Freitag 07 Dezember 2018, 08:50

Morgan: "Ich bin in der besten Form meiner Karriere"

  • Alex Morgan war 2018 einer der Topstars im Frauenteam der USA

  • Sie ist nun Spielführerin und steht kurz vor ihrem 100. Länderspieltor

  • Morgan sprach im Vorfeld der Auslosung der FIFA Frauen-WM Frankreich 2019 mit FIFA.com

Alex Morgan gehört schon seit vielen Jahren zu den Topstars im Frauenfussball. Mit nunmehr 29 Jahren steht sie kurz vor ihrer dritten WM-Teilnahme und spielt besser als je zuvor.

Dies untermauern auch die Zahlen und Statistiken für das laufende Jahr. In ihren 19 Länderspieleinsätzen im Jahr 2018 brachte sie es auf 18 Tore und drei Vorlagen. Und immer, wenn es darauf ankam, war die U.S.-Amerikanerin zuverlässig zur Stelle und glänzte ganz besonders.

So beispielsweise bei der CONCACAF-Frauen-Meisterschaft im Oktober, als es nicht nur um den kontinentalen Titel, sondern auch um die WM-Teilnahme ging. Morgan war kaum zu bremsen und brachte es auf sieben Tore in fünf Spielen – drei davon im Halbfinale und im Finale. Damit sicherte sie sich den Goldenen Schuh des Turniers und trug maßgeblich zu der nahezu perfekten Turnierbilanz ihres Teams bei.

Mit ihrer herausragenden Form war die Stürmerin ein wichtiger Erfolgsfaktor und trug zur Überwindung des Formtiefs bei, in das der Weltmeister nach dem Titelgewinn bei der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2015™ geraten war. Mittlerweile haben die USA dieses Formtief hinter sich gelassen und sind wieder stark wie eh und je. 2018 blieben sie in allen 20 Länderspielen unbesiegt und kassierten nahezu 15 Stunden lang kein einziges Gegentor.

Entsprechend gut gelaunt zeigte sich Morgan im Interview mit FIFA.com, in dem sie über ihre eigene Entwicklung und die des Teams im Vorfeld der kommenden FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ sprach.

Alex, 2018 war für Sie und für das Team ein fantastisches Jahr. Passt nun wieder alles zusammen, nachdem es einige Zeit für die USA und auch für Sie persönlich nicht so rund lief? Auf jeden Fall. Nachdem es bei den Olympischen Spielen nicht nach unseren Vorstellungen gelaufen war, mussten wir einen Neuaufbau einleiten und als Team wieder neu zusammenwachsen. Im Jahr darauf ging es also um die Verjüngung. Der Trainerstab hat neue Talente ins Team integriert und jungen Spielerinnen die Möglichkeit gegeben, Teil der Mannschaft zu werden. In dieser Zeit waren unsere Leistungen naturgemäß oft nicht so gut. Das war zwar frustrierend, doch es war ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin, wo wir heute stehen. Jetzt sind wir in einer großartigen Position. Ich bin sehr zufrieden mit dem Verlauf und dem Erfolg. Wir sind allerdings noch nicht perfekt. Es gibt noch ein paar Baustellen. Somit werden die nächsten sechs Monate ziemlich wichtig. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir nach dieser Zeit großartig und formstark dastehen werden.

Sie selbst sind jedenfalls in absoluter Topform und haben derzeit eine Torquote von einem Treffer pro Spiel. Mit 29 Jahren sind sie in dem, was man gemeinhin als bestes Fussballeralter bezeichnet. Sehen wir derzeit die beste Alex Morgan aller Zeiten? Das vergangene Jahr hat mir definitiv sehr viel Spaß gemacht, insbesondere in der Nationalmannschaft. Ich fühle mich in der Mannschaft sehr wohl und habe das Gefühl, dass meine Rolle noch nie so wichtig war. Ich freue mich, dass ich Spielführerin geworden bin und nehme diese neue Rolle mit Freude an. Ja, ich denke, ich bin in der besten Form meiner Karriere. Trotzdem versuche ich immer, mich noch weiter zu verbessern und ich habe auch das Gefühl, dass ich sogar noch mehr beitragen kann.

Sie sprachen schon die Kapitänsbinde an. War es für Sie ein logischer Schritt, auf und abseits des Feldes noch stärker eine Führungsrolle einzunehmen? Das ist eine gute Frage. Die ehrliche Antwort lautet, dass ich es nicht weiß. Wenn sich die Rolle ändert, dann passt man sich daran an und entwickelt neue Stärken, um dieser neuen Verantwortung gerecht zu werden. Aber ob es tatsächlich eine logische Entwicklungsrichtung war, kann ich nicht sagen.

Hatten Sie nach dem Rücktritt von Abby Wambach das Gefühl, auf jeden Fall mehr Verantwortung übernehmen zu müssen? Abby hat jedenfalls eine große Lücke hinterlassen, das lässt sich nicht anders sagen. Sie war die Stimme des gesamten Teams und sie hatte eine enorme Präsenz, wenn sie einen Raum betrat. Dass sie nun fehlt, spüren wir alle sehr deutlich, das kann man sicher sagen. Doch die Mannschaft hat sich seitdem weiter entwickelt. Ich würde nicht sagen, dass jemand genau die Rolle übernommen hat, die Abby innehatte. Aber jede Spielerin hat die Rolle übernommen, die nötig war, damit wir als Team funktionieren. Das soll allerdings nicht heißen, dass wir es nicht begrüßen und akzeptieren würden, wenn jemand mit einer ähnlichen Persönlichkeit wie Abby käme und ihre Rolle übernähme. Aber eine solche Spielerin haben wir derzeit im Team nunmal nicht und ich weiß auch nicht, ob dies je wieder der Fall sein wird.

