Donnerstag 23 Februar 2017, 06:01

Tan Ruyin glänzt in Chinas Mittelfeld

Als Andrea Pirlo 2006 die italienische Nationalmannschaft bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft in Deutschland zum Titelgewinn führte, war sein Name bei den Fans in der VR China in aller Munde. Auch elf Jahre später liest man in den chinesischen Medien immer wieder den Namen Pirlo, diesmal allerdings meist bei Vergleichen mit einer Nationalspielerin des Landes.

Dabei geht es um die erst 22-jährige Tan Ruyin, die sich im zentralen Mittelfeld der Chinesinnen in den vergangenen Jahren als eine der größten Entdeckungen etabliert hat. Bei der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Kanada 2015™ stand sie in allen vier Partien ihres Teams bis ins Viertelfinale in der Startaufstellung und auch beim Fussballturnier der Frauen 2016 in Rio der Janeiro erreichte sie mit der VR China wieder das Viertelfinale. Dort etablierte sie sich mit ihren bemerkenswerten Leistungen auch endgültig als neuer Star.

Sie begeisterte das Publikum in Brasilien und rund um die Welt mit Kreativität, Überblick und perfekter Ballbehandlung. Besonders denkwürdig war ihr erster Treffer für die Nationalmannschaft im Spiel gegen Südafrika. Mit ihrem Distanzschuss überraschte sie damals Gegnerinnen wie Zuschauer gleichermaßen. Es lief das zweite Gruppenspiel der Chinesinnen im Olympiastadion von Rio de Janeiro. Ihre Auftaktpartie hatten sie mit 0:3 gegen Gastgeber Brasilien verloren. In der Schlussphase führten die Schützlinge von Nationaltrainer Bruno Bini knapp mit 1:0 und die Südafrikanerinnen warfen alles nach vorn, um noch zum Ausgleich zu kommen. In dieser Situation sorgte Tan plötzlich auf unerwartete Weise für die Entscheidung. Im Mittelkreis fing sie einen Ball ab, legte ihn sich etwas vor und jagte die Kugel dann aus gut 40 Metern an die Unterkante der Latte, von wo aus sie ins Tor sprang. Die chinesischen Medien schrieben angesichts der perfekten Schusstechnik voller Begeisterung von ‘"Lady Pirlo".

"Vor der Partie hatte der Trainer mich motiviert, endlich mein erstes Länderspieltor zu schießen", erinnert sich die Spielerin im Gespräch mit FIFA.com an den denkwürdigen Treffer. "Er meinte, ich solle es ruhig auch mit Distanzschüssen versuchen. Als ich dann an den Ball kam, sah ich die gegnerische Torhüterin und dachte mir, dass ich es mit einem Heber versuchen könnte. 'Los, versuche es!', sagte ich mir selbst. Ich zog ab und der Ball landete im Tor. Natürlich habe ich mich sehr gefreut, dass mein erstes Tor so ein schönes war", so Tan weiter, die im vergangenen Jahr zu den drei Nominierten bei der Wahl von Asiens Fussballerin des Jahres gehörte. "Ich bin allen in meinem Umfeld für die vielen Glückwünsche und das Lob dankbar. Aber ich muss noch viel trainieren, um eine wirklich gute Spielerin zu werden. Also werde ich weiterhin hart arbeiten und versuchen, konstante Fortschritte zu machen."

Entdeckung bei der U-20-WM Tan stammt aus Guangdong, einer Hochburg des chinesischen Fussballs. Schon als kleines Mädchen war sie vom schönsten aller Spiele begeistert. Sie war großer Fan der Nationalmannschaft und sicherte sich schon früh ein Autogramm von ihrer Lieblingsspielerin Pu Wei, die 1999 mit Chinas Goldener Generation in den USA Vizeweltmeisterin geworden war.

Tan eiferte ihrem Idol voller Begeisterung nach und schaffte schon bald den Sprung in die Nachwuchs-Nationalmannschaft. Bei der FIFA U-20-Frauen-Weltmeisterschaft Kanada 2014 stand sie in allen drei Spielen der Chinesinnen in der Startaufstellung und wurde beim denkwürdigen Unentschieden im Zehn-Tore-Thriller gegen Deutschland zur besten Spielerin der Partie gewählt. Zwar verpassten die Chinesinnen den Sprung in die zweite Runde, doch Tan zeigte sich nach ihrer internationalen Feuertaufe dennoch zufrieden.

"Die U-20-Frauen-WM in Kanada war für mich sehr wichtig", meint sie. "Dort hatte ich zum ersten Mal die Möglichkeit, bei einem Weltturnier gegen die Top-Teams und die besten Spielerinnen der Welt anzutreten. Ich konnte ihre Spielweise beobachten und viel Erfahrung sammeln, die in meine weitere Entwicklung einfloss. Außerdem habe ich dort gelernt, wie man Gegner analysiert und wie man die taktischen Anweisungen der Trainer umsetzt."

Mit Blick auf den bevorstehenden Algarve Cup 2017 deutete Tan bereits an, auch 2017 für Furore sorgen zu wollen. "Natürlich werden wir dort versuchen, so gut wie möglich abzuschneiden. Doch noch viel wichtiger ist, dass uns dieser Wettbewerb die Gelegenheit gibt, uns mit starken ausländischen Teams zu messen und dabei wertvolle Erfahrung zu sammeln."

Und ihr persönliches Ziel? "Ich hoffe, dass ich meinem Team stets helfen und gleichzeitig den Gegnerinnen viel Kopfzerbrechen bereiten kann", so Tan mit einem vielsagenden Blitzen in den Augen.