Dienstag 19 Oktober 2021, 01:14

Părăluță: "Das rumänische Nationalteam ist wie meine zweite Familie"

  • Rumänien ist in der Qualifikation für die FIFA Frauen-WM bisher unbesiegt

  • Ein Großteil des Teams spielt schon seit Jahren zusammen

  • Rumänien hat sich noch nie für ein großes Turnier qualifiziert – Die Torhüterin träumt davon, es dieses Mal zu schaffen

Bei einer handballverrückten Mutter und einem fussballbesessenen Onkel war eigentlich schon früh klar, dass Andreea Părăluță einmal Sportlerin werden würde. Seit ihren Kindertagen hegte sie eine Liebe für beide Sportarten und entschied sich dank ihrer Schwester für den Lieblingssport ihres Onkels. "Mir hat es unheimlich viel Spaß gemacht, mit den anderen Kindern auf dem Schulhof Hand- oder Fussball zu spielen. Meine ältere Schwester fand dann den Verein für mich, bei dem ich in Rumänien mit dem Fussballspielen angefangen habe", erzählt sie FIFA.com. "Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem sie mir sagte, ich solle im Verein Fussball spielen gehen und ich antwortete nur 'Bist du verrückt geworden?'. Sie ließ nicht locker und als ich dann hinging, hat es mir sofort sehr viel Spaß gemacht, auch wenn ich in Turnschuhen dort ankam und der Trainer mit mir erst einmal Fussballschuhe kaufen musste. Aber von diesem Moment an habe ich nie mehr damit aufgehört", erzählt uns die 26-jährige Torhüterin, die jetzt schon ihre fünfte Saison in Spanien spielt, davon zwei bei Atlético Madrid und jetzt die dritte bei UD Levante.

Neue Hoffnung

Dies alles erzählt sie uns mit einem Lächeln, das sie nach einigen schweren Monaten wieder zurückgewonnen hat. Zuerst wurde sie durch eine Verletzung am Ellenbogen und dann durch eine Pandemie zurückgeworfen, die sich so niemand hätte vorstellen können. "Im Mai 2020 wurde ich operiert, die Verletzung hatte ich mir jedoch schon im März, gleich zu Beginn der Pandemie, beim Nationalteam zugezogen. Ich war verletzt, musste aber warten, bis sich die Situation etwas gebessert hatte, wurde dann operiert und brauchte drei Monate für die Genesung. Es war ein Jahr voller Höhen und Tiefen, mit Schmerzen und Angst vor dem Wiederaufbrechen der Verletzung, in dem ich nie meine Topform erreichen konnte", erzählt Andreea. In der Saison 2021/2022 hat sich all dies geändert: "Jetzt geht es mir gut und ich bin sehr zufrieden. Die Verletzung ist auskuriert, ich bin bei 100 Prozent und habe keine Schmerzen mehr. Ich bin in der Form wie vor meiner Verletzung", erzählt uns Andreea, die in den fünf Partien, die sie diese Saison gespielt hat, noch ohne Gegentreffer geblieben ist. Besonders wichtig waren dabei die beiden Heimsiege gegen Litauen und Kroatien in der Qualifikation für FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Australien/Neuseeland 2023™. Zwei Siege, durch die die Rumäninnen punktgleich mit Italien und der Schweiz die Gruppe G anführen. "Ich habe mir diese Siege erhofft und insgeheim auch damit gerechnet. Wir kannten die Gegnerinnen aus der Qualifikation für die Europameisterschaft und wussten, wie wir uns auf die Partien vorzubereiten hatten. Wir haben eine sehr schwere Gruppe und mit sechs Punkten zu starten gibt uns einen Extraschub Motivation und das nötige Selbstvertrauen für das Spiel gegen die Schweiz, einen der Topfavoriten auf den Gruppensieg", ergänzt sie. Im Spiel gegen die Schweiz werden die Rumäninnen auf alte Bekannte treffen: Nämlich den Gegner, der ihnen in der Qualifikation für die UEFA EURO der Frauen 2022 den Traum vom ersten großen Turnier zerstörte, auch wenn Andreea glaubt, dass es dieses Mal anders sein wird: "Ich konnte vor zwei Jahren wegen einer Verletzung nicht spielen und im zweiten Spiel hatten wir sehr viele Ausfälle zu beklagen und waren deshalb ersatzgeschwächt. Jetzt sind wir alle fit und gehen das Spiel mit viel mehr Selbstvertrauen an", ist sie sich sicher.