Sie stehen zwei Treffer vor Ihrem 100. Länderspieltor für die USA. Motivieren Sie solche Zahlen und Rekorde? Ich habe gemerkt, dass etwas, was für mich funktioniert, nicht unbedingt auch für andere funktioniert. Ich habe mal etwas über Zlatan gehört, der mit meinem Mann zusammen spielt (Morgan ist mit Servando Carrasco verheiratet, einem Teamkameraden von Ibrahimovic bei LA Galaxy). Er hat offenbar ein fotografisches Gedächtnis und kann sich ganz genau an jedes einzelne seiner Tore erinnern: wer ihm den Ball zugespielt hat, wo er gerade positioniert war und so weiter. Ich bin da ganz anders. Ich denke nicht an die Tore, die ich erzielt habe und auch nicht an die, die noch kommen. Ich merke immer wieder, dass mir das Toreschießen besser gelingt, wenn ich mich voll und ganz auf das Team konzentriere und gar nicht an die Tore denke.

Heute liegt Ihr Tor im Finale der FIFA U-20-Frauen-WM 2008 genau zehn Jahre zurück. Damals haben Sie zum ersten Mal große Aufmerksamkeit erregt. Ist Ihnen bewusst, dass das schon ein Jahrzehnt her ist? Welche Erinnerungen haben Sie an dieses Tor? Es fühlt sich an, als wäre es viel länger her! Aber dieses Turnier war fantastisch. Ich habe sehr gute Erinnerungen daran. Es war mein erstes großes Turnier mit der Nationalmannschaft. Es hat mir riesigen Spaß gemacht und es war sehr aufregend für mich, denn vorher hatte man mich eigentlich nicht als Stürmerin gesehen, die die wirklich wichtigen Treffer für das Team beisteuern konnte. Außerdem wurde damals auch Pia [Sundhage, die damalige Nationaltrainerin der USA] auf mich aufmerksam. Sie hat mich schon im Jahr darauf in die A-Nationalmannschaft geholt. Das war also für meine Karriere ein wirklich sehr wichtiges Turnier.

Sie stehen kurz vor ihrer dritten WM-Teilnahme und kennen das Gastgeberland besser als viele Ihrer Teamkameradinnen, weil Sie eine Zeitlang für Lyon gespielt haben. Wie empfinden Sie diese Erfahrung? Es war toll! Das war ein sehr wichtiger Schritt für mich. Ich habe dort eine neue Spielweise kennen gelernt. In gewisser Weise habe ich sogar meine Liebe zum Fussball dort neu entdeckt, denn es war für mich eine ganz neue Herausforderung, wie ich sie nie zuvor erlebt hatte. Natürlich ist es auch eine Herausforderung, angesichts all der vielen Talente meinen Platz im Team der USA zu bewahren. Man hat stets das Gefühl, dass man seinen Platz verlieren könnte, wenn man nicht in jedem Moment sein Bestes gibt, Tag für Tag. Der Wechsel zu Lyon, wo ich mit vielen der besten Nationalspielerinnen aus verschiedenen Ländern gespielt habe, war eine großartige Herausforderung für mich und eine fantastische Erfahrung. Natürlich war es am Anfang nicht ganz leicht, sich anzupassen. Ich musste alles sehr schnell schaffen, denn ich war ja nur für relativ kurze Zeit dort. Aber es hat mir wirklich sehr gefallen und ich habe genau das dort gefunden, was ich gesucht und gebraucht habe.

Wie sehen Sie dem Turnier entgegen, bei dem Frankreich Gastgeber ist? Für mich ist es jedenfalls ganz besonders aufregend, weil das Halbfinale und das Finale in Lyon ausgetragen werden. Das ist ein fantastisches Stadion und eine tolle Stadt. Ich habe ein halbes Jahr lang mitten im Zentrum gelebt. Für diese Spiele dorthin zurückzukehren, ist ein tolles Ziel. Und ich bin ganz sicher, dass Frankreich ein fantastisches Turnier ausrichten wird, denn der Frauenfussball ist auch dort mächtig im Aufwind und entwickelt sich enorm.

Es wird immer wieder vom 'Fluch des Meisters' gesprochen, weil viele Titelverteidiger teils spektakulär scheitern, insbesondere bei der WM der Männer. Auch die richtige Motivation scheint ein Problem zu sein. Sehen Sie das auch in Bezug auf die USA als Problem? Haben Sie sich damit bereits beschäftigt? Ich denke, dass die erfahrenen Spielerinnen im Kader noch sehr lebhafte und sehr gute Erinnerungen an 2015 haben. Es war ein fantastisches Turnier für uns. Wir hatten eine tolle Zeit in Kanada, die wir nie vergessen werden. Ich mache mir allerdings keine allzu großen Sorgen, denn seit 2015 sind sehr viele neue Spielerinnen ins Team gekommen. Für viele in unserem Kader ist es die erste WM. Diese jungen Spielerinnen bringen eine große jugendliche Energie und Entschlossenheit mit, die auf uns Veteraninnen sehr ansteckend wirkt. Ich sehe das Problem zwar, doch während wir in den Medien und in der Öffentlichkeit als 'Titelverteidiger' gesehen werden, ist es eigentlich eine völlig neue Herausforderung mit einem runderneuerten Team und einer ganz neuen Dynamik. Ein Mangel an Erfolgshunger wird jedenfalls kein Problem sein.