Sonntag 08 August 2021, 16:00

Kanadas Triumph bei Spielen wie nie zuvor

  • Neue Stars und viele Überraschungen bei Tokio 2020

  • Kanada besiegt die USA und Schweden und holt als vierte Nation Gold

  • Banda, Miedema, Labbe und Lloyd in den Schlagzeilen

Das Zusammentreffen der besten Spielerinnen bei einem großen Turnier ist immer ein Anlass, der gefeiert und genossen werden sollte. Aber angesichts all dessen, was seit der FIFA Frauen-WM Frankreich 2019™ in der Welt passiert ist, war Tokio 2020 - wenn auch erst im Jahr 2021 - ein besonders bemerkenswerter Triumph.

Es war auch eine Erinnerung daran, dass es inmitten all der Turbulenzen auf der ganzen Welt seit diesem glorreichen französischen Sommer auch im Frauenfussball bedeutende Veränderungen gegeben hat.

Das hätte man zu Beginn des Turniers nicht gedacht, als zahlreiche wohlbekannte Stars - darunter Carli Lloyd, Christine Sinclair und die unverwüstliche Formiga - in den Wettbewerb starteten. Auch das spielerische Niveau, das 2019 einen neuen Höhepunkt erreicht hatte, wurde gehalten, wenn auch in leeren Stadien ohne Fans, die die Aktionen hätten bewundern können.

Doch es gab auch jede Menge Unterschiede, und als Sinclair und Kanada schließlich in Yokohama die Goldmedaille gewannen, war die bislang etablierte Ordnung mächtig durcheinander gerüttelt worden.

Die wichtigsten Partien

Schweden - USA 3:0 Die USA reisten als haushoher Favorit nach Tokio, und das lag nicht nur an ihrem Status als vierfacher Rekord-Olympiasieger und Gewinner der letzten beiden FIFA Frauen-Weltmeisterschaften. Eine Serie von 44 ungeschlagenen Spielen deutete darauf hin, dass die Mannschaft so stark wie eh und je war. Doch der bis dahin als Coach des US-Teams ungeschlagene Vlatko Andonovski musste nicht nur mit ansehen, wie sein Team das Eröffnungsspiel gegen die inspirierten Schwedinnen verlor, sondern auch, wie seine Schützlinge ihre höchste olympische Niederlage einstecken mussten - und die schwerste in einem Turnier seit 2007. Das Spiel gab den Ton für den weiteren Turnierverlauf beider Teams vor.

Großbritannien - Australien 3:4 War dies das beste Spiel des Turniers? Was den Unterhaltungswert angeht, gab es nichts Besseres. Das zum Duell zwischen Ellen White und Sam Kerr, zwei der torgefährlichsten Stürmerinnen des Turniers, hochstilisierte Viertelfinale erfüllte und übertraf die Erwartungen. White hatte es eigentlich nicht verdient, auf der Verliererseite zu stehen, denn sie erzielte in der Partie, die in beide Richtungen hin und her wogte, einen lupenreinen Hattrick. Doch auch Kerr zeigte sich der Situation gewachsen und schnürte einen Doppelpack, als die Matildas den Sieben-Tore-Thriller in der Verlängerung für sich entscheiden konnten.

FIFA COVERAGE - Great Britain v Australia: Women's Football Quarterfinal - Olympics: Day 7

Schweden - Kanada 1:1 (2:3 i.E.) Vor diesem Finale zweifelte kaum jemand am Status der Schwedinnen als eindrucksvollste Mannschaft des Turniers und Favorit auf den Titel. Die makellose Serie von fünf Siegen in fünf Spielen wurde mit Bravour erspielt, und als Stina Blackstenius die Skandinavierinnen in der eher einseitigen ersten Halbzeit in Führung schoss, schien Gold zum Greifen nah. Doch letztlich konnte Kanada vom Elfmeterpunkt Geschichte schreiben: Jessie Fleming erzielte per Strafstoß den Ausgleich und Stephanie Labbe parierte im anschließenden Elfmeterschießen mehrere Schüsse.

