Donnerstag 11 Februar 2016, 08:33

Ü-30-Torjäger mischen die Ligen auf

Wenn Stürmer die Grenze von 30 Jahren erreichen, so die landläufige Meinung, seien sie über ihren Zenit hinaus. Wenn im Vergleich zu ihrer früheren Karriere Schnelligkeit, Energie und Beweglichkeit nachlassen, werden alternde Angreifer häufig zugunsten ihrer jüngeren und schnelleren Rivalen herabgesetzt. Der unterschwellige Vorwurf: Sie haben ihre besten Tage hinter sich.

Das ist indes nicht immer der Fall. Eine ganze Reihe von Stürmer-Veteranen feiert momentan eine erstaunliche Rückkehr - an die Spitze der Torschützenlisten ebenso wie in die Aufgebote ihrer Nationalmannschaften - obwohl viele sie schon totgesagt hatten.

FIFA.com wirft einen Blick auf die Routiniers der Welt, die wie ein guter Wein mit der Zeit immer besser werden und beweisen, dass das Alter nichts als eine Zahl ist.

Aller guten Dinge sind drei Aritz Aduriz mag gerade 35 geworden sein, doch der Torinstinkt des Spaniers lässt keinerlei Ermüdungserscheinungen erkennen. Der Star von Athletic Bilbao, der für seine Robustheit und Kopfballstärke bekannt ist, kann sich damit rühmen, ab seinem 30. Geburtstag mehr Tore erzielt zu haben als in allen Saisons zuvor.

Aduriz kehrte 2012 zum dritten Mal zum baskischen Klub zurück, und es sollte seine beste Zeit werden. Als junger Mann war es dem in San Sebastian geborenen Angreifer nicht gelungen, sich durchzusetzen. Während seines zweiten Engagements im San Mames stand er meist im Schatten von Fernando Llorente.

Doch der dritte Anlauf brachte den Durchbruch, und seitdem avancierte Aduriz zum Albtraum der Verteidiger in der spanischen Liga. Nachdem er im vergangenen Jahr die persönliche Bestmarke von 26 Saisontoren aufgestellt hatte, kann er auch in dieser Spielzeit - in allen Wettbewerben zusammengenommen - bereits mehr Treffer auf dem Konto vorweisen als Neymar oder Lionel Messi. Just gegen Barcelona übrigens erzielte er im spanischen Supercup vier Tore.

"Wir haben großes Glück, ihn im Team zu haben. Er wird von Jahr zu Jahr besser", sagte Trainer Ernesto Valverde über Aduriz. "Er hat großes Vertrauen in seine Fähigkeiten, seine Bilanz ist fantastisch und er ist ein Schatz für uns."

Aufgrund seiner beeindruckenden Saisonleistung wurden sogleich Stimmen laut, er müsse für die spanische Nationalmannschaft nominiert werden. Der Stürmer kann lediglich einen Einsatz für La Roja vorweisen. 2010 kam er gegen Litauen zu einem Kurzeinsatz als Einwechselspieler in der Schlussphase. Spaniens Nationalcoach Vicente Del Bosque äußerte sich zurückhaltend zu der Frage, ob er 2016 mit einer Einberufung rechnen kann.

"Wenn die nächste Länderspielnominierung ansteht, ist Aduriz entweder dabei oder nicht. Alles andere ist Spekulation", sagte der Trainer. "Im März wird es erneut eine geben, also werde ich warten müssen."

Länderspielehren mit 35 Während es sich für Aduriz erst noch herausstellen wird, ob es mit 35 eine Rückkehr auf die internationalen Spielfelder gibt, hat Ricardo Oliveira bereits gezeigt, dass es möglich ist.

Als der Brasilianer in den Vereinigten Arabischen Emiraten spielte, war an einen Einsatz in der Seleção nicht zu denken. Doch seit seiner Rückkehr nach Brasilien zum FC Santos im Januar 2015 eroberte er die Liga im Sturm und beendete die Saison mit 20 Treffern als Torschützenkönig - mit sechs Toren Vorsprung auf den Zweitplatzierten Vagner Love.

