Freitag 22 Februar 2019, 13:30

Blaszczykowski: "Geht mit einem Lächeln im Gesicht ins Turnier"

Es sind nicht einmal mehr 100 Tage bis zum Beginn der FIFA U-20-Weltmeisterschaft Polen 2019. Am kommenden Sonntag findet in Gdynia die Auslosung der Gruppenphase statt, an der Stars wie Bebeto und Fernando Couto teilnehmen.

Im Vorfeld dieses wichtigen Ereignisses nutzte FIFA.com die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Polens Rekordnationalspieler Jakub Blaszczykowski, der 105 Mal für sein Land im Einsatz war.

Der erfahrene Akteur wünscht den jungen Fussballern in erster Linie Gesundheit und Erfolg und sprach über seinen außergewöhnlichen Weg mit der polnischen Nationalmannschaft.

Für viele Besucher, Spieler, Trainer und Fans wird es die erste Reise nach Polen. Wie würden Sie Ihr Heimatland beschreiben und was erwartet die Besucher dort? Wir haben sehr viel zu bieten. Doch zunächst einmal sind die Menschen in Polen überaus offen, freundlich und hilfsbereit. Ich bin überzeugt, dass Polen unsere Gäste mit offenen Armen empfangen wird und dass sie alle sich dort wie zu Hause fühlen werden. Die sprichwörtliche polnische Gastfreundschaft ist keineswegs nur Gerede. Ich weiß allerdings aus eigener Erfahrung, dass die Spieler nicht allzu viel Zeit haben werden, um das Land gut kennen zu lernen, denn sie werden sich voll und ganz auf ihre Trainingseinheiten und natürlich auf die Spiele konzentrieren. Dabei haben wir sehr viel zu bieten. Wir haben die Ostseeküste, wir haben schöne Gebirge und überaus interessante Städte, die alle eine eigene Geschichte zu erzählen haben...

Sie leben in Krakau, einem der beliebtesten Touristenziele in Polen. Krakau ist eine wirklich außergewöhnliche Stadt und unbedingt einen Besuch wert. Die Stadt hat eine lange Geschichte, eine pulsierende Atmosphäre und rund um die Uhr enorm viel zu bieten. Aber ich bin sicher, auch die Einwohner anderer Städte haben über ihre jeweilige Heimat eine Menge und nur Gutes zu berichten. Polen hat tatsächlich sehr viel zu bieten.

An der Auslosung nimmt auch Bebeto teil, dessen einzigartiger Torjubel mit der Babywiege unvergessen ist. Das war 1994. Können Sie sich an diese WM erinnern? Ich war damals neun Jahre alt. USA 1994 ist die erste WM, an die ich mich tatsächlich erinnern kann. Und ich erinnere mich auch an Bebeto – er war ein brillanter Stürmer. Auch Bulgarien hat bei diesem Turnier mächtig Eindruck auf mich gemacht. Im Angriff spielte Hristo Stoichkov, der einfach herausragend war. Doch zurück zu Bebeto und seinem Torjubel mit der Babywiege – ich kann mich nicht mehr genau an die Umstände erinnern, aber ich selbst habe diese Jubelgeste auch in meiner Karriere ein paar Mal machen können. Das ist ja seitdem ein sehr beliebter Torjubel.

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Am Sonntag erfährt Polen, welche Gegner in der Gruppenphase warten. Wie fühlen Sie sich im Vorfeld einer solchen Auslosung bei einem großen Turnier? Sind Sie nervös, haben Sie Wunschgegner oder Teams, denen Sie lieber aus dem Weg gehen würden? Lassen Sie es mich so ausdrücken: Ich weiß, dass eine Auslosung für bestimmte Spieler, Trainer und Fans eine aufregende und fesselnde Sache ist. Ich selbst bin eigentlich immer ziemlich ruhig gewesen. Es hätte ja keinen Sinn gehabt, sich Gedanken über etwas zu machen, das man ohnehin nicht beeinflussen kann. Ich habe einfach abgewartet, was die Auslosung ergab. Und der Fussball hat mich eines gelehrt: Die Gegner, die man für die schwersten hält, stellen sich manchmal als die leichtesten heraus und umgekehrt. Es spielt keine so große Rolle, welche Gegner man bekommt. Letztlich kommt es darauf an, auf dem Platz zu zeigen, dass man besser ist, dass man ein Tor mehr als der Gegner schießen kann.