Herausragende Spielerinnen

Barbra Banda: Die 21-jährige Sambierin wurde zum Shooting Star von Tokio 2020 und glänzte in der Gruppenphase mit sechs Toren in drei Spielen für die afrikanischen Debütanten. Mit ihrer beeindruckenden Mischung aus Athletik und Können wird sich Banda mit Sicherheit als eine der gefürchtetsten Stürmerinnen im Welfussball etablieren.

Vivianne Miedema: In der gesamten Geschichte des Olympischen Fussballturniers der Frauen hatte keine Spielerin jemals mehr als sechs Tore in einem Jahr erzielt. Die niederländische Torjägerin jedoch schaffte allein in der Gruppenphase acht und verabschiedete sich mit zehn Toren, nachdem sie in einem dramatischen, aber letztlich herzzerreißenden Viertelfinale gegen die USA noch einen Doppelpack geschnürt hatte.

Stephanie Labbe: Die 34-Jährige, die sich nun endlich als Kanadas unbestrittene Nummer 1 etabliert hat, spielte ein Turnier wie aus dem Bilderbuch. Labbe war zweifellos die einflussreichste Spielerin der K.-o.-Runde, die im Elfmeterschießen gegen Brasilien und Schweden glänzte und sogar gegen die USA eine weiße Weste behielt.

Stina Blackstenius: Mit ihrem Tor im Finale wurde die beeindruckende Stürmerin mit insgesamt sieben Treffern (fünf davon in Tokio 2020) zur besten Torschützin ihres Landes bei Olympischen Fussballturnieren der Frauen aller Zeiten. Sie stellte den bisherigen Rekord der legendären Lotta Schelin in den Schatten und wurde nach ihrem Treffer im Endspiel 2016 gegen Deutschland erst die dritte Spielerin - nach den Amerikanerinnen Tiffeny Milbrett und Carli Lloyd -, die in mehreren Spielen um die Goldmedaille ins Netz traf.

Zahlen und Fakten

3 der 6 Spiele der USA bei Tokio 2020 endeten ohne Torerfolg der Amerikanerinnen. Das sind mehr torlose Spiele des Weltmeisters als bei den sechs vorherigen Turnierauflagen zusammen.

4 Nationen haben jetzt das Olympische Fussballturnier der Frauen gewonnen. Kanada ist das jüngste Mitglied in diesem exklusiven Klub. Die anderen sind die USA (4 Titel), Norwegen (1) und Deutschland (1).

20 Jahre ohne einen Sieg gegen die USA - diese Misserfolgsserie Kanadas endete im Viertelfinale Der 1:0-Sieg in Kashima war erst das vierte Mal in 62 Duellen, bei dem die Kanadierinnen die Oberhand behielten.

Jessie Fleming #17 of Team Canada celebrates after scoring

23 Tore – und damit eine unglaubliche Quote von 5,75 Toren pro Spiel – erzielten die Niederlande bei ihrem Olympiadebüt. Damit übertraf der Europameister den bisherigen Rekord, den die USA auf dem Weg zu Gold in London 2012 mit 16 Toren aufgestellt hatten.

Mit 43 Jahren und vier Monaten war Formiga die älteste Spielerin, die je bei einem Olympischen Fussballturnier der Frauen zum Einsatz kam. Sie entthronte ihre frühere Teamkameradin Meg, die bei den Spielen 1996 in Atlanta 40 Jahre und sieben Monate alt war. Besonders bemerkenswert ist auch, dass die herausragende Mittelfeldspielerin an allen bisherigen sieben Olympischen Fussballturnieren der Frauen teilgenommen hat.

101 Tore wurden in Tokio 2020 erzielt und damit ein neuer Rekord für das Olympische Fussballturnier der Frauen aufgestellt. Die bisherige Bestmarke lag bei vergleichsweise bescheidenen 71 Toren und wurde in London 2012 aufgestellt.

312 Einsätze für das US-Frauen-Nationalteam hat Carli Lloyd absolviert. Damit ist liegt sie seit Tokio 2020 vor Christie Rampone. Rekordnationalspielerin ist Kristine Lilly mit 354 Einsätzen. Lloyd wurde außerdem zur olympischen Rekordtorschützin des Teams und übertraf mit ihrem neunten und zehnten Tor bei Olympischen Spielen die bisherige Bestmarke von Abby Wambach.