Dienstag 08 Februar 2022, 08:00

Jorginho: Niemand kann bestreiten, dass ich gewonnen habe, was ich verdient hatte

  • Jorginho verhalf 2021 Chelsea und Italien zu europäischen Titeln

  • In Abu Dhabi will Europas Fussballer des Jahres einen weiteren Triumph feiern

  • Er spricht über seine Idole, seine Erfolge und den Halbfinalgegner Al Hilal

'Canelo' Alvarez, Tom Brady, Novak Djokovic, Emma McKeon, Elaine Thompson-Herah, Max Verstappen… ein Fussballer befindet sich neben den erfolgreichsten Sportlerinnen und Sportlern des Jahres 2021 in bester Gesellschaft.

Doch es ist nicht Lionel Messi. Auch nicht Cristiano Ronaldo. Und auch nicht Robert Lewandowski. Es ist ein Spieler, der fast aufgehört hätte, bevor er überhaupt einen Ball als Profi getreten hatte, und von dem vor etwas mehr als einem Jahr wohl niemand geahnt hätte, dass er zum erfolgreichsten Spieler der nächsten Monate werden würde.

Jorginho war entscheidend daran beteiligt, dass Chelsea im Mai in Porto die UEFA Champions League gewinnen konnte. Seine herausragenden Leistungen – der Mittelfeldspieler brach mehrere UEFA-EURO-Rekorde – verhalfen Italien im Juli im Wembley-Stadion zum ersten EM-Titel seit 52 Jahren. Im August wurde ihm in Belfast die Medaille des UEFA-Superpokalsiegers um den Hals gehängt.

Kurz darauf hörte er, dass er bei einer Zeremonie in Istanbul zu Europas Fussballer des Jahres gewählt worden war. Bei der Wahl des The Best - FIFA-Weltfussballers 2021 landete er auf Platz fünf und schaffte es in die FIFA FIFPro World XI.

Doch all das reicht Jorginho noch nicht. In Abu Dhabi will er auch noch die Trophäe der FIFA Klub-Weltmeisterschaft VAE 2021™ holen. Kurz davor nahm sich der 30-Jährige noch Zeit für ein ausführliches Gespräch mit der FIFA.

FIFA: Wer waren die Idole Ihrer Kindheit? Jorginho: Mein erstes Idol war Ronaldo 'Fenômeno' bei der FIFA Fussball-WM 1998™. Danach waren es Ronaldinho Gaucho und Kaká. Bis ich 13 Jahre alt war, spielte ich noch etwas offensiver. Mit 13 nahm ich an einem Projekt teil, bei dem man die jungen Spieler, die man für reif genug hielt und denen man eine Zukunft in Europa zutraute, dorthin schickte. Der italienische Trainer, der in Brasilien war,Mauro Bertachini sagte zu mir: "Deine beste Position ist etwas weiter hinten – dort hast du eine Zukunft." Von da an habe ich mit besonders großer Bewunderung Spielern wie Andrea Pirlo und Xavi zugesehen, die zu großen Inspirationen für mich wurden.

Sie sind als 15-Jähriger allein nach Italien gegangen, um eine Karriere als Fussballprofi zu machen. Wie schwierig war die Eingewöhnung dort? Das war alles andere als leicht, denn als ich in Italien ankam, lebte ich in einem Zimmer [in einem Haus] mit fünf anderen Jugendlichen. Es hat uns an nichts gefehlt. Die Leute dort haben sich wirklich um uns gekümmert – die Köchinnen, Lucia und Bruna, Gabriela, die Frau, die für das Saubermachen zuständig war. Sie kümmerten sich um unsere Sachen, wuschen unsere Wäsche und taten alles mögliche, um uns zu helfen. Aber wir hatten nicht viel Geld, um mal was Anderes zu machen. Wir lebten von 20 Euro pro Woche. Aber mit 20 Euro pro Woche kann man nicht gerade viel anfangen, wie Sie sich vorstellen können.

Haben Sie sich über den Triumph von Edouard Mendy bei der Afrikameisterschaft gefreut? Ich freue mich wirklich für Mendy und [Kalidou] Koulibaly, die gute Freunde sind. Es macht mich glücklich, dass sie über diesen Titelgewinn jubeln können. Ich freue mich wirklich sehr für sie.

Was bedeutet es Ihnen, hier bei der FIFA Klub-Weltmeisterschaft als Favorit zu sein? Das bedeutet mir persönlich sehr viel und ich bin mir sicher, dass es auch dem Verein sehr viel bedeutet, denn wir haben diesen Wettbewerb noch nie gewonnen, und jetzt ist der richtige Zeitpunkt, diese Trophäe nach Hause zu bringen. Aber wir sollten bescheiden bleiben, denn wenn man seine Gegner unterschätzt, kann man in Schwierigkeiten geraten. Man muss gut vorbereitet sein, gut trainieren, gut schlafen, gut essen, alles so professionell wie möglich angehen, um gut ins Spiel zu kommen und zu gewinnen. Wir wollen unbedingt gewinnen, denn das gefällt uns am besten. Wir mögen es nicht, Spiele zu verlieren, und wir wollen diesen Pokal nach Hause bringen.

Was halten Sie von Al Hilal? Wir müssen sehr auf der Hut sein, denn sie haben gute Spieler in ihren Reihen. Sie haben auch diese beiden Brasilianer, die großes Talent haben. Die beiden könnten uns Probleme bereiten, wenn wir sie nicht gut abschirmen. Wir müssen unser eigenes Spiel durchziehen und uns sehr in Acht nehmen. Wir müssen vorsichtig sein, wir müssen uns gut auf das Spiel vorbereiten, denn wenn man den Gegner unterschätzt, kann man eine böse Überraschung erleben. Wir wissen alle, dass es im heutigen Fussball keine leichten Spiele mehr gibt.

Roberto Carlos, Edmundo, Rivaldo, Cafu, Djalminha, Alex, Dudu... welchem Spieler von Palmeiras haben Sie in den vergangenen Jahren am liebsten zugesehen? Wow, so viele unglaubliche Spieler. Wirklich viele. Ich habe auch Marcos im Tor sehr gern gesehen. Ich liebe es einfach, schönen Fussball zu schauen. Ich kann keinen einzelnen Spieler herausheben, denn alle haben spektakulären Fussball gespielt. Sie waren alle große Stars. Ehrlich gesagt, wenn man darüber nachdenkt, hat Palmeiras wirklich unglaublich viele große Spieler gehabt.

Hätten Sie als Fan von São Paulo eine zusätzliche Motivation, Palmeiras zu schlagen? (lacht) So habe ich darüber noch gar nicht nachgedacht. (lacht) Aber man empfindet es am Ende doch so! Ich hoffe, wir werden am Mittwoch gewinnen. Im Moment denke ich nur an Al Hilal.

Bei der Wahl des The Best - FIFA-Weltfussballers landeten Sie auf Platz fünf. Hätten Sie nicht bei dem tollen Fussball, den Sie gespielt haben, und bei all den großen Trophäen, die Chelsea und Italien gewonnen haben, den Sieg verdient gehabt? Ich denke, was ich gewonnen habe, war verdient - das kann niemand bestreiten. Ich bin wirklich glücklich und zufrieden mit allem, was ich erreicht habe. Aber ich habe all das nicht allein erreicht. Ich weiß, dass all die Leute, die mir geholfen haben, die daran beteiligt waren, auch ihren Teil dazu beigetragen haben. Ich habe viele Auszeichnungen gewonnen, diese hier aber (noch) nicht. Aber ich habe mich sehr über den Platz in der FIFA FIFPro World XI gefreut.