Mittwoch 10 Dezember 2008, 17:24

Rückkehr der USA auf den WM-Thron

Die FIFA U-20-Frauen-Weltmeisterschaft Chile 2008 wird aus mehreren Gründen in die Geschichte eingehen: Zunächst war es das torreichste Turnier der vier bisherigen Auflagen, bei dem sowohl der 300. als auch der 400. Turniertreffer fielen, und es sah nach sechs Jahren erstmals wieder das U.S.-Team auf dem obersten Podiumsplatz. Vor allem aber wird dieses Turnier als ein unvergessliches Erlebnis für Chile, das südamerikanische Ausrichterland, in Erinnerung bleiben.

Die Vergabe dieses WM-Turniers an das Andenland löste bei der chilenischen Regierung ein riesiges Engagement aus, das den kompletten Umbau der vier als Spielstätten vorgesehenen Stadien einschloss. Chiles Fussballverband ANFP machte sich unmittelbar nach Bekanntwerden des diesbezüglichen FIFA-Beschlusses daran, verstärkt in den Frauenfussball zu investieren. Unter anderem wurde eine Frauen-Liga ins Leben gerufen, deren erste Saison vor dem WM-Turnier über die Bühne ging, und der intensiven Vorbereitung der chilenischen U-20-Frauenauswahl auf das Turnier größte Aufmerksamkeit gewidmet. Auch wenn Las Rojitas am Ende keines ihrer Spiele gewinnen konnten und bereits nach der Vorrunde ausschieden, so vermochten sie es dennoch, ihr Publikum mit ihrem Kampfgeist und ihrem mutigen Auftreten zu begeistern. Kein Zweifel also, dass die bei diesem Turnier noch gescheiterte Mannschaft ihre Zukunft noch vor sich hat. Eben so positiv ist das Verhalten der chilenischen Fans zu werten, die wesentlich zum Gelingen des Turniers beitrugen und damit deutlich machten, dass der Frauenfussball inzwischen auch in der Gesellschaft ihres Landes, in dem traditionell der Männerfussball überwiegt, einen gebührenden Platz einnimmt. Damit hat Chile in sportlicher wie auch in kultureller Hinsicht einen entscheidenden Schritt nach vorn vollzogen.

Fussballerisch betrachtet markierte Chile 2008 den insgesamt zweiten Triumph der USA seit ihrem Sieg bei der ersten Turnierauflage in Kanada 2002. U.S.-Coach Tony DiCicco, der die Frauen-Nationalmannschaft der USA bei der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 1999 vor heimischem Publikum zum WM-Titel geführt hatte, erwies sich als einfühlsamer Trainer einer neuen Generation von Talenten, von denen besonders die beiden Stürmerinnen Sydney Leroux und Alex Morgan sowie die Torhüterin Alyssa Naeher (alle drei wurden mit Einzelauszeichnungen geehrt) herausragten.

Ihre Rückkehr an die Weltspitze machten die U.S.-Amerikanerinnen überdies auf höchst eindrucksvolle Weise perfekt, indem sie sich im Finale gegen die Titelverteidigerinnen aus der DVR Korea durchsetzten. Nach der Auftaktniederlage gegen Brasilien hatte sich deren Trainer Choe Kwang Sok noch nicht aus der Ruhe bringen lassen, weil er sicher war, dass seine Mannschaft, sobald sie sich von den Strapazen der langen Anreise erholt habe, wieder zur gleichen Stärke wie beim Titelgewinn in Russland 2006 zurückfinden würde. Er sollte Recht behalten. Am Ende waren es dann aber doch die U.S.-Girls, die ihre Torchancen besser verwerten und damit die Asiatinnen kurz vor dem Ziel noch abfangen konnten.

Zeit zum NachdenkenBrasiliens fulminanter Auftaktsieg über die amtierenden Weltmeisterinnen war vielversprechend. Gleiches gilt für die anderen Partien der Brasilianerinnen im Verlauf dieses Turniers. Trotzdem schaffte es Brasiliens U-20-Frauenauswahl zum ersten Mal nicht bis ins Halbfinale. Und das, obwohl es diesem Team an individuellen Talenten nicht mangelt. Was den Canarinhas dagegen fehlte, war die letzte Konsequenz im taktischen Bereich. Darin ist sicher auch die Ursache für die Niederlage gegen Deutschland im Viertelfinale zu suchen. Andererseits bietet diese Enttäuschung auch die Möglichkeit, neue Wege zu beschreiten und schon jetzt über die Zukunft nachzudenken, in der man nicht mehr auf Topspielerinnen wie Marta und Cristiane bauen kann.

