Sonntag 03 Oktober 2021, 16:00

Die Technische Studiengruppe der FIFA (TSG) befasst sich mit den beiden Finalisten

  • Graeme Dell und Miguel Rodrigo analysieren minutiös Argentinien und Portugal

  • Sie sprechen von den besonderen Tugenden beider Teams und den Schlüssel zum Erfolg im Endspiel

  • Sie nennen einige Spieler, die den Ausschlag geben könnten

Argentinien und Portugal bestreiten am heutigen Sonntag das Finale der FIFA Futsal-Weltmeisterschaft Litauen 2021™. Das Team aus Südamerika versucht dabei, den vor fünf Jahren gewonnenen Titel zu verteidigen und bekommt es mit einem Gegner zu tun, der als amtierender Europameister in seinem ersten WM-Finale der vierte Titelträger in der Geschichte des Futsal werden will.

Beide haben bislang beeindruckende Mannschaftsleistungen gezeigt und verfügen über Trainer, die in der Lage sind, die Dynamik von Partien zu ändern und die richtigen Knöpfe zu drücken. Damit haben sie das große Finale in der Kaunas-Arena erreicht.

Zur Analyse des Wegs beider Auswahlmannschaften bis ins Finale und ihrer technischen und taktischen Entwicklung im Verlauf des Turniers sprach FIFA.com mit den beiden Mitgliedern der Technischen Studiengruppe der FIFA in Litauen, Graeme Dell und Miguel Rodrigo.

Ein spieltaktisch starkes Argentinien

Nach den besonderen Qualitäten Argentiniens in der entscheidenden Phase des Turniers befragt, verweist Graeme auf die spieltaktischen Besonderheiten des Teams: "Sie verstehen sich hervorragend auf ein frühes Pressing, was bislang den Unterschied ausgemacht hat. Darüber hinaus harmonieren ihre Spielweise und die strategische Ausrichtung in Perfektion. Alle Spieler sind technisch überaus beschlagen. Sie sind auch ohne Ball bissig und bearbeiten den Gegner unermüdlich, was gegen Brasilien im Halbfinale spielentscheidend war."

"Ohne den Ball versucht Argentinien, diesen rasch und mit geschlossenem Pressing zu erobern, indem man die Manndeckung verdoppelt und sogar verdreifacht", hebt er hervor. In Bezug auf die Taktik merkt er noch an: "Sie fühlen sich stark im Eins gegen Eins und beim direkten und schnellen Umschalten. Die Vielseitigkeit von Borruto ist da äußerst nützlich und natürlich die große Fähigkeit zum entscheidenden Pass von Vaporaki, Cuzzolino oder Brandi, die gemeinsam immer wieder das Offensivspiel ankurbeln."

Miguel seinerseits verweist auch auf die technischen und taktischen Fertigkeiten Argentiniens als Team: "In der Defensive gibt jeder im Eins gegen Eins absolut Alles. Dabei stehen beim Pressing auf dem Platz immer alle Spieler auf der absolut richtigen Position, um auf Angriff umzuschalten. Sie sind mental bereit, auf allen drei Linien des Platzes bissig zu verteidigen. In der Offensive ziehen sie dann ein direktes und effizientes Passspiel auf, das sich aufgrund des hohen technischen Niveaus als äußerst effizient im Torabschluss erweist."

Portugal mit Varianten

Was Portugal angeht, spricht Graeme von einem Team, das vom taktischen Standpunkt aus mehr ist als die Summe seiner Individualisten: "Ihr Schlüssel zum Erfolg ist die flüssige Spielweise. Sie sind flexibel und - was besonders wichtig ist - wissen genau, wie sie spielen müssen, wenn der Gegner Druck macht. Sie sind in der Lage, sich unterschiedlichen Spielsystemen anzupassen und können blitzschnell auch mitten im Spiel vom 1-3 auf 3-1, 2-2 und 4-0 umschalten."

Er fügt hinzu: "Sie verfügen über außerordentliche Fertigkeiten, bevorzugen das hohe Pressing, um dem Gegner das Leben schwer zu machen, und sind nach Anpfiff immer sofort da. Sie haben es nach harten Spielen wie gegen Spanien und Kasachstan hervorragend verstanden, sich physisch und mental wieder zu erholen. Das Selbstbewusstsein und das Vertrauen, das Jorge Braz ihnen vermittelt hat, sind ganz offensichtlich. Der Trainer als Führungspersönlichkeit, die respektiert wird, ist unerlässlich, wenn ein Team erfolgreich sein will."

