Freitag 11 September 2020, 06:34

Dalila Ippolito, eine Argentinierin, die neue Wege beschreitet

  • Mit gerade einmal 18 Jahren ist sie die erste Argentinierin in der italienischen Liga

  • Sie ist auch die erste Spielerin, nach der ein Stadion benannt wurde

  • Mit FIFA.com spricht sie über die Gegenwart, die Zukunft und auch das Nationalteam

Dalila Ippolito befand sich in Quarantäne zu Hause, als sie eine WhatsApp-Nachricht ihres Managers erhielt, der fragte, ob sie Zeit für ein Gespräch habe. Die argentinische Mittelfeldspielerin sondierte gerade Angebote aus dem Ausland, so dass die Frage für sie nicht überraschend kam. Bis sie dann den Videoanruf annahm …

-Hallo, lass mich direkt zum Punkt kommen: Juventus Turin möchte dich verpflichten. Wärst du bereit?

-Was für eine Frage? Was brauchst du? …

Das Gespräch mit weiteren Details zur Transaktion und den Plänen des Vereins mit ihr dauerte nur 20 Minuten. Als es zu Ende war, rief sie "Juventus möchte mich haben!", und zwar so laut, dass es durch alle Straßen von Villa Lugano schallte, dem Viertel von Buenos Aires, wo sie im Alter von sechs Jahren mit dem Fussball begonnen hatte.

"Natürlich hatte ich die Absicht, nach Europa zu wechseln. Aber nun direkt zu einem so großen Verein. Plötzlich saß ich in einem Flugzeug und fragte mich: 'Was mache ich hier?'", gesteht Dalila über Zoom, mit einem Mate-Getränk in der Hand, gegenüber FIFA.com.

Ippolito feierte ihr Debüt am vergangenen Wochenende, als sie zum Auftakt der Serie A 2020/21 eingewechselt wurde. Wenn man sie so hört, scheint es, dass sie das alles schon verarbeitet hat. "Glaub' das bloß nicht, ich kann es immer noch nicht richtig begreifen und muss es immer noch verdauen", merkt sie an.

Die gleiche Direktheit und Frische, die La Enana (die Zwergin) als offensive Mittelfeldspielerin auf dem Feld zeigt, offenbart sie auch abseits des Platzes mit ihren Worten.

"Ich habe es immer gesagt: Noch muss ich verstehen, was Frauenfussball wirklich bedeutet. Bis zur WM hatte ich keine Ahnung, wie sie ihn in Europa leben, wie viel die Mädchen verdienen, was es heißt, davon zu leben. Ich habe jedoch immer davon geträumt. Und nun ist das alles wirklich wahr geworden!"

Der Wendepunkt

Die junge Argentinierin spricht gelassen von ihren Anfängen und vom großen Wendepunkt in ihrer noch kurzen Karriere. "Ich musste nicht leiden so wie andere, die keine Chance bekommen. Ich konnte von klein an spielen. Zunächst mit Jungs, aber mit 13 Jahren bin ich zu River Plate gegangen und dann war alles anders."

Mit 17 Jahren bereits debütierte Ippolito in der ersten Liga und trainierte mit der argentinischen U-20-Auswahl. Dann kam auch schon die Berufung ins A-Nationalteam der Frauen, das sich auf die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Frankreich 2019™ vorbereitete.

Mit ihrer Aufnahme in den 23er-Kader sorgte Trainer Carlos Borrello für eine große Überraschung. Er nahm sie mit, damit sie Erfahrungen sammeln konnte. Dann wurde sie beim Stand von 0:3 gegen Schottland im letzten Gruppenspiel 20 Minuten vor dem Ende eingewechselt. Und damit änderte sich alles.

Diese kurze Zeit reichte aus, um ihr ganzes Potential zu zeigen. Immer wieder forderte sie den Ball, übernahm Verantwortung, schoss selbst aufs Tor oder gab eine Vorlage, wie beim Treffer von Milagros Menéndez, mit dem die historische Aufholjagd der Argentinierinnen begann.

"Ich habe versucht, ohne jeden Druck zu spielen, so wie ich es in meinem Viertel mit meinen Freunden tat", sagte sie nach dem 3:3 gegenüber FIFA.com. "Das gelang mir auch, aber was danach kam, das hatte ich mir nicht vorstellen können", erinnert sie sich heute lachend.

