Montag 12 Februar 2024, 13:00

Iraia Iturregi: „Die Teilnahme am Programm hat mich stärker gemacht“

  • Einsatz als Mentorin der Athletic-Bilbao-Legende bei der letzten Ausgabe des FIFA Trainerinnen-Mentorenprogramms

  • Wechsel in den Trainerstab des Männerteams CD Basconia als weiterer Schritt in der persönlichen Entwicklung

  • „Ich würde die Teilnahme am Programm auf jeden Fall empfehlen. Die Erfahrung mit meiner Mentee war grossartig“ - Iturregi

Für Iraia Iturregi ist Athletic Bilbao mehr als nur der Verein. Er ist ein sehr wichtiger Teil ihres Lebens, was sich mit Statistiken unterstreichen lässt, hat sie doch mehr als die Hälfte ihres Lebens beim baskischen Team verbracht.

Mit gerade einmal 17 Jahren gab Iturregi ihr Debüt bei Athletic, bestritt danach mehr als 400 Spiele und gewann mehrere Titel, ehe sie 2021 den Trainerposten beim A-Team der Frauen übernahm. Im vergangenen Sommer machte sie den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung: Sie wechselte in den Trainerstab des Männervereins CD Basconia, dessen erste Mannschaft die zweite Ausbildungsmannschaft von Athletic Bilbao ist und in der fünfthöchsten Spielklasse Spaniens spielt. Iturregi ist eine Legende.

„Athletic hat mir in meinem Leben viel gegeben. Während der 15 Jahre beim Verein habe ich als Spielerin und Trainerin alle Kategorien des Frauenfussballs bis zur ersten Liga durchlaufen. Und nun habe ich die Chance, im Männerbereich zu arbeiten“, so Iturregi gegenüber FIFA.com/inside.

Mit dem Schritt in den Männerfussball ist sie eine Pionierin in Spanien, will dies aber nicht an die grosse Glocke hängen.

„Ich wollte meine Komfortzone verlassen. 20 Jahre im Frauenfussball waren genug. Ich wollte Fortschritte machen, weiter lernen und einen anderen Kontext erleben, mit einem starken Trainerstab. Ich bin wirklich sehr glücklich über den Wechsel und hochmotiviert.“

Die Entscheidung fiel ihr nicht leicht, ergab sich jedoch von selbst, denn Iturregi bot sich die Chance, die Führung von Männern durch Frauen zu normalisieren.

„Das ist schwer zu verstehen. Ich war überrascht, dass es keine Frauen im Betreuerstab der Teams gab. Wenn ein männlicher Fussballtrainer beschliesst, die Leitung eines Frauenteams zu übernehmen, und nichts passiert, müsste es umgekehrt doch genauso sein. Letztendlich sehen die Spieler, dass eine Frau die Anweisungen gibt, und das trägt zur Normalisierung bei. Ich bin überzeugt, dass sich meine Entscheidung positiv auf den Frauenfussball und auf Frauen, die Trainerinnen werden wollen, auswirken wird.“

Nun will sich Iturregi auch im Männerfussball einen Namen machen. Zu diesem Schritt entschloss sie sich während der letzten Monate der zweiten Ausgabe des FIFA Trainerinnen-Mentorenprogramms, bei dem sie als Mentorin fungierte.

Andere Sichtweisen auf den Fussball

Neben ihrem Traineramt beim Verein hat Iturregi während 18 Monaten Kat Smith im Rahmen des Programms als Mentorin begleitet und ihr dabei nicht nur ihr Wissen weitergegeben, sondern auch andere Sichtweisen auf den Fussball kennengelernt.

„Ich habe den Austausch mit international äusserst erfahrenen Trainerinnen und Trainern sehr genossen. Es war ein grosses Privileg.“

„Die Gespräche“, antwortete sie ohne zu zögern auf die Frage, was sie von ihrer Teilnahme am Programm mitnimmt, das im Dezember 2023 mit einer Sitzung in Zürich und im Beisein der meisten Mentoren und Mentees endete.

