Freitag 08 Januar 2021, 08:47

Bright: "Renard und Bronze sind meine große Inspiration"

  • Millie Bright wurde in die FIFA FIFPro World11 2020 gewählt

  • Die englische Nationalspielerin von Chelsea spricht über ihre Stellung

  • Auch die WM und der Traum von Olympischen Spielen kommen zur Sprache

Millie Bright gilt als schnörkellos und selbstbewusst - sowohl auf dem Spielfeld als auch in ihren Äußerungen. Mit ihrer typischen Direktheit hat sie sich langsam und unaufhaltsam in die Weltspitze gespielt.

Im vergangenen Monat festigte die Verteidigerin von Chelsea und England ihren Platz in der Spitze noch weiter, als sie in die FIFA FIFPro World11 gewählt wurde. Diese Auszeichnung, die nach einer Befragung von Spielerinnen rund um die Welt vergeben wird, macht das hohe Ansehen deutlich, das sie bei Mitspielerinnen und Konkurrentinnen gleichermaßen genießt.

Dabei schien die heute 27-Jährige zu Beginn keineswegs für solche Höhenflüge vorherbestimmt zu sein. Als Kind verfolgte sie den Fussball allenfalls am Rande und begann erst mit neun Jahren, zu spielen. Selbst als sie mit Anfang 20 bei den Doncaster Belles die ersten zaghaften Schritte im Seniorenfussball machte, hatte sie noch zwei Jobs nebenher.

Der Wendepunkt war ihr Wechsel zu Chelsea 2015, mit dem ihr Aufstieg an die Spitze begann, nachdem Trainerin Emma Hayes in ihr etwas Besonderes sah und seitdem überzeugt ist, dass sie "die Allerbeste werden kann". Dass dies für Bright zum vorrangigen Ziel geworden ist, liegt nicht zuletzt an der Trainerin der Blues und ihrem Einfluss auf und abseits des Spielfelds.

In diesem Interview spricht die Verteidigerin der Lionesses über ihre Ambitionen und Inspirationen, erinnert sich mit bittersüßen Gedanken an die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ und blickt voraus auf die Olympischen Spiele in diesem Jahr.

FIFA.com: Millie, zunächst einmal Glückwunsch zur Wahl in die FIFA FIFPro World11. Was war das für ein Gefühl?

Millie Bright: Es war durchaus eine Überraschung, dass ich es dieses Mal in die Weltauswahl geschafft habe. Ich bin sehr stolz darauf und versuche immer, so gut zu spielen, dass ich nominiert werde. Bei jedem Turnier, bei jedem Spiel versuche ich alles, um herausragende Leistungen zu bringen. Das ist mir jetzt viel bewusster, wo ich mich zur Starspielerin entwickelt habe. Ich hatte es in den vergangenen Jahren schon mehrfach in die FIFPro-Vorauswahl geschafft. Für mich ist diese Auszeichnung etwas ganz Besonderes, denn die Stimmen kommen von den anderen Spielerinnen. Diese Form der Anerkennung von Konkurrentinnen ist das Beste, was es gibt.

Ihr Renommee ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Sind Sie sich dessen bewusst und wollen Sie das fortsetzen?

Ja, hundertprozentig. Ich vergleiche mich immer wieder mit den Allerbesten und habe in den letzten Jahren oftmals auf Wendie Renard geblickt und mich gefragt, wie sie es macht, dass sie stets so erfolgreich ist und immer in der Weltauswahl steht. Für mich liegt es an ihrer beeindruckenden Konstanz. Sie gibt sich nie damit zufrieden, es nach ganz oben geschafft zu haben. Sie will sich auch dort halten und versucht daher stets, sich noch weiter zu verbessern. Sie ist eine tolle Führungsfigur und sorgt in wichtigen Spielen nicht selten für die Entscheidung, sei es mit einem tollen Tor bei einer Standardsituation oder indem sie ihr Team einfach ständig weiter antreibt, auf den Sieg zu drängen. Das versuche ich auch in mein Spiel einzubinden. Ich will zu den Leistungsträgerinnen gehören und das Team antreiben, bei Chelsea und bei England. Ich versuche, auch meine Defensivstärke weiter zu verbessern und durch gelegentliche Vorstöße vielseitiger zu werden. Ich will den Ball besser halten und mehr Tore vorbereiten. Und ich denke, dass ich mich in dieser Hinsicht tatsächlich verbessere. Vor allem will ich natürlich Titel gewinnen und Wendie Renard gewinnt ständig. Daher ist sie für mich ein so gutes Vorbild.

