Samstag 24 September 2016, 09:34

Chilavert und die Kleinigkeiten

"Ich würde Iran gegen Brasilien nicht abschreiben. Das meine ich ganz ernst."

Diesen Worten von Carlos Chilavert, der mit Paraguay gerade den Einzug ins Viertelfinale der FIFA Futsal-Weltmeisterschaft Kolumbien 2016 perfekt gemacht hatte, maß zunächst niemand große Bedeutung bei. Die Albirroja hatte soeben den Gastgeber ausgeschaltet, und Chila richtete seine Aufmerksamkeit bei der Analyse der möglichen Gegner auf die asiatische Auswahl. Einen Tag später gelang Iran eine der größten Überraschungen der Turniergeschichte.

"Wir wussten, dass Iran eine gute Mannschaft hat, die mir persönlich besonders gut gefällt", so der paraguayische Trainer im Gespräch mit FIFA.com. "Ich würde sogar sagen, dass mich die Ergebnisse des Teams in der ersten Runde überrascht haben. Ich hatte mehr von Iran erwartet. Daher bin ich von dem Ergebnis gegen Brasilien nicht besonders überrascht."

Wir fragen, wo seiner Meinung nach die Stärken Irans liegen. "Sie sind sehr geordnet, spielen gern mit dem Ball und kennen keine Angst. Aber sie haben dasselbe Problem wie wir, nämlich im Abschluss. Das habe ich gegen Spanien gesehen: Sie haben viele Chancen herausgespielt und nur wenige genutzt."

Er erinnert sich noch gut an die letzte Begegnung der beiden Teams. "Das war im Halbfinale des Grand Prix in Uberaba, und wir haben 0:2 verloren. Allerdings bin ich mit einer jungen Mannschaft zu diesem Turnier gefahren. Dieses Mal stelle ich mir einen anderen Spielverlauf vor", so der 40-jährige Trainer.

Schlüssel zum Erfolg Zu dieser Ansicht gibt es allen Grund. Selbst bei der Auftaktniederlage gegen Italien wurde deutlich, über welche Qualitäten das paraguayische Team verfügt. Eine geordnete Defensive, ein sicheres Pass-Spiel und eine Torgefährlichkeit, die kurioserweise gegen Kolumbien nicht mehr zu sehen war.

"Wir waren geduldig und haben viele Chancen herausgespielt. Aber der Ball wollte einfach nicht ins Tor", so Chila. "Nur in der ersten Halbzeit haben wir uns einige unnötige Ballverluste geleistet und dem Gegner so Konterchancen ermöglicht, die uns fast teuer zu stehen gekommen wären. Es wäre ungerecht gewesen, wenn wir ausgeschieden wären. Das war eines der besten Spiele meiner Mannschaft."

Das Team scheint eindeutig die Handschrift dieses ehemaligen Stars des italienischen Futsal zu tragen. "Ich weiß nicht, ob das meine Handschrift ist, aber die Mannschaft ist auf jeden Fall beständig geworden. Vorher haben wir gut gespielt, aber dann Spiele wegen Kleinigkeiten verloren. Ich würde sagen, das war eher eine mentale als eine spielerische Angelegenheit."

Ein wichtiger Aspekt dürfte die Konzentration sein. "Einige meiner ehemaligen Teamkameraden können noch immer nicht so recht glauben, dass ich die Dinge von außen besser beurteilen kann", meint er lachend. "Aber ich bestehe darauf, dass wir zwar ein gewisses Risiko eingehen müssen, aber nichts verschenken dürfen. Und sie müssen lernen, das Spiel selbst zu lesen."

Summe von Details Während des Gesprächs taucht Juan Salas auf, der Pivot, der gegen Kolumbien einige unglaubliche Torchancen vergab. "Wenn wir ausgeschieden wären, hätte ich dich im Omnibus nach Paraguay zurückgeschickt!", ruft Chilavert lachend. "Ich habe das nur gemacht, weil ich dich so gern leiden sehe!", antwortet Salas, ein ehemaliger Teamkamerad des jetzigen Trainers.

Die Harmonie in der Mannschaft ist ein weiterer Stützpfeiler dieses paraguayischen Teams. Beispielsweise hat Chilavert nicht eine Sekunde lang gezögert, im Sechsmeterschießen den Torwart auszuwechseln. Das Resultat ist bekannt: Carlos Espínola parierte zwei und die Albirroja stand im Viertelfinale.

"Carlos und Gabriel kennen sich schon eine ganze Weile. Im Finale des Qualifikationsturniers 2012 war es sogar umgekehrt. Espínola war Stammtorhüter und Giménez kam für das Sechsmeterschießen gegen Argentinien ins Spiel. Warum wir diesen Wechsel vornehmen? Der Torwarttrainer spricht mit ihnen. Das hat etwas mit dem Training und dem Selbstvertrauen zu tun, das sie jeweils haben."

Ein Selbstvertrauen, das die ganze Mannschaft erfasst zu haben scheint und das auch außerhalb des Geschehens auf dem Spielfeld Blüten trägt. Ein Beispiel dafür ist der Anzug, den Chilavert nun anstelle des Trainingsanzugs trägt, mit dem er bei der Auftaktniederlage gegen Italien am Spielfeldrand stand. "Steht mir gut, oder?", fragt der Trainer lachend. "Ich bin abergläubisch, und es hat funktioniert. Ich fühle mich etwas merkwürdig, aber der Anzug bringt mir Glück. Also bleibt es dabei."