommunikation funktioniert sehr gut, und hinzu kommt, dass der Fussball eine universelle Sprache ist. Wenn der Ball erst einmal rollt, verstehen sich alle. Diese nonverbale Kommunikation ist fundamental."

Zum Abschluss fragen wir Joaquín Caparrós, was es für Armenien bedeuten würde, an einem großen Turnier wie einer Europa- oder Weltmeisterschaft teilzunehmen. "Der Aufstieg in der Nations League war schon eine sehr emotionale Angelegenheit, da kann man sich ja vorstellen, was die Teilnahme an einem solchen Turnier bedeuten würde. Aber darüber denke ich noch gar nicht nach. Nach vielen Jahren im Fussballgeschäft weiß ich, dass wir Schritt für Schritt vorgehen müssen. Die Menschen in Armenien sollen die Siege genießen und wir konzentrieren uns auf die Arbeitsmethoden", erklärt er.

Caparrós ist auf jeden Fall stolz auf sein Team und die geleistete Arbeit, das ist im Laufe dieses Interviews deutlich geworden. Es wird spannend sein zu verfolgen, wie weit er mit Armenien kommen kann.

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