Donnerstag 05 März 2020, 07:00

Literarische Dribblings und kultureller Austausch

  • Bei der Autonama steht der kulturelle Austausch im Mittelpunkt

  • Von "Chancentod" bis Fast-Profi ist alles dabei

  • "Auf dem Platz ist es eine willkommene Abwechslung einfach mal zu schreien und alles raus zu lassen"

Fussball und Literatur...

Auf den ersten Blick scheinen beide nicht viel gemeinsam zu haben. Doch wenn man genau hinschaut, erkennt man die unverwechselbare Ähnlichkeit. "Die ganze Dramatik, die man in einem Spiel sieht, ist teilweise vergleichbar damit, wie literarische Werke aufgebaut sind. Letzte Woche wurde immer wieder über Bayern gegen Chelsea gesprochen als Erinnerung an das Finale Dahoam. Das kann man auch eins zu eins in einem Buch oder Film zeigen, was Höhepunkte, Showdown und Spannung angeht", erklärt Philipp Reinartz von der Deutschen Autorennationalmannschaft (Autonama) im Interview mit FIFA.com.

2005 wurde die Autonama vom deutschen Schriftsteller und Drehbuchautoren Thomas Brussig gegründet. Seitdem konnten die kickenden Autoren unter anderem 2010 den Ruhrlitcup, die vierte Europameisterschaft der Autorennationalmannschaften gewinnen, und veröffentlichten 2008 eine Ansammlung von Texten unter dem Namen Titelkampf.

Reinartz selbst ist erst seit 2014 Teil des Teams und kann nur wenig über die Anfänge berichten. Höhepunkte? Ganz klar die offiziellen Länderspiele, bei denen ein ehemaliger Profitrainer dem Ensemble zur Seite stand. "Wie zum Beispiel bei der letzten Buchmesse mit Otto Rehhagel", so der gebürtige Freiburger. "Das war - für mich zumindest - das absolute Highlight bisher. Diese Spiele werden häufig im Rahmen der Buchmesse von der Kulturstiftung des DFB unterstützt, und wir gehen dann tatsächlich mit Einlaufkindern an der Hand ins Stadion. Das ist für uns als Amateure ein großartiger Moment, wenn irgendwelche Kinder kommen und von uns Autogramme wollen, weil sie denken, dass wir wichtige Spieler sind", ergänzt er mit einem Schmunzeln.

Doch es ist nicht der Fussball der im Mittelpunkt steht, sondern der kulturelle Austausch. "Wir machen diese Spiele nicht nur als reine Fussballspiele, sondern in Kombination mit gemeinsamen Lesungen im Goethe Institut oder einer deutschen Botschaft. Man hat mit den anderen insofern zu tun, dass ein paar Spieler aus den Mannschaften Texte von sich vorlesen und man darüber spricht. Oft gibt es auch bestimmte Themen, wie zum Beispiel ein Gedenktag und man sucht zu diesem Thema Texte heraus."

"Abseits von diesen offiziellen Programmpunkten sind wir viel mit den anderen Mannschaften zusammen. Beim Abendessen unterhält man sich dann natürlich auch darüber, was der andere so macht oder worüber er schreibt. Da kommt der kulturelle Austausch nicht zu kurz. Von den Autorennationalmannschaften soll ja auch eine völkerverständigende Wirkung ausgehen. Der Fussball ist dann, neben dem gesellschaftlichen Austausch, nur eine von zwei Komponenten", beschreibt Reinartz, der unter anderem das Buch Fremdland verfasst hat, die Idee hinter der Gründung der Autonama.

Das Training findet einmal die Woche statt und ist eine willkommene Abwechslung zu der doch manchmal recht einsamen Tätigkeit des Schreibens. Statt mit Worten zu jonglieren, lassen die Spieler den Ball über das Feld gleiten und nutzen diese Auszeit für neue Inspirationen.

"Bei uns gehören auch die Gespräche nach dem Training dazu, man sitzt zusammen und tauscht sich aus: Wie weit bist Du mit Deinem Roman? Teilweise treffen sich auch einige in kleineren Gruppen und besprechen ihre Manuskripte. Aber auch auf dem Platz ist es eine willkommene Abwechslung einfach mal zu schreien und alles raus zu lassen."

Reinartz weiß aber auch, dass es nicht immer einfach ist aus den verschiedenen Charakteren eine Einheit zu bilden: "Teilweise ist es eine Herausforderung für uns als Mannschaft, dass wir viele Einzelkämpfer in einem Team haben und diese auch erst einmal zusammenbringen müssen. Man muss schauen, dass Autoren ihr Ego hintenanstellen können und als Team funktionieren."

Ein Team, dass bisher nur aus Männern besteht. Eine Nationalmannschaft der Autorinnen? Gibt es derzeit noch nicht. Aber wer weiß, vielleicht finden sich ja im Jahr 2020 ein paar Schriftstellerinnen zusammen und schreiben ihre ganz eigene Geschichte.

Es gibt zwei Aufnahmekriterien. Man muss zwei belletristische Werke veröffentlich haben, und es muss fussballerisch halbwegs passen. Es gibt dann so eine Art Probetraining. Das heißt, man kommt zwei, drei Mal zum wöchentlichen Training und wenn man d...
Philipp Reinartz

Images courtesy of Autonama / Portrait von Philipp Reinartz Copyright ® Janina Wagner