Miguel seinerseits verweist auf Portugals Fähigkeit, auch kritische Situationen erfolgreich zu überstehen: "Sie verfügen über Ordnung, Organisation auf dem Platz und auch große Gelassenheit, nachdem sie zwei Verlängerungen und auch ein Sechsmeterschießen erfolgreich überstanden haben. Sie wissen nun, was es heißt, am Abgrund zu stehen. Derartige Situationen zu kennen, ist mental ein großer Vorteil. Im Angriff ist es ein Team, das rasch auf 4-0 umschaltet, wobei die Spielweise von Zicky und Erik auch ein 3-1 mit einem Pivot ermöglicht."

Was ruhende Bälle angeht, hat Graeme eine klare Meinung: "Für Portugal waren sie von entscheidender Bedeutung. Sie haben sie meisterhaft und in vielen Varianten ausgeführt, was aber auch für Argentinien gilt. Beide zeigen überraschende und gut einstudierte Spielzüge, können sich aber auch gut gegen diese verteidigen." Miguel merkt an: "Es sind zwei spieltaktisch sehr intelligente Mannschaften, die auch versuchen werden, ruhende Bälle zu nutzen, um ihre Tore zu erzielen."

Große Namen

Was die zu erwähnenden Namen angeht, so sollte man zunächst den Blick auf die Bank werfen, auf der zwei unterschiedliche Trainer sitzen: ein Routinier wie Jorge Braz und ein junger Trainer wie Matías Lucuix. "Von entscheidender Bedeutung ist, dass beide genau wissen, wie sie ihre Spielweise durchsetzen. Trotz des großen Altersunterschiedes sind es beides Trainer, die auf Sieg gehen. Es dürfte eine hervorragende Möglichkeit für Trainer auf aller Welt sein, sich anzusehen, wie man ein Team taktisch und auch emotional in so einem Spiel betreut", meint Miguel.

Graeme fügt hinzu: "Matías Lucuix hat seinen Willen zum Sieg mit sorgfältig ausgearbeiteten Spielweisen gezeigt, während das besonders flüssige Spiel das Markenzeichen von Jorge Braz ist. Im Finale wird es sehr interessant sein, wie sich ihr technisches und taktisches Duell entwickelt und wie sie ihre Strategien je nach Spielverlauf ändern."

Was die einzelnen Spieler angeht, so verweist Miguel besonders auf "zwei der erfolgreichsten Pivots bei dieser WM, den erfahrenen Brandi und den jungen Zicky." "Es dürfte einer der Schlüssel für den Ausgang der Partie sein: die Bälle in die Spitze und wie zwei der besten Verteidiger der Welt, André Coelho und Maxi Rescia, sich dann schlagen, um diese Angreifer zu neutralisieren. Entscheidend sind auch die besonderen Fertigkeiten von Borruto und Pany im Eins gegen Eins." Graeme merkt an: "Für mich ist Alan Brandi der einflussreichste Spieler. Er ist groß, stark, hellwach und äußerst effizient im Passspiel, aber auch in der Rückwärtsbewegung. Er ist ein herausragender Arbeiter in seinem Team."

Was die Torhüter angeht, so wurde Nico Sarmiento bereits bei der WM 2016 zum besten Keeper gewählt, während Bebé im Halbfinale gegen Kasachstan eine überragende Leistung zeigte: "Sarmiento hat im gesamten Turnier sehr konstante Leistungen gezeigt, aber auch Bebé ist fast auf Augenhöhe mit ihm. Sie haben beide entscheidend dazu beigetragen, dass ihre Teams das Finale erreicht haben", erklären beide.

Auch auf einen Spieler wie Ricardinho wird verwiesen: "Seine Rolle hat sich geändert. Er ist jetzt mehr ein Kreativspieler. Fast alle Angriffe Portugals gehen von ihm aus. Er spielt die meisten Pässe und bereitet die meisten Tore vor und ist damit von entscheidender Bedeutung für sein Team", meint Graeme, und Miguel fügt hinzu: "Mit ihm auf dem Platz ist Portugal am gefährlichsten. Er spielt die meisten Vorlagen und Pässe und seine Leistung in seiner letzten WM-Partie könnte den Ausschlag geben."