Das 'danach' war ein Wechsel zu UAI Urquiza und beeindruckende Spiele in der Copa Libertadores, so dass sie weiterhin im Fokus stand. Das ging so weit, dass ihr erster Verein, Jóvenes Deportistas de Lugano, sein Stadion nach ihr Dalila Ippolitobenannte, wodurch sie zur ersten argentinischen Fussballspielerin wurde, der diese Ehre zuteil wurde.

"Alles, was mit dem Frauenfussball in Argentinien seit der WM geschieht, ist beeindruckend, und das mit der Benennung des Stadions ist ein großer Erfolg für uns alle, die wir für die Gleichberechtigung kämpfen. Dass es dazu noch dort ist, wo ich anfing, macht es zu etwas ganz Besonderem für mich."

Von Italien zur Auswahl

Ippolito bemerkte rasch die Unterschiede zum Fussball, der in Italien gespielt wurde. "Er ist schneller und physischer. Jedes Training ist wie ein Spiel. Man gibt alles und das gefällt mir. Allerdings muss ich sagen, dass ich überall blaue Flecken habe!"

Wie zu erwarten war, ist das Niveau im Team sehr hoch. "Hier gibt es verschiedene italienische Nationalspielerinnen und wir spielen nicht nur in der Serie A, sondern auch in der Champions League. Das gibt mir ein wenig das Gefühl, bei einer WM zu spielen."

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Das wird auch der argentinischen Auswahl zugute kommen. "Ich denke immer auch an die Auswahl. Das, was ich erlebe, das erfahren auch die anderen Mädchen, die im Ausland spielen. Das wird es uns sicherlich ermöglichen, den Abstand zu den großen Nationen zu verringern", glaubt sie.

Auch der Gedanke, dass die CONMEBOL noch mehr Plätze für die WM 2023 zugesprochen bekommt, denn es wird die erste Endrunde mit 32 Nationen sein, begeistert sie. "Darauf freue ich mich besonders, es ist wie der Sieg bei der Copa América. Wir arbeiten hart und das Ganze wächst immer weiter. Langsam, aber beständig."

Ippolito weiß, dass ihr eine immer wichtigere Rolle zukommt, aber sie nimmt das gelassen auf. "Natürlich zählt die Erfahrung, aber manchmal ist sie auch eine Last. Man muss wissen, wie man sie kontrolliert und wann die Gruppe davon profitieren kann. Ich hoffe schon, dass ich eines Tages ein wichtiger Faktor bin."

Sie akzeptiert es auch, dass sie in Argentinien eine Vorbildfigur im Frauenfussball geworden ist. "Das ist schon toll, wenn man mein Alter bedenkt. Meine Vorbilder waren immer Männer. Ich wollte bei Barcelona spielen wegen Messi.

"Jetzt erhalte ich Hunderte von Nachrichten über die sozialen Netze von Mädchen, die wie ich sein möchten, was natürlich auch Verantwortung bedeutet. Ich muss ein gutes Bild abgeben, darf mich jedoch nicht verbiegen. Ich hoffe, dass mir das gelingt."

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Fragen an Dalila

Was sie mitgenommen hat, damit sie es nicht vermisst? Mate-Tee, eine Playstation und die Anlage mit meiner Musik von Cumbia bis Reggaeton. Nein, in der Umkleidekabine wird meine Musik noch nicht aufgedreht!" (lacht)

Mit welchem Verein sie auf der Playstation spielt? "Mit Barça, wegen Messi, aber auch mit PSG und jetzt mit Juve. Daran gewöhne ich mich gerade. Ich wünsche mir das Frauenteam von Juve!"

Warum sie die Nummer 5 gewählt hat? "Ich hatte weniger interessante Optionen wie die 17, die 99 oder die 27. Ich wusste, dass Zidane mit der 5 gespielt hatte, aber die Zahl gefällt mir, weil das eine klassische Position in Argentinien ist."

Ob sie Cristiano Ronaldo kennen lernen möchte? "Das ist kein absolutes Muss, aber es würde mir schon gefallen. Ich habe übrigens auch Messi vor der Frauen-WM kennen gelernt. Dann könnte ich sagen, dass ich die beiden aktuell besten Spieler der Welt getroffen habe."