Voss-Tecklenburg: "Die Qualifikation wäre ein Meilenstein"

Einmal an den Olympischen Spielen teilnehmen - davon träumen viele Athleten. Aber nur wenige von ihnen kommen in den Genuss, diese ganz besondere Atmosphäre erleben zu dürfen. Martina Voss-Tecklenburg gehört dazu. 1996 nahm sie als Spielerin mit der deutschen Nationalmannschaft bei der ersten Ausgabe des Olympischen Fussballturniers für Frauen teil und erinnert sich im exklusiven Interview mit FIFA.comgerne daran zurück, wie es war "mit zig anderen Sportlern im Flieger zu sitzen, sich mit den Hockeyspielern, den Schützen, Degenfechterinnen, Handballern zu unterhalten und auszutauschen."

20 Jahre später hat die heute 48-Jährige erneut die Chance auf eine Olympia-Teilnahme. Dieses Mal allerdings als Trainerin der Schweizer Nationalmannschaft. Der Weg dorthin hat es in sich, denn nur noch ein Startplatz ist für Europa zu vergeben und um den kämpfen bei einem Mini-Turnier (2.-9. März) in den Niederlanden neben dem Gastgeber und den Eidgenössinnen noch Schweden und Norwegen. "Wir wollen unsere bestmögliche Leistung abrufen und alles dafür geben, diese Chance, die wir noch bekommen haben, zu nutzen", beschreibt Voss-Tecklenburg ihre Erwartungen. "Wir freuen uns auf drei herausragende Spiele auf sehr hohem Niveau. Alle vier Teams haben die gleiche Chance, sich noch für die Olympischen Spiele qualifizieren zu können. Es wird sehr eng und extrem spannend."

Wenn man sich die Mannschaften auf dem Papier betrachtet, dann gehen die Skandinavierinnen mit ihrer großen WM- und Olympia-Erfahrung als Favoritinnen in den Wettbewerb. Ein Vorteil? "Wenn man die letzten Leistungen, besonders von den Niederlanden, aber auch von uns, verfolgt und sieht, welche Ergebnisse wir speziell in der EM-Qualifikation und die Niederlande in Testspielen erzielen konnten, werden uns weder Norwegen noch Schweden in irgendeiner Form unterschätzen. Ich halte die Niederlande im eigenen Land für sehr stark. Im ersten Spiel mit fast 15.000 Zuschauern im Rücken wird das auch für die Niederlande ein spannender Prozess. Sie haben eine Euphorie im Land entwickelt und deshalb glaube ich, dass jeder vor dem anderen einen Riesenrespekt hat", analysiert die Nationaltrainerin ihre Gegner und betont, wie wichtig diese Spiele für den Reifeprozess ihrer Mannschaft sind. "Es geht auch um etwas. Es ist kein Turnier wie der Algarve- oder Zypern-Cup, bei dem man auch gut spielen will, aber das Ergebnis eher sekundär ist. Jetzt geht es um die Qualifikation."

Von der WM-Erfahrung profitieren Dass die Schweizerinnen wissen, wie man sich für ein großes Turnier qualifiziert, haben sie mit ihrer erstmaligen Teilnahme an einer Frauen-WM im letzten Sommer eindrucksvoll bewiesen. Die Erfahrungen, die die Mannschaft dort sammeln konnte, wird ihr nun zugute kommen.

"Wir haben unser System ein wenig umgestellt und nach der WM sehr gut mit dem gesamten Team analysiert. Wir haben alle Spielerinnen in diesen Prozess mit einbezogen. Was nehmen wir aus dieser WM mit? Wo waren wir gut? Wo weniger? Und was brauchen wir, um uns weiterzuentwickeln? Ein Punkt war, dass wir flexibler in unserem Spielsystem sein wollen, unberechenbarer, konsequenter und hartnäckiger vor dem gegnerischen Tor. Das hat uns bei der WM gefehlt. Wir hatten dort den letzten Punch eben doch nicht, obwohl wir in der Qualifikation vorher extrem viele Tore geschossen haben", so die vierfache Europameisterin.

"Wir wollen versuchen eine größere Effizienz zu zeigen. Das ist leichter gesagt, als getan. Wir wissen auch, dass wir gegen sehr gute Gegner Fehler minimieren und im Passspiel von der Mittelfeldzone in die Angriffszone noch präziser werden müssen. Gegen Mannschaften wie Japan auf Augenhöhe zu sein, hat uns geholfen, an uns zu glauben, reifer zu werden und mit den richtigen Entscheidungen auf den Platz zu gehen. Es macht Spaß zu sehen, dass sich dieses Team dahin entwickelt und wir sind noch nicht am Ende des Reifeprozesses angekommen."

Etwas Historisches schaffen Und die gebürtige Duisburgerin wird diesen Reiseprozess der Eidgenössinnen auch in Zukunft weiter beeinflussen und begleiten. Am vergangenen Freitag verlängerte Voss-Tecklenburg ihren Vertrag um zwei Jahre bis zum Sommer 2018. Eine Qualifikation für Rio 2016 wäre eine weitere Bestätigung ihrer erfolgreichen Arbeit und würde bedeuten, etwas Historisches zu schaffen.

"Wenn wir uns wirklich qualifizieren würden, dann wäre das ein Meilenstein. Man muss immer wieder betonen, dass es bei den Olympischen Spielen wenige Sportarten gibt, die eine so harte Qualifikation haben wie der Frauenfussball. Man muss bei einer WM unter die besten drei Teams aus Europa kommen. Das ist schon schwer genug, und es nehmen nur zwölf teil. Neuseeland oder andere Nationen haben es da einfacher. Wenn wir das wirklich schaffen sollten, dann könnte das etwas Einmaliges sein."

Bis zum ersten Spiel in Den Haag gegen die Gastgeberinnen gilt es nun vom Verletzungspech verschont zu bleiben. "Wir sind davon abhängig, dass all unsere Spielerinnen in einer Top-Verfassung sind und sich niemand verletzt. Wir brauchen die Energie von der Bank. Die Dichte im Kader ist größer geworden. Deshalb klopfe ich jetzt mal auf Holz, dass unsere Führungsspielerinnen wie Lara Dickenmann, Martina Moser, Ramona Bachmann aber auch Ana Maria Crnogorčević gesund bleiben. Und das wir mit Caroline Abbé und Rahel Kiwic zwei Spielerinnen in der Innenverteidigung haben, die alle Spiele auf Top-Niveau durchspielen können. Das brauchen wir. Dann werden wir auch gute Leistungen bringen können und es wird für alle drei Gegner schwer, uns zu schlagen."