Montag 27 August 2018, 13:50

O'Sullivan und Wales noch ohne Gegentor

  • Laura O'Sullivan hat in der WM-Qualifikation noch kein einziges Gegentor kassiert

  • Wales liegt in Qualifikationsgruppe 1 vor England

  • O'Sullivan erzählte FIFA.com den unglaublichen Verlauf ihrer Karriere

Die nackten Zahlen sind bestens geeignet, jeden Torhüter vor Neid erblassen zu lassen: 810 Spielminuten absolviert, 0 Tore kassiert! Sie wären schon beeindruckend genug, wenn sie von einer gut ausgebildeten und etablierten Torhüterin aus einer führenden Frauenfussballnation stammen würden. Doch der Hintergrund von Laura O'Sullivan ist ein ganz anderer und daher sind diese Zahlen tatsächlich fast unglaublich.

O'Sullivans bisherige Bilanz: Qualifikation für die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ und die UEFA EURO der Frauen

9 Qualifikationsspiele 810 Spielminuten 0 Gegentore kassiert 21 Punkte gewonnen

Während dieser bemerkenswerten Serie spielte O'Sullivan zwei Mal gegen Russland, blieb selbst auswärts in England ohne Gegentor und wurde in ihrem Land zur Spielerin des Jahres gewählt.

Dabei hat sie diese herausragende Leistung nicht mit der Nationalmannschaft von Deutschland, Frankreich oder Schweden vollbracht, sondern mit Wales – einem Land, das noch nie bei einem großen Turnier dabei war.

Nicht zuletzt dank der zahlreichen weißen Westen der Torhüterin liegen die Waliserinnen derzeit in Gruppe 1 der WM-Qualifikation für Frankreich 2019 vor England, das am kommenden Spieltag in Wales antreten muss.

Und es wird noch beeindruckender: Die 27-Jährige hat all diese Erfolge erreicht, obgleich sie nur in ihrer Freizeit Fussball spielt. Denn tagsüber arbeitet sie für ein walisisches Ausbildungsunternehmen. Und selbst damit ist noch nicht die ganze ebenso unglaubliche wie inspirierende Erfolgsgeschichte erzählt.

Im Interview mit FIFA.com verriet O'Sullivan: "Ich habe erst ziemlich spät mit dem Fussball angefangen und spielte zuerst in der Verteidigung. Dann habe ich sogar ganz aufgehört, denn ich war extrem schüchtern und fand es sehr schwer, mich richtig einzubringen, um ehrlich zu sein."

"Aber ab und zu kam ich vorbei, um dem Team beim Training zuzusehen. Einmal verletzte sich die Torhüterin und man fragte mich 'Willst du mitspielen?' Ich habe den Fussball schon immer geliebt, also sagte ich ja. Aber zunächst hat mir auch das eigentlich nicht sehr viel Spaß gemacht, denn ich wollte lieber stärker ins Spiel eingebunden sein. Ich hatte nicht mehr im Tor gespielt, seit ich ein Kind war und mein Bruder mich immer ins Tor stellte, wenn wir auf der Straße spielten. Doch mit der Zeit begann es mir mehr Spaß zu machen und ich wurde langsam auch besser."

Die Rückkehr zum Fussball, den sie schon fast aufgegeben hatte, und ihr schicksalhafter Positionswechsel liegen gerade einmal vier Jahre zurück. Dass O'Sullivan es in dieser kurzen Zeit ziemlich weit gebracht hat, wäre eine enorme Untertreibung. Ihr Aufstieg im internationalen Fussball und ihre Fortschritte abseits des Feldes sind rundum bemerkenswert.

"Das alles passierte unglaublich schnell", gibt sie gern zu. "Und es war eine der besten Erfahrungen meines Lebens. Ich hätte mir nie träumen lassen, eines Tages im internationalen Fussball zu spielen .Es ist für mich daher etwas ganz Besonderes, heute für Wales zu spielen und dabei auch noch so gut abzuschneiden."

"Ich bin auch weit aus meinem Schneckenhaus hervorgekommen. Der Verlauf meiner Fussballkarriere und das Vertrauen, das die Leute um mich herum in mich setzen, hat dazu massiv beigetragen. Und auch dass ich eine Torhüterin bin, ist ein wichtiger Faktor. Denn die Kommunikation ist auf dieser Position ganz besonders wichtig. Ich musste mich also immer wieder selbst antreiben, um diesen Job gut zu machen."

In den durchdachten und selbstbewussten Antworten ist von der früheren Schüchternheit nichts mehr zu entdecken. Und auch mit ihren Leistungen auf dem Feld beweist die Torhüterin ihr mittlerweile erstarktes Selbstvertrauen. Nachdem Wales einen Punkt aus England entführte, wobei O'Sullivan zur besten Spielerin der Partie gewählt wurde und von der walisischen Torhüterlegende Neville Southall in höchsten Tönen gelobt wurde, kann nun eine weitere Weste für Wales das Ticket zur WM bedeuten.

"Ich hätte niemals erwartet, zu diesem Zeitpunkt noch kein Tor kassiert zu haben", gibt die Schlussfrau unumwunden zu. "Doch natürlich haben wir schon vor Beginn der Qualifikation davon gesprochen, wie wichtig es ist, ohne Gegentor zu bleiben. Damals lagen wir in der Weltrangliste nur auf Platz 35. Es war klar, dass wir den Gegnerinnen das Leben so schwer wie möglich machen mussten. Wir wussten, dass wir Gegentore so weit wie irgend möglich vermeiden mussten. Und ich denke, auf unsere bisherige Bilanz können wir alle recht stolz sein."

"Wir sind in einer deutlich besseren Position als wir erwartet hatten. Und jetzt, wo wir schon so weit gekommen sind, wollen wir uns die Chance auf keinen Fall entgehen lassen. Das Spiel gegen England ist für Wales eine Riesensache und schon seit Wochen ausverkauft."

"Wir sind zwar in der Position des Außenseiters, denn wir spielen gegen eine der besten Mannschaften der Welt, aber es wäre einfach riesig für den Frauenfussball, wenn wir das hier hinkriegen. Ich denke, dass würde eine ganze Menge ändern. Wir verschieben im Moment die Grenzen und das Interesse wächst beständig. Aber wenn wir es zu einem großen Turnier schaffen, dann wäre das noch einmal eine ganz andere Sache."

Und zudem wäre eine WM-Teilnahme auch ein angemessener Höhepunkt für den märchenhaften Aufstieg der walisischen Torhüterin.