Freitag 27 Mai 2016, 03:58

Strahlende Heldinnen und große Trauer bei Lyons Triple-Gewinn

Die Japanerin Saki Kumagai ging in die Geschichte der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ ein, als sie nach einem unvergesslichen Finale von Deutschland 2011 den entscheidenden Elfmeter zum Titelgewinn verwandelte. Solche Situationen stellen sich junge Menschen auf der ganzen Welt in ihren Tagträumen vor. Doch die Chancen darauf, dass dies eines Tages - geschweige denn zweimal -  Wirklichkeit wird, stehen ausgesprochen schlecht. Außer, wenn dein Nachname Kumagai lautet. Am Donnerstag, 26. Mai, schritt die Mittelfeldspielerin von Olympique Lyon einmal mehr zum Punkt, um in einem großen Endspiel den entscheidenden Elfmeter zu treten. Dieses Mal winkte erneut eine reiche Belohnung - der Titel in der UEFA Women’s Champions League.

Zweifellos hat Kumagai jenen Sommerabend von 2011 immer und immer wieder vor ihrem geistigen Auge gehabt. Vielleicht half ihr am Ende einer erneuten Galanacht für den Frauenfussball in Reggio Emilia die Erfahrung, exakt das gleiche Szenario schon einmal erlebt zu haben, um die Nerven zu behalten und kaltblütig zu verwandeln. Zum Leidwesen der Wolfsburger Spielerinnen, die untröstlich der verpassten Chance nachtrauern mussten.

Alexandra Popp hatte für den DFB-Pokalsieger zwei Minuten vor dem Ende den 1:1-Ausgleich erzielt, nachdem Ada Hegerberg die Französinnen in der 12. Minute in Führung gebracht hatte. Der insgesamt 13. Treffer der norwegischen Stürmerin bescherte ihr die Auszeichnung als erfolgreichste Torschützin des Wettbewerbs. Schon in der französischen Meisterschaft war sie Torschützenkönigin geworden.

Bis zum Elfmeterschießen war die Partie nahezu eine Kopie der spannenden Begegnung der beiden Nationen bei der Frauen-WM im letzten Jahr. Wie in Montreal war die französische Mannschaft optisch überlegen, ohne daraus zählbaren Nutzen zu schlagen. Die Deutschen wiederum erwiesen sich wie so oft als widerstandsfähig und wurden dafür mit dem späten Ausgleichstreffer durch Popp belohnt.

Kumagais entscheidender Versuch war zusammen mit den zwei Glanzparaden von Sarah Bouhaddi im Elfmeterschießen nur ein Teil eines abwechslungsreichen Duells. Beide Mannschaften strebten einen dritten Titel an, um zum erst zweiten Verein hinter dem 1. FFC Frankfurt zu avancieren, dem dieser Coup schon vier Mal gelungen ist. Mehrere Spielerinnen standen ihrem jeweils ehemaligen Klub gegenüber. Lyon sagte in dieser Partie gleich drei ihrer großen Superstars Lebewohl, denn Lotta Schelin, Amandine Henry und Louisa Necib werden den Verein verlassen.

Tränen und Freude So verwunderte es nicht, dass vor der großen und bunten Zuschauerkulisse viele Emotionen im Spiel waren. Dem Publikumsliebling Lotta Schelin gelang trotz der Freudentränen nach dem Spiel ihr typisches strahlendes Lächeln, nachdem sie ihre acht überaus erfolgreichen Jahre bei OL mit einem weiteren Titelgewinn krönen konnte.  "Ich wollte nach 90 Minuten gewinnen, doch dieses Szenario ist am Ende noch schöner", sagte die Schwedin. "Wir wussten selbst während des Elfmeterschießens: das ist unser Tag. Ich habe noch nie solche Gefühle erlebt wie nach dem verwandelten Elfmeter von Saki."

Auch Hegerberg feierte im Anschluss an das spannende Finale ausgelassen, obwohl sie ihre bestechende Form ausgerechnet im Elfmeterschießen verließ und sie ihren Versuch vergab. "Es ist wohl der schönste Tag meines Lebens", sagte die Norwegerin. "Wir waren ein wenig verärgert darüber, zwei Minuten vor dem Ende noch ein Tor zu kassieren. Es ist schwer, sich davon mental zu erholen. Ich bin sehr stolz auf das, was wir in dieser Saison erreicht haben."

Lyon kann sich nun über den Triple-Gewinn freuen, nachdem das Team in der heimischen Meisterschaft zum fünften Mal in Folge den Titel holte. Die Wolfsburgerinnen können sich immerhin mit dem Gewinn des DFB-Pokals trösten. "Wir haben das Spiel dank unserer Mentalität bis zum Ende offen gehalten. Wir haben alles gegeben, was wir hatten, um auf dem Rasen dieses Team mit seinen großartigen Qualitäten zu bekämpfen", sagte der Wolfsburger Trainer Ralf Kellermann. "Wir sind stolz auf unsere Leistung, aber natürlich ist das in diesem Moment sehr schmerzhaft."

Bemerkenswert ist die Statistik, dass es die neunte Auflage des Wettbewerbs in Folge war, in der ein deutsches Team im Finale stand. Und die drei Endspiele, in denen nicht ein deutscher Vertreter die Oberhand behielt, wurden von Lyon gewonnen.

Das letzte Wort gebührt natürlich Kumagai. "Ich trainiere das, die Elfmeter so zu schießen . Ich will immer zuerst sehen, was die Torhüterin in einer solchen Situation macht", erklärte sie. "Wir haben uns vor dem Spiel geschworen, dass wir für uns gewinnen wollen, aber besonders auch für sie . Es ist uns gelungen, unsere Emotionen im Zaum zu halten und von der ersten bis zur letzten Minute konzentriert zu bleiben. Jetzt sind wir einfach glücklich."