Montag 12 Dezember 2016, 05:41

Jones: "Wir wollen Trendsetter sein"

Dass Sportler auf dem Zenit ihrer Karriere diese beenden, ist nichts Neues. Das bewies gerade Formel-1-Rennfahrer Nico Rosberg nach dem Gewinn des WM-Titels. Bei der deutschen Bundestrainerin Silvia Neid stand jedoch schon vor ihrem Gold-Triumph fest, dass sie danach zurücktreten wird. Und während man im Rennstall von Rosberg noch nach einem Nachfolger sucht, war bei den DFB-Frauen bereits klar, wer die Verantwortung übernehmen wird: Steffi Jones.

"Als sehr aufregend" beschreibt die 111-fache Nationalspielerin ihre ersten Monate auf der Trainerbank im exklusiven Interview mit FIFA.com. "Ich hatte keine Vorstellung davon, wie das so ist, als Trainer an der Seitenlinie zu stehen. Man sieht zwar Jogi Löw oder Silvia Neid, aber man weiß ja nicht, wie man sich selbst dabei fühlt. Von daher war das alles echt spannend, aber direkt auch mit sehr viel Spaß verbunden. Ich bin ein sehr positiv denkender Mensch und optimistisch. Ich habe mir Siege gewünscht, dass es dann so eingetroffen ist, trotz der vielen Verletzten und Ausfälle, war ein sehr guter Einstieg. Fazit: Es war ein guter Auftakt."

Vier Siege und ein Remis. So lautet die bisherige Bilanz von Jones, die ein Jahr lang Erfahrungen im Trainerstab von Neid sammelte, ehe sie das Zepter übernahm. "Wichtig war sicherlich, dass ich in den Trainingseinheiten und Spielen die Spielerinnen schon beobachten und für mich herausfiltern konnte, mit welchen Spielerinnen ich weiter plane", beschreibt die ehemalige Abwehrchefin der DFB-Auswahl ihre Erkenntnisse.

"Ich habe mir meinen Kader schon etwas herausgepickt und konnte sehen, wie die Spielerinnen ticken, wenn es mal schwierig wird. Wir hatten Phasen in dem Turnier , in denen es nicht immer so lief. Da erkennt man dann auch, dass da eine Spielerin ist, die sich als führungsstark entpuppt, die Mannschaft motiviert und die ich vielleicht gar nicht so auf dem Schirm hatte. Aufgrund dieser Erfahrungen habe ich auch meinen Mannschaftsrat ausgewählt."

Gleich auf drei Leistungsträgerinnen musste die Weltmeisterin von 2003 und dreifache Europameisterin in ihrem Kader verzichten, nachdem Melanie Behringer, Saskia Bartusiak und Annike Krahn ihren Rücktritt bekannt gaben. Doch was bedeutete dies für das Team von Jones? "Als ich vor Olympia meine Spielidee für mich entwickelte, habe ich auch darüber nachgedacht: Welche Rolle spielen für mich die erfahrenen Spielerinnen? Man denkt schon darüber nach, ob man aktiv einen kompletten Umbruch macht. Die Entscheidung wurde mir durch die Rücktritte dann praktisch abgenommen."

Neue Trends setzen Nach Olympia stellte Jones ihr Konzept der Öffentlichkeit vor und machte deutlich, wohin die Reise geht. Trendsetter sein, lautet die Devise der 43-Jährigen. "Ich werde ganz oft gefragt: Welche Mannschaft ist Euer Maßstab, an wem messt Ihr Euch? Daraufhin sage ich, dass wir Trendsetter sein wollen. Wir wollen die Mannschaft sein, zu der die anderen schauen und über die sie sagen: 'Da passt es in der Struktur, Nachwuchsförderung, Ausbildung. In der Bundesliga und den Frauen-Nationalmannschaften spielen sie einen variablen, attraktiven und gut organisierten Fussball.' Wir schauen nicht zu den Amerikanerinnen oder nach Frankreich, die sollen sich an uns messen wollen. Meine Spielerinnen sollen auch so selbstbewusst sein und wissen, dass sie sich nicht verstecken müssen, weil sie zu den Weltbesten gehören. So ist meine Philosophie, und so versuche ich meine Spielerinnen stark zu machen."

Deutliche Worte, die zeigen, dass Jones keine Angst davor hat, die großen Fußstapfen zu füllen, die Neid hinterlassen hat. Vergleiche mit der zweifachen FIFA-Welttrainerin möchte sie nicht anstellen, sondern ihre eigene Handschrift zum Vorschein bringen – wie sie es bereits als Präsidentin des Organisationskomitees der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2011 getan hat.

"So wie Franz Beckenbauer damals im WM-OK 2006 der Kaiser war, galt ich zuerst als OK-Präsidentin für die Frauen-WM 2011 als der weibliche Beckenbauer und war dann irgendwann Steffi Jones mit ihrer Handschrift. So würde ich mir das nun auch wünschen. Ich bin jetzt noch die Nachfolgerin von Silvia Neid und ich wünsche mir, dass es irgendwann heißt: und das ist Steffi Jones."

"Ich wäre auch gerne mal Weltfussballerin geworden" Dass ihre Vorgängerin in diesem Jahr zu den drei Finalistinnen für die Wahl zur Welttrainerin im Frauenfussball gehört, kommt für Jones nicht von ungefähr - auch wer am Ende den Award sein Eigen nennen darf. "Trainerin ist für mich klar. Olympisches Gold, Silvia. Wenn man das erreicht hat, dann ist das einfach groß."

Groß ist für Jones auch die Tatsache, dass es im Frauenfussball die verschiedenen Auszeichnungen bei den The Best FIFA Football Awards™ gibt, besonders im Hinblick auf Akzeptanz und Förderung. "Gerade hier war auch Silvia die erste Trainerin, die zur Welt-Trainerin gewählt wurde. Ich finde, das ist eine total wichtige Auszeichnung. Nicht nur für den Frauen- und Mädchenfussball, sondern auch als Wertschätzung. Die Trainer und Trainerinnen in den Vereinen und auch in den Nationalmannschaften leisten Großartiges. Und die Spielerinnen eben auch", bringt sie es auf den Punkt und ergänzt:

"Diese Auszeichnung ist super wichtig und eine große Anerkennung. Ich weiß, dass alle immer sehr, sehr stolz sind, wenn sie so einen Titel gewinnen. Ich wäre auch gerne mal Weltfussballerin geworden. Ich war immer total traurig, als Abwehrspielerin habe ich das nie geschafft. Ich freue mich jedenfalls immer für die Spieler und Spielerinnen und die Trainer und Trainerinnen, die damit ausgezeichnet werden."

Und wer weiß? Vielleicht schafft Jones als Trainerin, was ihr als Spielerin verwehrt geblieben ist und ihr Name wird in Zukunft auch auf der Liste der Kandidaten zu finden sein...