Die vielleicht größte Enttäuschung des Turniers war indes das frühzeitige Ausscheiden der VR China, deren Mannschaft bereits nach der Vorrunde die Heimreise antreten musste. Die Chinesinnen, die bei den beiden vorangegangenen Turnierauflagen jeweils Vize-Weltmeisterinnen wurden, begannen mit einem dürftigen Remis gegen Argentinien und kassierten dann im zweiten Spiel gegen Frankreich gar eine Niederlage. Am Ende reichte auch ein Sieg im abschließenden Gruppenspiel gegen eine B-Elf der USA nicht, um die K.O.-Runde zu erreichen. Auch wenn der chinesische Trainer immer wieder betonte, dass seine Mannschaft nach Chile gekommen sei, um Erfahrungen zu sammeln und dazuzulernen, etwas mehr hätte man von den Chinesinnen schon erwartet.

Vor der Herausforderung, möglichst bald mit besseren Ergebnissen aufzuwarten, stehen auch die südamerikanischen Teilnehmer dieses Turniers. Denn weder Chile als gastgebendes Team, noch Argentinien kamen über die Vorrunde hinaus und müssen jetzt auf eine neue Gelegenheit warten, um endlich den internationalen Durchbruch zu schaffen. Gleiches gilt im Übrigen auch für Mexiko.

Anlass zu Optimismus Was hingegen die Rubrik der positiven Erkenntnisse dieses Turniers anbelangt, so ist vor allem der Auftritt des französischen Teams hervorzuheben. Die Schützlinge von Trainer Stéphane Pilard stießen erstmals bis ins Halbfinale vor und belegten einen hervorragenden vierten Platz, hätten aufgrund ihres erfrischenden Spiels aber durchaus eine noch bessere Platzierung verdient gehabt. Die Niederlage in der Halbfinalpartie gegen die DVR Korea war lediglich einer einzigen Unaufmerksamkeit in der eigenen Abwehr sowie dem fehlenden Glück auf Seiten der französischen Stürmerinnen in der Schlussphase geschuldet. Das ändert jedoch nichts an dem überaus positiven Gesamteindruck, den die Französinnen in Chile 2008 hinterließen. Denken wir dabei nur an die kopfballstarke Eugenie Le Sommer, an den Torinstinkt von Nora Coton Pelagie, oder auch an die beeindruckende Schusskraft von Marie-Laure Delie - alles junge Spielerinnen, die über viel Talent und Entwicklungspotenzial verfügen.

Das gilt auch für die Japanerinnen, die egal wo sie spielten, die Zuschauer mit ihrem schnellen und zielgenauen Kombinationsspiel begeisterten. Besondere Erwähnung verdient Mittelfeldspielerin Natsuko Hara, die ein überragendes Turnier spielte. Lediglich im mentalen Bereich muss das japanische Team noch beständiger werden.

Schließlich gebührt auch dem neuseeländischen Team, das faktisch mit jedem Schritt ein Stück Fussballgeschichte schreibt, besondere Anerkennung. Denn auch die Neuseeländerinnen schieden im Viertelfinale gegen England erst durch einen Treffer in der Nachspielzeit aus dem Turnier aus. Doch auf das neuseeländische Team, dem nicht weniger als neun Spielerinnen der U-17-Auswahl angehören, wartet bereits die nächste Herausforderung: die FIFA U-20-Weltmeisterschaft Deutschland 2010. Dort wird es ein Wiedersehen geben.

Danke Chile. Und bis bald in Deutschland!

Teilnehmer Argentinien, Mexiko, Chile, Brasilien, Kanada, England, Frankreich, Deutschland, VR China, DR Kongo, Norwegen, Japan, Korea DVR, Neuseeland, Nigeria, USA.

Stadien Estadio Municipal (La Florida/Santiago), Estadio Germán Becker (Temuco), Estadio Francisco Sánchez Rumoroso (Coquimbo), Estadio Nelson Oyarzún (Chillán).

Abschlusstabelle

  1. USA

  2. Korea DVR

  3. Deutschland

  4. Frankreich

Namen, die man sich merken sollte: Sydney Leroux (USA), Erika (Brasilien), Alex Morgan (USA), Natsuko Hara (JPN), Rita Chikwelu (NIG) Alyssa Naeher (USA), Nicole Banecki (GER), Eugenie Le Sommer (FRA), Tony Duggan (ENG), Rosie White (NZL), Ra Un Sim (PRK), Ri Jong Si (PRK), Kim Kulig (GER).

FIFA Fairplay-Auszeichnung: USA

Erzielte Tore: 113

Erfolgreichste Torjägerinnen 5 Tore: Sydney Leroux (USA) 4 Tore: Ri Ye Gyong (Korea DVR), Alex Morgan (USA), Eugenie Le Sommer (Frankreich)

Zuschauer (Gesamtzahl): 351.309