Dienstag 16 Februar 2016, 06:10

Von Europa nach Afrika und zurück

Wenn der Traum vom europäischen Spitzenfussball nicht in Erfüllung geht, entscheiden sich in letzter Zeit immer mehr junge afrikanische Fussballer und Spieler mit afrikanischen Wurzeln für ein Engagement in den professionellsten Ligen des eigenen Kontinents. Dort können sie dann Erfahrungen sammeln, bevor sie einen weiteren Anlauf in Europa machen.

Ghislain N’Guessan ist so ein Fall. Der Franko-Ivorer, der in Paris geboren wurde, durchlief die Nachwuchsabteilungen des FC Nantes sowie des italienischen Klubs Calcio Padova, bevor seine Karriere in der zweiten Mannschaft des FC Tours stagnierte. Der mittlerweile 23-jährige Stürmer erklärt im Gespräch mit FIFA.com, er sei der Herausforderung in jüngeren Jahren ohne das Versprechen von Erstliga-Fussball nicht gewachsen gewesen. "Zu Anfang bin ich nicht mit dem nötigen Ernst an die Sache herangegangen. Da ich ziemlich viele Tore erzielte, habe ich begonnen, mir im Trainingsplan Freiheiten herauszunehmen. Einige Klubs aus Italien und Frankreich waren an mir interessiert, aber sie wollten mich alle erst testen und ich sollte für die zweite Mannschaft spielen."

Dann erhielt N’Guessan ein Angebot von einem algerischen Erstligisten und beschloss, es anzunehmen. "Der RC Arbaa war der einzige Klub, der bereit war, mich direkt unter Vertrag zu nehmen. Ich habe das Angebot angenommen, weil ich es mir nicht leisten konnte, zu lange zu warten. Ich hatte bereits viel Zeit verloren und brauchte Spielpraxis."

Nach einer schwierigen ersten Saison zahlten sich die regelmäßigen Einsätze langsam aus, und in der zweiten Spielzeit erzielte er konstant Treffer. Der physisch starke Stürmer würde nun gern nach Europa zurückkehren. "Ich glaube, wenn ein Spieler es schafft, sich durchzusetzen, kann er überall Erfolg haben. Es ist eine hart umkämpfte Liga. Hier wird sehr körperbetont gespielt und der Druck, gute Leistungen zu bringen, ist enorm. Mein Ziel ist es natürlich, zurückzukehren und in Europa zu spielen, und ich hoffe auch auf eine Berufung in die Nationalmannschaft  ."

Zunehmender Trend N'Guessan ist im afrikanischen Spitzenfussball bei weitem nicht der einzige, der diesen Weg geht. Vielmehr scheint es einen Trend dorthin zu geben. Der algerische Journalist Maher Mezahi beobachtet den Talentestrom in die stärksten Ligen des Kontinents bereits seit einiger Zeit. "Wir haben einen Zustrom von Spielern mit afrikanischen Wurzeln zu verzeichnen. Da sie häufig über die doppelte Staatsbürgerschaft verfügen, benötigen sie keine Arbeitserlaubnis, und die Gehälter sind durchaus konkurrenzfähig."

Mezahi führt Amir Karaoui als Beispiel an. Karaoui wurde in Frankreich geboren und kristallisierte sich im Amateurfussball als Mittelfeldtalent heraus. Allerdings gelang ihm in seinem Geburtsland der Sprung nach ganz oben nicht und er wurde schließlich vom algerischen Klub MC El Eulma unter Vertrag genommen. Dort wusste er zu beeindrucken und sicherte sich im Anschluss Engagements bei den algerischen Spitzenklubs ES Setif und MC Algier. Außerdem wurde er mittlerweile in die algerische Nationalmannschaft berufen. Er erhielt vom SC Bastia ein Angebot, nach Frankreich zurückzukehren. Allerdings waren seine Vertragsbedingungen in Algerien besser, sodass er sich zunächst entschloss, in Nordafrika zu bleiben und auf ein besseres Angebot aus Europa zu warten.

Laut Mezahi sind finanziell gut ausgestattete Vereinsbosse oftmals willig, in Europa geborene Spieler nach Afrika zu locken. "Ein Klub wie Club Africain hat Tijani Belaid, Yassin Mikari, Stephane Nater und Yoann Touzghar unter Vertrag genommen, die zuvor alle in Europa gespielt haben, wo sie auch geboren wurden. Einige sind des Geldes wegen gegangen, andere suchen das berufliche Abenteuer und wieder andere möchten sich durch den Wechsel Spielpraxis auf höchstem Niveau sichern, um sich in CAF-Wettbewerben einen Namen zu machen und dann eine Chance in Europa und bei der Nationalmannschaft ihres Landes zu bekommen."

Nicht nur Nordafrika Obwohl der Klubfussball in Nordafrika traditionell auf einem höheren Stand ist als auf dem Rest des Kontinents, hat sich dieser Trend in ganz Afrika fortgesetzt. Dean Furman, Mannschaftskapitän der Bafana Bafana, ging schon in jungen Jahren nach England, wo er zunächst die Nachwuchsabteilung des FC Chelsea durchlief. Später wechselte er dann nach Schottland zu den Glasgow Rangers. Es folgte noch eine Reihe weiterer Klubs, und der Mittelfeldspieler machte sich einen Namen bei Oldham Athletic und den Doncaster Rovers. Letztes Jahr erhielt er dann jedoch ein lukratives Angebot vom südafrikanischen Klub SuperSport United. Er entschied sich für eine Rückkehr in sein Heimatland und hofft darauf, sich mit regelmäßigen Einsätzen den Platz in der Nationalmannschaft zu erhalten und später vielleicht auf höherer Ebene in den europäischen Fussball zurückzukehren.

Genau wie Furman hat auch der angolanische Nationalspieler Fredy bereits einen längeren Aufenthalt im europäischen Fussball hinter sich. Der Stürmer spielte in der Jugend für den portugiesischen Klub Belenenses und schaffte dort den Sprung in die erste Mannschaft. Er kam regelmäßig in der ersten und zweiten Liga zum Einsatz. Als er dann letztes Jahr nicht mehr so viel Spielpraxis bekam, wie er es gern gehabt hätte, nahm er ein Angebot des angolanischen Klubs C.R.D. Libolo an und kehrte in sein Geburtsland zurück. Dort spielt der 25-Jährige noch heute.

Der simbabwische Nationalspieler Knowledge Musona ist ein perfektes Beispiel dafür, dass eine Rückkehr nach Afrika nicht unbedingt das Karriereende in Europa einläuten muss. Der Stürmer hatte mit Schwierigkeiten zu kämpfen, nachdem er 2011 von den Kaizer Chiefs in Südafrika zum Bundesliga-Klub TSG 1899 Hoffenheim gewechselt war. Bei einer Ausleihe an den FC Augsburg erging es ihm auch nicht besser, und so kehrte Musona auf Leihbasis zu den Chiefs zurück. In der vertrauten Umgebung fand der Angreifer nicht nur sein Selbstvertrauen wieder, sondern auch seinen Torriecher, nachdem er in Deutschland in 30 Spielen keinen einzigen Treffer erzielt hatte. Bei den Chiefs trug er sich wieder regelmäßig in die Torschützenliste ein. Mittlerweile ist er nach Europa zurückgekehrt, und zwar in die belgische Jupiler League zu KV Ostende. Dort hat er mit zehn Treffern in 26 Spielen nur einen Treffer weniger auf dem Konto als der derzeitige Top-Torjäger der Liga.