Donnerstag 16 August 2018, 09:35

Fünf Dinge, die Sie über Stanislav Cherchesov noch nicht wussten

  • Russlands Cheftrainer Stanislav Cherchesov ist als The Best – FIFA-Welttrainer 2018 nominiert

  • Bei der FIFA Fussball-WM 2018 führte er sein Team bis ins Viertelfinale

  • FIFA.com hat fünf besonders interessante Gesichtspunkte seiner bisherigen Karriere zusammengestellt

Alagir und Spartak

Cherchesov wurde 1963 in der Kleinstadt Alagir im Kaukasus geboren. Er ist der berühmteste Sohn der Stadt, die damals kaum 15.000 Einwohner zählte. Der Trainer hat seine Heimat indes nie vergessen und erwähnte sie auch während der FIFA Fussball-WM mehrfach in Interviews und auf Pressekonferenzen.

Nachdem er als Kind bei Spartak Alagir trainiert hatte, schloss er sich dem Klub Spartak Ordzhonikidze (heute Spartak Vladikavkaz) an, bevor er den Sprung zu Spartak Moskau schaffte. Dort stand er insgesamt fünf Mal unter Vertrag und entwickelte sich von einem vielversprechenden jungen Torhüter zum würdigen Nachfolger des legendären Rinat Dasaev. Cherchesov war später auch Sportdirektor und Cheftrainer des Moskauer Klubs und gehört damit zu dessen Legenden.

Mit Cherchesov im Tor feierte Russland bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 1994™ in den USA einen 6:1-Kantersieg gegen Kamerun. Insofern passte es perfekt, dass Cherchesov als Trainer auf der Bank saß, als Russland 24 Jahre später erneut ein WM-Spiel mit fünf Toren Vorsprung gewann.

Stanislav und Jogi

Joachim Löw, Weltmeistertrainer von 2014, lernte Cherchesov während Löws Zeit als Trainer des österreichischen Klubs Tirol Innsbruck von 2001 bis 2002 kennen. Damals neigte sich die Karriere des knapp 40-jährigen Torhüters bereits dem Ende zu, doch er nutzte die Gelegenheit, so viel wie möglich von dem Deutschen zu lernen.

"Cherchesov war einer der interessantesten Spieler, mit denen ich je gearbeitet habe. Er war ambitioniert und beeinflusste seine Teamkameraden auf positive Weise. Ich habe nur sehr wenige Profis wie ihn kennen gelernt", so Löw während des FIFA Konföderationen-Pokals 2017.

Der russische Stratege war angesichts der erfolglosen Teilnahme der DFB-Auswahl im Sommer in Russland sehr enttäuscht und sagte: "Ich persönlich fand es schade, dass Deutschland bei der WM so früh ausgeschieden ist. Löw ist ein guter Freund von mir und er war mein Trainer. Wir haben uns nach jedem Spiel [der WM 2018] Textnachrichten geschickt."

Am 15. November treffen die alten Freunde erneut aufeinander, wenn Russland in Leipzig zu einem Freundschaftsspiel gegen Deutschland antritt.

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Titelgewinne in Polen

Cherchesov kann auf Erfolge mit jedem Klub verweisen, den er trainierte, auch wenn es nicht immer für Titel und Trophäen reichte. 2007 fehlte ihm mit Spartak nur ein einziger Sieg zum russischen Meistertitel. So mussten sich seine Schützlinge mit der Vizemeisterschaft zufrieden geben. Unter Cherchesov spielten sowohl Terek Grozny (heute Akhmat Grozny) als auch Amkar Perm trotz recht bescheidener Kader enorm stark auf. Mit Dynamo Moskau holte der Trainer 2014 sechs Siege in sechs Gruppenspielen in der UEFA Europa League. 2016 konnte er dann endlich seine ersten Titel feiern, als er Legia Warschau in Polen zum Double aus Meisterschaft und Pokalsieg führte.

Die Legia-Fans liebten ihn und zu seinen Pressekonferenzen erschienen die polnischen Journalisten in Scharen. Es dauerte zwar eine gewisse Zeit, bis dieser "seltsame russische Trainer" die Herzen der Einheimischen gewonnen hatte, doch schon bald sogen sie seine unkonventionelle Rhetorik und seine Witze begierig auf. Als man ihn beispielsweise fragte, warum er sich für einen Wechsel aus Russland nach Polen entschieden habe, antwortet er: "Mein Bär wollte unbedingt den Warschauer Zoo besuchen und ich konnte ihm das einfach nicht abschlagen."

Edelfan aus Peru

Cherchesov vergisst nie die Fans, für die seine Teams spielen. Das zeigte sich auch im Achtelfinale der WM, als sich Russland im Elfmeterschießen sensationell gegen Spanien durchsetzte. Während der Pressekonferenz stand Cherchesov plötzlich von seinem Stuhl auf und kam zu dem in Moskau lebenden peruanischen Journalisten und Lehrer Lorenzo de Chosica, den er kurz vor dem Turnier kennen gelernt hatte.

"Lorenzo! Dies ist dein Sieg, nicht meiner. Lorenzo ist die Nummer 1, gleich hinter [Igor] Akinfeev", so der Coach, bevor er ihm ein russisches Torwarttrikot mit Lorenzos Namen darauf überreichte. Dies war seine Art, sich bei dem Mann zu bedanken, der ihm vor der WM zur Seite gestanden hatte, als die russischen Fans und Medien über die beispiellose Misserfolgsserie der Russen mit sieben Spielen ohne Sieg und zahlreichen schwachen Leistungen schimpften. Später schenkte Cherchesov dem Peruaner auch noch eine Eintrittskarte für das Viertelfinale zwischen Russland und Kroatien.

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Dokumentarfilm

"Ich habe meinen eigenen Weg nach oben gewählt" lautet der vielsagende Titel des 1990 in Cherchesovs Heimatregion Nordossetien aufgenommenen Dokumentarfilms. Der Film erzählt die Geschichte eines ganz normalen Jungen aus Alagir, der später Meister der UdSSR und Torhüter des Jahres wurde. Der Film enthält Aufnahmen von seiner Hochzeit und von seiner Rückkehr in die Heimat als Star, aber auch davon, wie er mit seiner Familie ganz normale Hausarbeit verrichtet. "Am Anfang mochten wir Fussball nicht besonders, doch heute bedeut er uns alles", sagte sein Vater damals den Machern des Films. "Als kleiner Junge rannte er immer mit seinem Ball herum, er benahm sich schlecht, ließ immer wieder Dinge zu Bruch gehen und zerschoss Fenster... Aber heute ist er ein guter Junge."

Betrachtet man heute die Bilder des damals 27-Jährigen, so kann man bereits den künftigen Trainer in ihm erahnen, wenn er gemessen und offen spricht und dabei genau auf seine Wortwahl achtet. "Jedes einzelne Spiel ist etwas Neues. Nur beim Schach kann man alle Eröffnungen in einem Buch finden. Im Fussball kann man längst nicht alles vorhersehen", sagte er damals. Und man fragt sich unwillkürlich, ob er selbst wohl den unglaublichen Weg vorhersehen konnte, den er dank des Fussballs gehen würde…