Mittwoch 12 Oktober 2016, 06:18

Ri: "Unser Ziel ist der Titel"

Die Zeiten der klassischen Nummer 10 mögen vorbei sein, doch der Mythos lebt weiter. Diese Rückennummer ist einfach zeitlos.

Michel, Ex-Mittelfeldspieler der spanischen Nationalmannschaft und Klublegende von Real Madrid, wusste genau, wovon er sprach, als er dies in einem Interview für das Magazin So Foot sagte. Schließlich spielte er in einer Ära, in der er es auf dem Rasen mit Zehnern wie Diego Maradona, Zico, Roberto Baggio oder Rui Costa zu tun bekam* *"Mit ihnen scheint der Weg zum Tor kürzer und die 90 Minuten vergehen schneller. Dafür ist der Unterhaltungswert größer, und zwar für alle."

Drei Jahre später finden die Worte von Michel, der inzwischen als Trainer tätig ist und bereits die sportliche Verantwortung des FC Sevilla und von Olympique Marseille trug, bei der FIFA U-17-Frauen-Weltmeisterschaft Jordanien 2016 von Anfang an ihre Bestätigung. Denn dort sorgt derzeit die Nordkoreanerin Ri Hae Yon mit der legendären Rückennummer 10 für Furore. In drei Begegnungen der Gruppe D, die mit einem spektakulären Unentschieden (3:3) gegen England und zwei Siegen über Brasilien (1:0) und Nigeria (3:0) endeten, stellte sie Qualitäten unter Beweis, die generell mit der 10 in Zusammenhang gebracht werden – also gute Spielübersicht, starke Technik und präzise Zuspiele. Ist sie damit die perfekte Mittelfeldspielerin?

Nicht ganz. Ri ist in Wirklichkeit eine Stürmerin, deren Stärken vor allem in ihrer Schnelligkeit, ihrem Torinstinkt und ihrem Kopfballspiel liegen und ihr bereits vier Treffer beschert haben. Damit rangiert sie in der aktuellen Liste der besten Torschützinnen des Turniers auf dem zweiten Platz. "Natürlich bin ich jedes Mal, wenn ich treffe, sehr glücklich darüber. Aber ich habe mir nicht das Ziel gesetzt, hier Torschützenkönigin zu werden", so Ri nach ihrem Dreierpack gegen Nigeria im Gespräch mit FIFA.com. "Doch wenn ich noch mehr Tore schießen kann und wir dadurch das Finale erreichen und den Titel gewinnen, dann wäre ich überglücklich", fügte die Angreiferin hinzu, wobei sie ihre Medaille als Live-Your-Goals-Spielerin der Partie gegen die Nigerianerinnen fest an sich drückt.

Ein einziges Ziel vor Augen Da der Appetit bekanntlich beim Essen kommt, könnte Ri ihre Trefferquote im Viertelfinale gegen Ghana also durchaus noch steigern. Doch ebenso wie die klassischen Träger der Rückennummer 10, die häufiger die entscheidenden Pässe spielen als selbst als Torjäger in Erscheinung zu treten, hätte sie überhaupt nichts dagegen, wenn im weiteren Turnierverlauf ihre Mitspielerinnen den Abschluss übernehmen würden. "Mir wäre es sehr viel lieber, das Turnier zu gewinnen, selbst wenn ich keinen einzigen Treffer mehr erziele, als noch vier oder fünf Tore zu schießen und am Ende den WM-Titel zu verpassen", meint die Spielerin vom SC 25. April.

Denn obgleich sie einräumt, ab sofort auch den Goldenen Schuh von adidas für die erfolgreichste Torschützin des Turniers im Auge zu haben – derzeit fehlt ihr nur ein Treffer, um auf die aktuell führende Spanierin Lorena Navarro (fünf Tore) aufzuschließen – hat sie nach wie vor das wichtigste Ziel, das sie seit der Qualifikation ihres Teams für Jordanien 2016 verfolgt, im Visier. "Wir sind sehr froh, dass wir hier das Viertelfinale erreicht haben. Dennoch haben wir von Beginn an nur ein einziges Ziel vor Augen. Wir wollen ins Finale und es auch gewinnen", so die Stürmerin, die ein bekennender Fan von Cristiano Ronaldo ist. "Selbstverständlich hatten wir uns zunächst erst einmal vorgenommen, uns für die K.o.-Runde zu qualifizieren. Nachdem dies nun geschafft ist, müssen wir die WM-Krone ins Visier nehmen."

Damit würden es die Asiatinnen ihren Vorgängerinnen gleichtun, die bei der ersten Auflage der FIFA U-17-Frauen-Weltmeisterschaft 2008 in Neuseeland triumphierten. Damals hatte Jon Myong Hwa bis zum Finale ebenfalls vier Treffer erzielt, die ihr am Ende den Bronzenen Schuh von adidas als drittbeste Torschützin (zusammen mit der U.S.-Amerikanerin Verloo und den beiden Japanerinnen Kira und Kishikawa) einbrachten. Im Finale selbst traf sie zwar nicht, konnte sich dafür aber über den Titelgewinn freuen. Und raten Sie mal, welche Nummer sie auf dem Rücken trug!

Das Schlusswort sei wieder Michel überlassen: "Die Rückennummer 10 hat in der Geschichte des Fussballs eine fundamentale Bedeutung. Viele Topstars, die diese Sportart zur beliebtesten der Welt machten, haben sie getragen. Zu ihnen zählen Zidane, Platini, Maradona, Pelé und viele mehr. Dass die Menschen den Fussball so lieben, ist in erster Linie ihr Verdienst."