Oliveiras glänzende Form auf Vereinsebene bescherte ihm mit 35 seine erste Länderspielnominierung seit acht Jahren. "Als ich im Nahen Osten unterschrieb, hörte ich auf, an die Seleção zu denken", verriet der Stürmer. "Das Gefühl ist auch nach acht Jahren gleich. Es ist sehr berührend, das ändert sich nie."

"Es ist eine Freude, seinem Land zu dienen. Ich bin auf dem Höhepunkt meiner Karriere, wenn man meine Erfahrung und mein spielerisches Niveau berücksichtigt. Ich komme zurück und hoffe, dass ich der Seleção mit meiner Erfahrung und meinem Können helfen kann."

Der ehemalige Stürmer von AC Milan kam 2015 zu drei internationalen Einsätzen und erzielte im WM-Qualifikationsspiel gegen Venezuela sogar sein erstes Länderspieltor seit Februar 2005.

"Es ist wichtig, dass erfahrene Spieler im richtigen Moment des Spiels helfen und das Tempo anpassen können", sagte Oliveira. "Ich bin stolz darauf, wieder das Nationaltrikot zu tragen und mein Land zu vertreten. Und mit einem Tor in die Seleção zurückzukommen, war sehr wichtig."

Goldene Schuhe Oliveira war indes nicht der einzige Ü30-Stürmer, der in der vergangenen Saison eine nationale Torschützenliste anführte. Das gleiche Kunststück gelang Luca Toni und Alexander Meier in Italien beziehungsweise Deutschland.

Toni hatte nach seinem Abschied von Bayern München 2010 für Genua, Juventus, Al Nasr und die Fiorentina gespielt, konnte aber nicht mehr an seine frühere Leistungen anknüpfen und verharrte in einstelligen Tor-Statistiken. Als alles danach aussah, als ob sich seine Karriere dem Ende zuneigte, unterschrieb der 1,94 Meter lange Angreifer 2013 bei Hellas Verona. Dies war der Beginn einer Liebesgeschichte, die der von Romeo und Julia in nichts nachsteht, und einer ebenso dramatischen Wiederauferstehung als Torjäger.

Der 38-Jährige beendete die Saison 2014/15 als Torschützenkönig der Serie A - neun Jahre, nachdem ihm der gleiche Erfolg in Florenz gelungen war. Die Auszeichnung als Capocannoniere teilte er sich übrigens mit dem 16 Jahre jüngeren Mauro Icardi von Inter Mailand.

Toni sagte, er werde bis zum Ende der aktuellen Saison warten, um eine Entscheidung über die Fortsetzung seiner Karriere zu treffen. "Früher oder später werde ich aufhören müssen. Wir werden sehen, was Körper und Geist im Juni sagen. Bis dahin konzentriere ich mich nur aufs Spielen."

Die Renaissance der erfahrenen Stürmer ist nicht auf Italien beschränkt: Dies bewies Alexander Meier in Deutschland. Der heute 33-jährige Kapitän von Eintracht Frankfurt war in der vergangenen Bundesligasaison 19 Mal erfolgreich und verwies damit die Bayern-Stars Robert Lewandowski und Arjen Robben auf die Plätze.

Als Hauptgrund für die Verbesserung seiner Torjägerqualitäten sieht Meier, dass er nie aufgehört hat, an ihnen zu arbeiten. "Ich habe das schon als Kind geübt", sagte Meier. "Es geht darum, das Einfache zu perfektionieren. Federer übt die Vorhand auch weiter, obwohl sie perfekt ist."

In diesen Zeiten des Jugendwahns sind Aduriz, Oliveira, Toni und Meier nur einige wenige Beispiele dafür, dass es ein Leben jenseits der 30 gibt.