Montag 04 April 2022, 09:00

Aliou Cissé: Der afrikanische Fussball hat sein Schicksal selbst in die Hand genommen

  • Cissé war als Kapitän und als Trainer Senegals bei der FIFA Fussball-WM™ dabei

  • Anfang des Jahres führte er das Team zum erstmaligen Titelgewinn bei der Afrikameisterschaft

  • Er betont, wie wichtig es ist, einheimische Trainer und Infrastruktur vor Ort zu entwickeln

Als Spieler gab sich Aliou Cissé nie damit zufrieden, im Training einfach nur bestimmte Übungen zu machen. Er wollte auch wissen, warum er sie macht. Diese Neugier begleitete ihn während seiner gesamten Spielerkarriere, die ihn sowohl nach Frankreich als auch nach England führte. Er war zudem der Kapitän der historischen Mannschaft Senegals, die sich 2002 zum ersten Mal für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ qualifizierte und im selben Jahr erstmals das Finale des CAF Afrikanischen Nationen-Pokals erreichte. "Ich wollte schon damals wissen, warum ich so viel rennen muss, um Fussball zu spielen", sagt er. Es war daher keine Überraschung, dass Cissé nach dem Ende seiner Spielerkarriere die Trainerlaufbahn einschlug. Nachdem er von 2013 bis 2015 die senegalesische U-23-Auswahl geleitet hatte, wurde Cissé zum Trainer der A-Nationalmannschaft befördert, was er seither geblieben ist – eine bemerkenswert lange Amtszeit in der turbulenten Welt des afrikanischen Fussballs.

Senegal's Aliou Cisse during the 2002 FIFA World Cup

Unter seiner inspirierenden Führung hat sich Senegal seinen Platz auf der Fussballlandkarte zurück erkämpft. Das Team qualifizierte sich 2018 zum zweiten Mal für eine Weltmeisterschaft, erreichte im Jahr darauf zum zweiten Mal das Finale der Afrikameisterschaft und gewann im Februar zum ersten Mal den kontinentalen Titel, was im ganzen Land Jubelstürme auslöste. Im März feierte Senegal darüber hinaus die Qualifikation für Katar 2022. Im Duell gegen Ägypten, einer Neuauflage des jüngsten Endspiels um die Afrikameisterschaft, setzten sich die Löwen von Teranga dank Sadio Mané erneut im Elfmeterschießen durch. Dies hat Cissé zu einer inspirierenden Figur für andere afrikanische Trainer gemacht, die oft Mühe hatten, ihren Platz zu finden. Kürzlich nahm er in Zusammenarbeit mit dem senegalesischen Fussballverband am FIFA-Entwicklungsprogramm für Trainerausbilder teil und spricht in diesem Interview über die Bedeutung einer guten Ausbildung und Infrastruktur sowie über die Fortschritte, die afrikanische Trainer machen.

Senegal players launch Senegal coach Aliou Cissé into the air

Können Sie uns etwas über Ihr Trainerdebüt und Ihre Mentoren und die Trainer erzählen, die Sie ausgebildet haben? Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für die Trainertätigkeit, auch als ich noch spielte. Ich war immer neugierig auf den Zweck der Übungen, die wir gemacht haben. Daher habe ich mich als Spieler nicht einfach ins Training gestürzt, ohne das Warum und Weshalb zu kennen. Ich habe oft mit meinen Trainern gesprochen, denn wenn ich laufen sollte, dann wollte ich wissen, warum ich so viel laufen musste, um Fussball zu spielen. Diese Neugierde habe ich mir während meiner gesamten Spielerkarriere bewahrt.

