Mittwoch 03 August 2016, 15:23

Andrade: Zwischen Wiedersehen und Revanche

Auf dem Platz ist Lady Andrade eine ernste, nicht zu fassende und hartnäckige Akteurin. Im Interview mit FIFA.com wenige Stunden vor der Auftaktpartie Kolumbiens beim Olympischen Fussballturnier der Frauen Rio 2016 scheint eine ganz andere Person vor einem zu stehen: entspannt, lächelnd und ruhig.  "Mir geht es gut", erklärt die 24-jährige Stürmerin mit sanfter Stimme. "Ich habe ein gutes Gefühl vor der ersten Partie. Wir können es kaum erwarten, dass es morgen losgeht, und sind bereit, zu gewinnen." Der Gegner, der am 3. August in Belo Horizonte wartet, ist indes niemand Geringeres als Frankreich. Ein Team, das in der FIFA Frauen-Weltrangliste 21 Plätze über den Südamerikanerinnen rangiert.

Aber die Zuversicht der Cafeteras rührt gerade daher, dass es sich um Les Bleues handelt. Und das hat seinen Grund. Vor fast einem Jahr gelang Kolumbien in der Gruppenphase der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Kanada 2015 in Moncton ein viel beachteter Erfolg gegen die Französinnen, der zugleich der erste WM-Sieg in der Geschichte des Landes war. "Ich habe natürlich sehr schöne Erinnerungen an jene Partie", berichtet Lady Andrade, die in der 16. Minute die Führung erzielte, bevor Catalina Usme in der Schlussphase auf 2:0 erhöhte. "Uns ist ein sehr intelligentes Spiel gelungen. Sie waren sehr aktiv, aber wir haben das Spiel kontrolliert und das getan, was wir tun mussten, um zu gewinnen."

Dieser Erfolg sorgte in der Fussballszene Kolumbiens für viel Furore. Ein ganzes Land verliebte sich in seine jungen Spielerinnen, denen mit dem Einzug in die zweite Runde ein weiteres historisches Ergebnis gelang. "Seitdem haben wir den Respekt, den wir meiner Meinung nach verdienen. Wir sind wahre Kämpferinnen, und das ist den kolumbianischen Fans zweifellos bewusst geworden. Früher haben die Fussballanhänger nur den Männerfussball verfolgt, aber ich bin davon überzeugt, dass sie uns nun mit anderen Augen sehen", sagt Andrade. "Es liegt mir fern zu denken, dass ich ein Star bin, aber ich werde von manchen sogar auf der Straße erkannt", ergänzt sie. "Ich werde zwar nur von den ganz Fussballbegeisterten erkannt, aber immerhin", scherzt sie.

So sieht man sich wieder Lady Andrade kann dennoch mit Fug und Recht als Star bezeichnet werden. Die brillante Stürmerin ist trotz ihrer erst 24 Jahre mit 45 Länderspielen und neun Toren eine der erfahrensten Akteurinnen, auf die Felipe Taborda in seinem Kader zählen kann. Sie gehört außerdem zu den vier Spielerinnen im kolumbianischen Aufgebot, die in der vergangenen Saison in der U.S.-amerikanischen Profiliga aktiv waren, und schnürte ihre Fussballschuhe für Western New York Flash. "Die Erfahrung in der NWSL war bereichernd, aber auch schwierig. Es war ein bisschen hart, fern von meinen Freunden und Verwandten zu sein. Und dann kamen zwei verschiedene Trainer. Der erste war ein Anhänger des jogo bonito, was mir entgegenkam. Der zweite legte größeren Wert auf den körperlichen Aspekt. Ich finde es schade, dass ich mich dem zweiten nicht von meiner besten Seite zeigen konnte", bedauert sie, nachdem sie im Trikot der Flashs acht Partien (ein Tor) bestritt.

Doch die komplizierte Saison mindert ihren Ehrgeiz nicht. Sie strebt ein erfolgreiches Olympisches Fussballturnier an, in dem es für sie in Gruppe G zu einem Wiedersehen mit den USA kommen wird. Der amtierende Weltmeister beendete in Kanada 2015 den märchenhaften Lauf der Cafeteras im Achtelfinale (2:0). Eine willkommene Gelegenheit zur Revanche. "Ich habe mich auf diesen Wettbewerb so gut vorbereitet wie noch nie. Ich blühe in diesem Team auf und rechne damit, dass die Lady Andrade von 2016 viel besser als die von 2015 sein wird", kündigt sie kämpferisch an. "Die Niederlage bei der letzten WM liegt hinter uns. Wir sind bereit, es erneut mit ihnen aufzunehmen", warnt sie.

Die Kolumbianerinnen werden indes ohne ihre Spielmacherin Yoreli Rincon auskommen müssen, die verletzt ausfällt. Ein schwerer Schlag für das Team. "Natürlich ist es bedauerlich, dass sie fehlt. Sie ist noch mehr eine Freundin als eine Mitspielerin. Wir werden sie sehr vermissen. Doch das Fehlen jeder anderen Spielerin, die zur kolumbianischen Mannschaft gehört, wäre genauso bedauerlich. Wir sind eine Familie, und es ist immer schwer, auf ein Mitglied verzichten zu müssen", betont sie, bevor sie zum Abschluss ankündigt: "Ich garantiere Ihnen, dass uns dies nicht daran hindern wird, zu kämpfen. Ganz im Gegenteil!"