Es handelt sich um eine U-20-WM, bei der es für die Spieler ganz besonders emotional ist, ihr Land zu repräsentieren. Wie haben Sie selbst Ihre ersten Schritte in der polnischen Nationalmannschaft in Erinnerung? Sie haben in der Altersklasse U-19 angefangen... Ja, das stimmt. Für mich war das alles eine großartige Erfahrung. Obwohl ich damals nur in der fünften Liga spielte, schaffte ich es, eine Einladung zur U-19-Nationalmannschaft zu bekommen. Ich war natürlich sehr aufgeregt. In dem Team standen damals auch Lukasz Piszczek, Lukasz Fabianski, Slawomir Peszko... Das waren einfach unvergessliche Zeiten.

Dann schafften Sie den Sprung in die A-Nationalmannschaft. Waren es dort die gleichen Emotionen, weil die Nationalmannschaft eben die Nationalmannschaft ist, oder war das ganz anders? Die Emotionen und Gefühle waren ganz anders. Ein riesiger Unterschied war schon allein die Anzahl der Menschen, die zuschauen. Abgesehen davon träumt natürlich jeder kleine Junge, der mit dem Fussball anfängt, eines Tages für die Nationalmannschaft zu spielen. Selbst wenn man einfach nur ein bisschen auf der Straße herumkickt, träumt man davon, das Nationaltrikot zu tragen. Dass dieser Traum für mich wahr wurde, ist einfach unbezahlbar. Daher ist es auch sehr schwer für mich, ein herausragendes Spiel mit der Nationalmannschaft herauszupicken. Für mich war und ist einfach jedes Spiel etwas Besonderes. Denn jedes einzelne Spiel ist Teil meiner Geschichte, Teil meiner Fussballer-Biografie. Vielleicht kann ich nach meiner Karriere ein herausragendes Spiel benennen, aber für mich ist das Spielen für die Nationalmannschaft ein einziger großer, wahr gewordener Traum.

Kein anderer polnischer Fussballer hat so viele Spiele für die Nationalmannschaft bestritten. Bei Ihnen sind es 105. Wenn ein junger Spieler auf Sie zukäme und fragte: ' 'Kuba', wie lautet das Erfolgsrezept, das Geheimnis? Was braucht man, um es auf 105 Länderspiele zu bringen', was wäre Ihre Antwort? Zuallererst einmal muss man sich selbst treu bleiben. Es gibt keine allgemeingültige Formel dafür, Nationalspieler zu werden. Jeder hat seinen eigenen Weg und seine eigenen Bezugspunkte. Wir alle unterscheiden uns körperlich, wir haben verschiedene Lebenswege und es geschehen viele unvorhersehbare Dinge. Es gibt unzählige Elemente, die sich auf die Karriere eines Spielers auswirken. Einige davon liegen außerhalb unserer Kontrolle, manches kann man nicht planen. Mein Rat lautet: Glaube an dich und bleibe bescheiden. Nimm keine Rekorde ins Visier, sondern denke stets an die nächste Trainingseinheit und konzentriere dich auf das nächste Spiel. Dann fügt sich alles zusammen.