Ich halte es für eine sehr gute Sache, sich anzuschauen, was andere machen, aber noch wichtiger ist es, eine eigene Identität und eigene Methoden zu entwickeln. Letztlich geht es darum, all das in meine Trainertätigkeit einfließen zu lassen, was ich als Spieler an Technik und Taktik erlebt habe. Sie sind hier im Rahmen des FIFA-Entwicklungsprogramms für Trainerausbilder in Zusammenarbeit mit dem senegalesischen Fussballverband. Was sagen Sie zu diesem Programm, das in Afrika durch Senegal auf den Weg gebracht wird? Ich bin ein einheimischer Trainer, ich wurde hier geboren und bin hier aufgewachsen. Ich habe zwar viele Jahre in Europa gelebt, aber ich bin immer noch Afrikaner und Senegalese. Der Fussball spielt in unserem Land heute eine wichtige Rolle. Dass die FIFA heute hierher gekommen ist und die Entwicklung unser Trainer hier vor Ort unterstützt, erfüllt uns mit großem Stolz. Es beweist, dass der afrikanische Fussball sein Schicksal selbst in die Hand genommen hat, und dass die FIFA all dies organisiert hat, um die Situation in bestimmten Verbänden und ihren technischen Abteilungen zu verbessern.

Inwieweit könnten diese Kurse die Arbeit der Trainer auf lokaler Ebene verbessern? Was das Coaching und die Trainer angeht, haben wir erkannt, dass wir uns weiterentwickeln müssen, denn wir waren nicht gut genug, um in Europa zu trainieren oder unsere eigenen Nationalmannschaften zu betreuen. Wenn man sich die Zahl der ausländischen Trainer bei der Afrikameisterschaft 2019 im Vergleich zu 2022 ansieht, stellt man fest, dass die Zahl der einheimischen Trainer gestiegen ist . Das bedeutet, dass wir Trainer ausgebildet haben, und zwar qualifizierte Trainer, gute Trainer. Jetzt halte ich es für wichtig, dass wir unsere Techniken und Fähigkeiten weiter ausbauen und unsere technischen Abteilungen stärken.

Wenn es vor Ort kompetente Trainer gibt, sehe ich keinen Grund, warum man sich anderswo umsehen sollte; man sollte ihnen sein Vertrauen schenken.
Aliou Cissé
Nationaltrainer, Senegal

Senegal hat mit einem einheimischen Trainer große Erfolge erzielt. Könnte dies eine neue Generation von Trainern inspirieren? Ich weiß nicht, ob ich tatsächlich eine Inspiration bin. Wir dürfen nicht vergessen, dass es schon vor mir andere Verbände gab, die bereits auf ihre eigenen Trainer vertrauten. Ich will damit sagen, dass die Dinge wirklich in Bewegung geraten sind. Es liegt an uns, diese Entwicklung fortzusetzen. Wir wissen, dass es nicht leicht ist, der Nationaltrainer des eigenen Landes zu sein. Was auch immer die Leute sagen mögen, es ist viel schwieriger. Es gibt immer höhere Erwartungen, und es ist auch eine Herausforderung für uns, zu zeigen, dass wir in der Lage sind, das Heft in die Hand zu nehmen und zu zeigen, dass wir nicht nur planlos dem Ball hinterherjagen sollen. Wir Afrikaner haben das Potenzial, großartige Spieler zu sein, aber wir haben auch das Potenzial, zu denken, zu planen und Dinge in die Wege zu leiten, und in der heutigen Zeit sehen wir, dass andere Verbände ihr Vertrauen in einheimische Trainer setzen – mit Hilfe der FIFA, die dazu beiträgt, diesen Trainern zu helfen, sich zu verbessern. Wenn es vor Ort kompetente Trainer gibt, sehe ich keinen Grund, warum man sich anderswo umsehen sollte. Man sollte den einheimischen Trainern Vertrauen schenken. Das ist unser Kampf, denn um ein Nationalteam zu führen, muss man die Gegebenheiten des Landes kennen und in technischer und taktischer Hinsicht sehr kompetent sein. Und man muss auch die Vergangenheit des Landes kennen. Für mich ist es schwierig, über die Zukunft zu sprechen, wenn man die Vergangenheit nicht kennt.

SENEGAL -