Freitag 17 März 2017, 08:19

Der fast vergessene Höhenflug der Super Eagles

Emmanuel Amuneke berührte beim FIFA Konföderationen-Pokal 1999 als letzter Nigerianer den Ball. "Ich bin wie jeder andere Spieler auch: Eigentlich möchte ich, dass ein Spiel nach 90 Minuten zu Ende ist", sagte er gegenüber FIFA.com und erinnerte nicht ohne Bedauern an seinen verschossenen Elfmeter, der für das mit Stars gespickte Team von Nigeria nur Platz vier hinter Mexiko bedeutete. "Natürlich war das ein mieses Gefühl, aber bei Elfmetern kann man eben nichts vorhersehen."

Amuneke war der Flügelzauberer im Team Nigerias. Immer wieder verlagerte er das Spiel weit hinaus auf die linke Seite und zog die Gegner auf sich. Wie ein Stierkämpfer provozierte er Zweikämpfe und Tacklings, nur um geschickt auszuweichen, den Ball am Gegner vorbei oder über ihn hinweg zu spitzeln und dann seinen Vorstoß fortzusetzen. Bei Nigerias erster WM-Teilnahme ein Jahr zuvor in den USA hatte er zwei Tore erzielt. "Manchmal kommt so ein Team, so eine Generation einfach aus heiterem Himmel", meint er über die Mannschaft, die damals die ganze Welt aufhorchen ließ. "Das war unsere Goldene Generation. Wir hatten so viele großartige Spieler, dass manche gar nicht ins Team kamen, weil der Konkurrenzkampf um die Plätze so intensiv war."

Die Super Eagles der 1990er Jahre zeichneten sich durch Schnelligkeit, Kraft, Technik und Improvisationstalent aus und entfachten einen derart frischen Wind in den Stadien, dass viele schon vorhersagten, sie würden als erstes afrikanisches Team die Weltmeisterschaft gewinnen. Beim FIFA Konföderationen-Pokal 1995, damals in Saudiarabien noch unter der Bezeichnung King Fahd Cup, waren die Entertainer aus Westafrika der große Publikumsliebling.

"In Saudiarabien hat man uns regelrecht geliebt", schwärmt Amuneke, der vier Spielzeiten beim FC Barcelona war, letztlich aber seine Karriere wegen mehrerer Knieverletzungen vorzeitig beenden musste. "Die Fans erinnerten sich noch gut an unsere Auftritte 1994 in den USA. Das hat sie neugierig gemacht. Wir waren der große Hit. Für uns war das Turnier eine Gelegenheit, es mit dieser Generation nochmal in Angriff zu nehmen."

Amuneke erzielte im Auftaktspiel gegen Japan nach nur vier Minuten das erste Tor für Nigeria, das einen klaren 3:0-Sieg einfuhr. Im zweiten Spiel hätte nicht viel gefehlt und die Westafrikaner hätten auch Argentinien mit Hernan Crespo, Ariel Ortega und Gabriel Batistuta geschlagen. Doch Argentinien zog wegen der nur leicht besseren Tordifferenz ins Finale ein, während Nigeria das Spiel um Platz drei gegen Mexiko bestreiten musste. Hier stand es nach der Verlängerung 1:1 unentschieden. Im Elfmeterschießen verwandelten alle Schützen, bis der ansonsten zuverlässige Amuneke zum fünften Elfmeter für Nigeria antrat. "Irgendjemand muss verschießen", sagt er mit etwas belegter Stimme. "An diesem Tag war ich es."

*Golden Goal*** in Atlanta **Nach dieser Enttäuschung gab es noch eine weitere Gelegenheit für die hoch fliegenden Super Eagles der 1990er Jahre – und dieses Mal endete die Geschichte mit einer Goldmedaille. Die Olympischen Spiele von 1996 in Atlanta sind in die nigerianische Fussballgeschichte eingegangen.

Und auch hier stand Amuneke im Mittelpunkt des Geschehens. "Ich war mittlerweile eine Führungsfigur geworden", so der Flügelspieler, der sein Können heute als U-17-Nationaltrainer Nigerias weitergibt. "Wir fuhren nicht in Erwartung der Goldmedaille nach Atlanta, doch im Verlauf des Turniers wuchs unser Selbstvertrauen."

Die Mannschaft bestand aus lauter nigerianischen Legenden, deren Namen die Fans im Land im Schlaf herunterrasseln konnten. Auch heute noch hört man die Ehrfurcht und Begeisterung in Amunekes Stimme, wenn er über seine damaligen Teamkameraden spricht. "Wir hatten Kanu, Okocha, Amokachi, Ikpeba. Und wir hatten auch Taribo West und Uche Okechukwu. Es waren so viele große Namen, dass man sie kaum alle aufzählen kann!"

Die Nigerianer erzielten in sechs Spielen insgesamt zwölf Tore und begeisterten die Fans mit ihrer mitreißenden Spielweise. Und am Ende war es nur ausgleichende Gerechtigkeit, dass der letzte, entscheidende Treffer des Turniers, mit dem sich Nigeria in die Annalen des internationalen Fussballs eintrug, von keinem anderen als Amuneke erzielt wurde. In der 90. Minute des Endspiels gegen Argentinien stand es 2:2. Amuneke stieß ein weiteres Mal über den Flügel vor und konnte von Roberto Ayala nur mit einem Foul gestoppt werden. Wilson Oruma führte den Freistoß aus, den Amuneke per Volleyschuss versenken konnte, nachdem die Abseitsfalle der Argentinier nicht zugeschnappt hatte.

Das Tor war für Nigeria im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert und löste auf dem Rasen wie auch in der Heimat auf der anderen Seite der Welt unbeschreibliche Jubelszenen aus. Doch Amuneke, der in seiner Karriere insgesamt mehr Rückschläge als Erfolge erlebte, blickt auch auf dieses Ereignis mit gebührender Würde zurück. "Man muss seine Niederlagen und seine Siege gleichermaßen akzeptieren."