Trotz all ihrer Stärken und Erfolge hat Renard bei der Wahl der The Best - FIFA-Weltfussballerin einer anderen Spielerin den Vortritt lassen müssen, die sie sehr gut kennen. Was können Sie uns zu Lucy Bronze sagen?

Lucy hat diese Auszeichnung absolut verdient, denn sie schuftet an jedem Tag ihrer Karriere hart dafür. Sie hat ja auch selbst in ihrer Rede gesagt, dass sie einfach einen enormen Kampfgeist und Siegeswillen hat. Ich denke, diese Entschlossenheit, herauszuragen und die Beste zu werden, hat eine große Rolle dabei gespielt, dass sie ihr heutiges Niveau erreichen konnte. Wenn es ein perfektes Beispiel dafür gibt, dass man sich stets weiter verbessern kann und sich neue Ziele setzen muss, dann ist es Lucy Bronze. Sie ist definitiv eine Quelle der Inspiration für mich und ich freue mich sehr für sie, denn sie hat es wirklich verdient.

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Es waren zwei Verteidigerinnen unter den letzten Drei und eine von ihnen gewann die Auszeichnung. Träumen Sie davon, eines Tages selbst diesen Preis zu bekommen?

Natürlich habe ich das im Hinterkopf, aber es geht mir dabei mehr um den Entwicklungsprozess. Ich will mich einfach von Tag zu Tag weiter verbessern und so gut werden, wie es nur möglich ist. Wenn mir das gelingt und ich eine immer komplettere Spielerin werde, gibt es keinen Grund, warum ich nicht selbst nach dieser Auszeichnung greifen sollte. Dass Lucy dieses Jahr gewonnen hat, zeigt ja, dass es für Abwehrspielerinnen möglich ist. Aber ich werde mich nicht zu sehr darauf konzentrieren.

Noch eine Frage zu den The Best - FIFA Football Awards: Emma Hayes hat die Auszeichnung als Welttrainerin nur denkbar knapp verpasst. Wie wichtig war Hayes für Sie und was können Sie uns über sie sagen?

Emma ist sicher einer der Gründe, warum ich in den vergangenen Jahren mit so viel Einsatz dabei war. Sie ist eine herausragende Trainerin und auch ein fantastischer Mensch. Sie weiß ganz genau, wie sie das Beste aus den Spielerinnen herausholen kann. Der ganze lange Weg, den wir mit Chelsea in den vergangenen Jahren geschafft haben und all die Erfolge, die wir gefeiert haben - hinter all dem steht Emma als treibende Kraft. Sie ist eine geborene Gewinnerin und schreckt nicht vor Veränderungen zurück, wenn damit Hindernisse auf unserem Weg ausgeräumt werden können. Ihre Entschlossenheit, die Beste zu sein, hat auf mich abgefärbt und mich dazu gebracht, an mich selbst zu glauben und niemals aufzugeben. Sie ist die beste Trainerin, unter der ich je gespielt habe und ich bin wirklich gespannt, wie weit sie dieses Team noch bringen kann.

Sind Sie manchmal selbst überrascht von dem Niveau, das Sie im Fussball erreicht haben, obwohl sie als kleines Kind noch gar nicht gespielt haben und auch gar kein großer Fussballfan waren?