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Sie haben 105 Länderspiele bestritten. Wie geht es weiter? Wissen Sie schon, wann Sie dem Team den Rücken kehren? Das weiß ich nicht. Ich plane so etwas nicht, denn wie ich schon sagte, das Leben hat oftmals andere Pläne. Das Wichtigste für mich ist stets – und das gilt auch für die Nationalmannschaft - die nächste Trainingseinheit, das nächste Spiel. Ich habe mir keinen festen Zeitrahmen gesetzt und noch nicht entschieden, wann ich zurücktrete. Die Nationalmannschaft ist in meinen Augen etwas ganz Besonderes. Das war schon bei meinem ersten Spiel so und das wird auch bei meinem letzten Spiel noch so sein. Wann die Zeit dafür kommt, ist nicht wichtig.

Der Klub Wisla Krakau ist derzeit in einer sehr schwierigen Lage. Sie haben in den vergangenen Monaten viel geholfen, auch finanziell. Und Sie sind nach Polen zurückgekehrt und spielen wieder für Ihren früheren Klub. Bei einem Spiel haben die Fans ein Banner entrollt und Ihnen für all die Hilfe gedankt. Sie haben prompt mit einem verwandelten Elfmeter für den Siegtreffer gesorgt. War das ein besonderer Moment? Ein sehr besonderer Moment. Ich möchte den Wisla-Fans meinen Dank aussprechen. An diesem Tag lief einfach alles perfekt. Man hätte kein besseres Drehbuch schreiben können. Ich habe mich entschlossen, Wisla zu helfen, weil ich einfach das Gefühl hatte, das tun zu müssen. Was derzeit mit Wisla passiert, betrifft viele Menschen. Der Klub bedeutet ihnen sehr viel. Es geht nicht nur um eine über 100-jährige Geschichte sondern um all die vielen Menschen, deren Leben mit diesem Klub verwoben sind. Die Situation war und ist weiterhin sehr schwierig, aber wir kämpfen, damit es jeden Tag etwas besser wird und die Hoffnung wächst. Wir haben noch sehr viel Arbeit vor uns, aber niemand denkt daran, aufzugeben.

Dieser Elfmeter, den Sie verwandelt haben... Sie haben ja schon so einige geschossen. War dieser wegen der Umstände einer der schwierigsten? Jeder Spieler weiß, dass man Elfmeter keineswegs immer verwandelt. Auch ich weiß das. Es scheint ganz einfach – aber nur bis zu dem Moment, wo man dann tatsächlich dem Torhüter gegenüber steht. Und die Torhüter versuchen natürlich alles, um Elfmeter zu halten. Es ist nicht leicht und daher umso besser, dass es mir gelungen ist. Dieses Tor war einer der unglaublichsten Momente meiner Karriere, wenn man die Umstände bedenkt.

Sie helfen allerdings nicht nur Wisla Krakau, sondern leisten auch viel gemeinnützige Hilfe und haben eine eigene Stiftung. Empfinden Sie das als eine Verantwortung? Zunächst einmal möchte ich darüber eigentlich nicht viel sprechen. Gutes tut man am besten im Verborgenen, finde ich. Das ist meine Meinung. Ich denke, jeder kann ab und zu etwas Hilfe gut brauchen. Das muss nicht immer materielle Hilfe sein. Manchmal ist es auch einfach ein guter Ratschlag zur richtigen Zeit, der uns auf unserem Lebensweg hilft. Helfen gibt Zufriedenheit, aber auch Glück.

Lassen Sie uns zum Schluss noch einmal auf die U-20-WM zurückkommen. Welche Botschaft haben Sie für die Spieler, die an dem Turnier teilnehmen? Haben Sie einen guten Ratschlag für sie? Mein Rat lautet: Geht mit einem Lächeln im Gesicht ins Turnier und genießt es, so gut ihr könnt. Konzentriert euch auf eure positive Energie und geht mit einer positiven Grundeinstellung in jedes Spiel und jede Trainingseinheit. Es macht die Sache leichter, wenn man mit optimistisch auf das Leben und auf ein Spiel blickt. Lächelt, geht raus auf den Rasen und gebt alles. Das ist meine Einstellung, so sehe ich das.