Montag 25 April 2016, 10:05

Die Entdeckungsreise des Owen da Gama

Der 54-jährige Owen da Gama, Trainer Südafrikas, ist ein weitgereister Mann. Dank des Fussballs und seines guten Torriechers hat er bereits viele Stempel in seinem Pass. "Ich habe schon einige Runden durch die Welt gedreht. Ich habe in Belgien für Beerschot gespielt und in Spanien für Figueres, das damals noch in der ersten Liga antrat. Ich war auch in Irland aktiv, bei Derry City, und wurde dort zum Spieler des Jahres gewählt. Die Liga gehörte nicht zu den besten, doch ich habe immer meine Tore gemacht", erklärt er nach der Gruppenauslosung der Olympischen Fussballturniere Rio 2016 in den Katakomben des Maracanã-Stadions im Gespräch mit FIFA.com. Dies war nur eine weitere Etappe auf der sportlichen Reise eines Südafrikaners, der den Pioniergeist im Blut hat. Owen ist nämlich ein Nachfahre des legendären portugiesischen Seefahrers und Entdeckers, der im Jahre 1497 als erster Europäer mit einer Flotte von Segelschiffen vom Alten Kontinent nach Indien segelte und dabei den südlichsten Zipfel Afrikas, das Kap der Guten Hoffnung, umschiffte. Damit eröffnete er eine Handelsroute, die die Handelsbeziehungen der damaligen Zeit tiefgreifend verändern sollte – die Kaproute. Das war ein historischer Meilenstein in einem Prozess, der schließlich zur Entdeckung des Landes führen sollte, das im Begriff ist, die Olympischen Spiele auszurichten. Dazu kam es im Jahr 1500, als Pedro Álvares Cabral die Route nach Indien erneut befahren sollte, vom Weg abkam und in einem bis dahin unbekannten Land landete – in Brasilien. "Ja, wie Sie wissen, ist Da Gama ein bedeutender Name. Wenn Sie sich meine Nase anschauen, werden Sie feststellen, dass sie genauso aussieht wie die Vascos", meint er lachend. "Einer von Vascos Söhnen, Emanuel, blieb in Mosambik. Das ist unser Familienzweig, der sich über 14 Generationen zurückverfolgen lässt. Wir haben den Ahnenbaum, Stammbücher, Tagebücher." 

Owen erklärt, er spreche aufgrund der Abstammung seines Vaters ein wenig Portugiesisch. Dadurch wird die Herausforderung jedoch nicht kleiner, mit der er am 4. August konfrontiert ist, wenn seine junge südafrikanische Auswahl am ersten Spieltag des Olympischen Fussballturniers der Männer in Brasilia ausgerechnet gegen die brasilianische Seleção antreten muss.

"Wir wissen, dass es schwer werden wird. Sie haben hervorragende Spieler, doch die Herausforderung stellt gleichzeitig auch eine Chance dar. Ich glaube, dass Brasilien mächtig unter Druck stehen wird und je mehr Kapital wir daraus schlagen können, desto besser. Es wird eine tolle Erfahrung werden und ich glaube, dass wir über die Voraussetzungen verfügen, um ein gutes Spiel abzuliefern", erklärt er und erinnert gleich im Anschluss an ein vergangenes Ereignis. Beim Afrikanischen Nationen-Pokal der U-23-Teams war seine Mannschaft nämlich auch gegen den Gastgeber angetreten, in diesem Fall Senegal, und hatte sich im Kampf um den dritten und letzten Qualifikationsplatz für Olympia durchgesetzt. "Vielleicht ist das ein gutes Vorzeichen für uns, wir werden sehen. Auf jeden Fall trete ich immer lieber zuerst gegen die Besten an, und ich glaube, Brasilien und Nigeria sind die beiden besten Teams. Danach kann es nur noch bergauf gehen."

Kurioserweise ist sein Team dieses Jahr bereits einmal auf die Seleção getroffen. Am 27. März musste Südafrika sich bei einem Testspiel in Maceio mit 1:3 geschlagen geben. "Im Fussball ist alles möglich. Vielleicht kommt uns die Tatsache zugute, dass nur fünf unserer Spieler in Europa aktiv sind. Alle anderen spielen im eigenen Land, sodass wir den Vorteil haben, länger zusammenspielen zu können. Das könnte hilfreich sein. Doch selbst wenn das von Vorteil sein sollte, ist Brasilien immer ein Gegner, dem viel Respekt gebührt."

Nach dem Auftaktspiel hofft der südafrikanische Trainer darauf, die brasilianischen Fans auf seiner Seite zu haben, und zwar nicht nur wegen seiner Familienbande zur portugiesischsprachigen Welt. Er war nämlich schon häufiger in Brasilien, nicht nur anlässlich des oben genannten Freundschaftsspiels im Bundesstaat Alagoas und der Gruppenauslosung für das Olympische Fussballturnier. Dabei zog es ihn vor allem nach São Paulo, da er Freunde in der brasilianischen Metropole hat. "Die Brasilianer haben Südafrika immer freundlich aufgenommen. Wir haben sehr gute Beziehungen. Unter anderem hat Parreira bereits unsere Nationalmannschaft trainiert, wodurch die Bande noch verstärkt wurden. Wir werden immer sehr gut aufgenommen und der Sportgeist Brasiliens ist der beste der Welt."

Als Nachfahre von Vasco da Gama hat der Trainer vielleicht zumindest die Anhänger des Klubs mit gleichem Namen in Rio de Janeiro hinter sich, der zu den beliebtesten im Lande zählt. "Wer weiß? Wir haben in Südafrika auch ein Zweitligateam namens Vasco da Gama. Alle glauben, das sei mein Team", meint er und lacht erneut. Das ist wirklich ein großer Name, und vielleicht kann er ja bei dieser neuen Entdeckungsreise seiner Familie – der olympischen – hilfreich sein.