Jedenfalls ist mein Weg ganz schön verrückt. Ich spiele Fussball eigentlich erst, seit ich neun Jahre alt war und es ist noch gar nicht so lange her, dass ich Teilzeitfussballerin war und weit, weit weg von meinem heutigen Niveau. Ich denke immer gern zurück an meine Herkunft und an den Einsatz, den es gekostet hat, um es bis hierher zu schaffen. Ich denke, die Erfahrungen die ich früher gemacht habe, tragen viel dazu bei, dass ich die Spielerin geworden bin, die ich heute bin. Vieles hat sich zum Besseren gewandelt. Als ich anfing, war es keineswegs klar, ob ich tatsächlich eine Karriere im Fussball machen konnte. Heute hingegen wissen die Mädchen, dass alles möglich ist, wenn sie Talent haben und hart genug arbeiten. Jede neue Generation hat die Aufgabe, den Frauenfussball weiter zu bringen und es für die nachfolgende Generation leichter zu machen. Ich denke, dass uns das im Moment ganz gut gelingt.

Einer der treibenden Faktoren für diese Entwicklung sind die Sozialen Medien, in denen in Videoclips das hohe Niveau des Frauenfussballs gezeigt wird. Ihr Traumtor im Community Shield wurde zu einem der besonders viel geteilten und weitergeleiteten Clips. Was können Sie uns darüber erzählen?

Ich glaube, es geht nicht viel besser als ein solches Tor im Wembley-Stadion zu schießen. Noch schöner wäre es natürlich gewesen, wenn Fans auf den Tribünen dabei gewesen wären. Trotzdem war es ein wirklich elektrisierendes Gefühl. Die Mädchen sagen mir oft, dass ich es aus der Distanz versuchen soll. JiJi (Ji Soyun) beispielsweise sagt immer: "Wenn ich den Ball zu dir spiele, dann schieße sofort!" Man braucht nur das richtige Selbstvertrauen dafür. Ich möchte zeigen, dass dies kein Glückstreffer war. Es wäre toll, wenn das zu meinem Markenzeichen würde. Aber natürlich will ich eines Tages sogar ein noch schöneres Tor schießen!

Sprechen wir über die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2019™. Was sagen Sie rückblickend dazu? Sind es bittersüße Erinnerungen, angesichts Ihrer Roten Karte bei der Halbfinalniederlage gegen die USA und der Tatsache, dass Sie bis dahin so stark gespielt hatten?

Ich würde sagen, bittersüß trifft es ganz gut. Zuerst war das vorherrschende Gefühl natürlich die Enttäuschung und der Ärger über mich selbst. Aber je länger ich darüber nachgedacht habe, desto stolzer wurde ich auf den Weg, den wir bei diesem Turnier geschafft haben. Die Rote Karte ist nun einmal passiert, da gibt es Nichts zu beschönigen. So etwas kommt im Fussball eben vor und es ist auch schon vielen anderen passiert. Wenn ich könnte, würde ich es jetzt natürlich anders machen, ich würde meine Emotionen im Zaum halten und mich anders entscheiden, denn ich hätte gar nicht in diesen Zweikampf gehen müssen. Aber ich bin stolz auf das Team, stolz auf meine erste WM-Teilnahme und auf all die Erfolge, die das mit sich brachte. Auch dafür habe ich etwas mehr Zeit gebraucht. Am Anfang war ich einfach zu wütend und hatte nicht das Gefühl, dass wir erfolgreich waren oder Fortschritte gemacht haben. Aber mit etwas mehr Abstand wird dann doch deutlich, was wir geleistet haben.

Die Olympischen Spiele sind das nächste sportliche Großereignis am Horizont. Begeistert Sie die Aussicht, in Tokio Teil des Teams aus Großbritannien zu sein?

Das wäre absolut fantastisch. Ich habe mit einigen Spielerinnen gesprochen, die 2012 dabei waren. Sie alle betonen immer, was dies für ein einzigartiges, unglaubliches Erlebnis war, weil es um so viele verschiedene Sportarten geht und Athleten aus der ganzen Welt zusammenkommen. Diese Aussicht begeistert mich wirklich sehr. Ich arbeite sehr hart, um in Bestform zu sein, damit ich nominiert werde. Ich habe die Olympischen Spiele als Fan immer gern verfolgt. Ganz egal, was für einen Sport man gerade sieht, es ist immer dieses Gefühl: "Oh mein Gott, das sind die Olympischen Spiele." Es gibt dabei eine ganz besondere Atmosphäre - all diese Athleten, die jahrelang trainiert haben, um dorthin zu gelangen. Ich wäre sehr gern einmal dabei.

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