Bereit für den Kampf

Die Hoffnung auf die erste Teilnahme des Frauen-A-Nationalteams an einem großen Turnier, egal ob Europa- oder Weltmeisterschaft, gibt man in Rumänien nie auf. So beschreibt es Andreea: "Wir haben unsere Chance. Wir werden alles geben, um diese Spiele zu gewinnen und bis zum Schluss die Möglichkeit zu haben, uns zu qualifizieren. Italien wird ein weiterer schwerer Gegner sein, aber die Italienerinnen haben sich immer schwer damit getan, gegen uns zu gewinnen. Sie haben Respekt vor uns und sehen uns als Gegnerinnen, gegen die es schwer wird, zu gewinnen." Außerdem haben die Rumäninnen in dieser Qualifikation einen ganz besonderen Vorteil auf ihrer Seite: Sie sind ein Team, das sich schon sehr lange kennt und eine klare Spielphilosophie hat. So sieht es auch Andreea: "Wir spielen schon sehr viele Jahre zusammen. In Rumänien gibt es nicht so viele Spielerinnen wie in Frankreich oder Spanien, deshalb gibt es auch kaum Veränderungen in den Berufungen. Wir sind fast immer dieselben Spielerinnen im Team, was ein Vorteil für uns ist. Wir kennen uns und jede Einzelne kennt die Bewegungsabläufe aller Mitspielerinnen..." Das Nationalteam ist wie eine Familie und für Andreea hat dies eine ganz besondere Bedeutung. Sie ging 2016 im Alter von 21 Jahren nach Spanien und die Zeit beim Nationalteam bedeutet für sie seitdem auch, nach Hause zu kommen. "Ich kann die ganzen Emotionen gar nicht beschreiben. Ich liebe das Nationalteam und komme dort immer mit meiner zweiten Familie zusammen. Zu Beginn meiner Zeit im Ausland war die Rückkehr immer auch wie eine frische Brise und ein Zufluchtsort. Das Nationalteam bedeutet mir sehr viel und es erfüllt mich mit Stolz, unser Trikot tragen zu dürfen."

Romania women's team after a match

Unterstützung durch den Verband

Im Kampf um die WM-Teilnahme erfährt das Nationalteam alle erdenkliche Unterstützung durch den rumänischen Fussballverband FRF: "Sie sind bemüht, ständig neue Programme zu erstellen. So gibt es zum Beispiel im Frauenfussball immer mehr Ligen", erzählt Andreea und erwähnt dabei ein wichtiges Detail: "Im FRF gibt es die Regel, dass alle Vereine mit Männer-Mannschaften mindestens ein Frauenteam im Jugendbereich haben müssen. In einigen Jahren wird es sogar zur Pflicht werden, ein Frauenteam aufzustellen." Diese Besonderheit bringt sie zu folgendem Schluss: "Dies wird der Entwicklung des Frauenfussballs in Rumänien helfen. Es gibt viele Mädchen, die gerne Fussball spielen würden, aber nicht wissen, wo", erzählt sie uns und erklärt uns auch ihre Ansicht über eine weitere zentrale Aufgabe des Frauen-Nationalteams: "Zu unseren Spielen kommen viele Mädchen, wir machen dann immer Fotos und sprechen mit ihnen. Das freut sie ungemein. Mich überrascht, dass so viele Mädchen zugucken, denn in den letzten Jahren war das nicht immer so. Es freut mich sehr, dass diese kleinen Fans kommen und uns als ihre Vorbilder sehen." Und wo wir gerade bei Thema Fans sind, kommt Andreea wieder auf ihre eigene Familie zurück. Dort sprechen ihre Mutter, der Onkel und die Schwestern nur noch über Fussball: "Ich sage ihnen immer Bescheid, wann ich spiele. Meine Mutter weiß jetzt mehr über Fussball als über Handball", erzählt sie mit einem Lachen. Jetzt, wo die Augen der ganzen Familie auf sie gerichtet sind, hofft Andreea, dass das gesamte Land auch dem Nationalteam mehr Beachtung schenken wird. Dafür wäre es von großer Bedeutung, an diesem großen Turnier teilnehmen zu können, von dem alle träumen: "Wir kämpfen seit so vielen Jahren und wenn wir uns jetzt qualifizieren, wäre das die Erfüllung eines Traums. Wir würden damit Geschichte schreiben. Wir werden hart dafür kämpfen und alles geben", erklärt sie zum Abschluss.

Andreea Părăluță, Romania women's team goalkeeper during a match