„Mir bleiben die Gespräche und die tolle Dynamik unter den Teilnehmern. Wir mussten uns unter Menschen mischen, die wir nicht kannten oder mit denen wir noch nie gesprochen hatten, und anschliessend bestimmte Fragen beantworten, die zu einer eingehenden Selbstanalyse führten“, erzählte Iturregi.

„Während der Saison hat man aufgrund des Wettbewerbs keine Zeit, innezuhalten und nachzudenken. Dies ist eines der Dinge, die ich gelernt habe. Die Teilnehmer des Programms haben sehr offen von ihren Erfahrungen erzählt, auch von solchen, bei denen nicht alles wunschgemäss verlaufen ist. Über diese Situationen und seine Gefühle zu sprechen oder zu diskutieren, ist sehr bereichernd“, ergänzte sie.

FIFA Women's Development Programme

Wertvolle Tipps

In Zürich erhielt Iturregi, inzwischen Assistenztrainerin des Männerteams CD Basconia, wertvolle Tipps und Ratschläge, die sie nun bei ihren Spielern umsetzen kann, und konnte sich persönlich weiterentwickeln.

„Es ist wichtig, seine Rolle beim Verein zu kennen. Ich versuche, die Erfahrungen all dieser Leute mit anderen zu teilen und in den Alltag zu übertragen. In Zürich haben wir nur über Fussball geredet. Zu Hause konnte ich diese Ideen dann in aller Ruhe ordnen, darüber nachdenken und sie in die Praxis umsetzen.“

„Was mich mit den verschiedenen Kollegen, Mentoren und Mentees verbindet, ist, dass ich mich bestärkt fühle, wenn ich hierherkomme. Man ist hier mit Menschen zusammen, die so viel Erfahrung, Charakter und Energie haben, dass man selbst mit sehr viel Energie nach Hause geht“, so Iturregi weiter.

Um auf das Thema Männerfussball und damit auf einen der Gründe für dieses Interview zurückzukommen, wurde Iturregi nach den Unterschieden zum Frauenfussball gefragt. Einer hat sie dabei besonders überrascht.

ZURICH, SWITZERLAND - DECEMBER 13: Iraia Iturregi during a Portrait session as part of FIFA Women's Development Programme at HoF, Home of FIFA on December 13, 2023 in Zurich, Switzerland. (Photo by Harold Cunningham/FIFA)

Man ist hier mit Menschen zusammen, die so viel Erfahrung, Charakter und Energie haben, dass man selbst mit sehr viel Energie nach Hause geht.

Iraia Iturregi

„Die Unterschiede sind minimal, vor allem spielerisch. Dennoch hat mich überrascht, und darüber habe ich sogar mit erfahrenen Trainerinnen wie Pia Sundhage gesprochen, dass die Männer trotz der Anforderungen und der hohen Erwartungen an sie im Allgemeinen selbstbewusster sind. Ich weiss nicht, ob es eine Frage des Geschlechts oder der Erziehung ist, aber sie sind wagemutiger, während die Frauen mehr Selbstzweifel haben.“

Mit Blick auf diese 18 Monate und ihre Auswirkungen besteht für Iturregi kein Zweifel, dass die Teilnahme an dem Programm die richtige Entscheidung war.

„Ich würde die Teilnahme auf jeden Fall empfehlen. Die Erfahrung mit Kat [Smith, ihrer Mentee] war grossartig. Wir haben mindestens einmal im Monat miteinander gesprochen, um uns auszutauschen oder Spielsituationen zu besprechen. Ich habe ihr einige neue Strategien unseres Betreuerstabs bei CD Basconia gezeigt, und sie kam für ein paar Tage nach Bilbao.“

Einer der positiven Aspekte des Programms ist, dass es über das Ende einer Ausgabe weiterläuft, denn alle Teilnehmer bleiben in Kontakt. Davon schwärmt auch Iturregi.

„Ich konnte Kat nicht in Australien besuchen, weil der Vereinsfussball dies im Unterschied zum Nationalteamfussball kaum zulässt. Aber wir haben miteinander gesprochen und abgemacht, dass ich eines Tages hinreise. Ich habe auch die Telefonnummern der anderen Teilnehmer mitgenommen. Wir haben uns versprochen, uns gegenseitig zu besuchen“, sagte Iturregi zum Schluss.

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