Mittwoch 20 Januar 2016, 18:34

Roberto Carlos: "Es gibt nicht viele gute Freistoßschützen"

Roberto Carlos gehört zu den großen Idolen von Real Madrid sowie des brasilianischen Fussballs der letzten 30 Jahre. Er wurde mit dem spanischen Spitzenklub mehrmals Meister und bestritt darüber hinaus vier FIFA Fussball-Weltmeisterschaften™ im Trikot der Seleção. Sein persönlicher Höhepunkt war der Gewinn des Weltmeistertitels bei der WM 2002 in Korea/Japan.

In einem Exklusiv-Interview mit www.sc.qa sprach der ehemalige linke Verteidiger und heutige Trainer über seine WM-Erinnerungen, Neymar, Zinedine Zidane als Trainer von Real Madrid und natürlich seine Erwartungen an die WM in Katar.

Welche Erinnerungen haben Sie an die FIFA Fussball-Weltmeisterschaften, an denen Sie teilgenommen haben? Ich war seit 1991 in der Nationalmannschaft vertreten. Ich stand auf einer Liste mit 23 bis 26 Spielern für die WM 1994 in den USA, doch Parreira erklärte, ich sei noch sehr jung und er habe schon Ronaldo im Team . 1998 sind wir ins Finale eingezogen und haben 0:3 gegen Frankreich verloren. 2002 kam dann der größte Augenblick meiner Karriere, als ich die WM mit Brasilien gewann, einem Land, in dem immer erwartet wird, dass man alles gewinnt. Das war das tollste Erlebnis von allen, die ich mit der Nationalmannschaft hatte. 2006 sind wir dann im Halbfinale ausgeschieden… oder im Viertelfinale. Aber ich habe alles verwirklichen können, was ich mir für mein Leben erträumt hatte.

Wie war es, den Pokal in die Höhe zu stemmen? Können Sie diesen Augenblick beschreiben? Ich habe ihn nicht in die Höhe gestemmt. Ich habe ein Foto, auf dem ich die Trophäe im Arm halte. Alle Mannschaftskapitäne recken den Pokal in die Höhe, aber auf diesem Foto halte ich ihn wie ein Baby. Ich habe es mir zu Hause eingerahmt, es hängt an einer Wand meines Museums. Der Titel bedeutet mir viel. Ich bin im Trikot meines Landes Weltmeister geworden und habe Millionen und Abermillionen brasilianischer Fans und Anhänger aus anderen Ländern, die den brasilianischen Fussball mögen, glücklich gemacht. Dieses Foto, auf dem ich den Pokal halte, löst bei mir Glücksgefühle aus, weil ich weiß, wie wichtig es ist.

Gibt es im aktuellen Fussball einen Freistoßspezialisten, wie Sie einer waren? Cristiano, Cristiano Ronaldo. Er tritt den Ball allerdings anders. Ich habe in der Regel mit dem Außenrist oder mit dem Innenrist geschossen. Cristiano schießt eher mit dem Spann, was dazu führt, dass der Ball sehr schnell wieder herabfällt. Wer noch? Es gibt nicht viele gute Freistoßschützen. Als ich in Delhi war, habe ich viel mit meinen Spielern gearbeitet, aber es fiel ihnen schwer, gute Freistöße zu treten. Es verfügen nicht alle über die erforderliche Qualität.

Wo liegt Ihre Zukunft?* *Wenn ich meine Sache bei dem Klub, bei dem ich derzeit bin, gut mache, bin ich sicher, dass es viele Vereine geben wird, die sich einen Trainer namens Roberto Carlos wünschen. Ich bin ein moderner Trainer, was die Trainingseinheiten angeht. Ich lerne viel, schaue mir viele Trainingseinheiten an, verfolge viele Ligen auf der ganzen Welt, aber ich gehe das Ganze Schritt für Schritt an. Ich habe das Ziel, eines Tages brasilianischer Nationaltrainer zu sein. Dafür brauche ich zunächst einmal eine Vereinslaufbahn. Ich habe in der Türkei und auch in Russland einen guten Einstand gehabt und in Indien gute Arbeit geleistet.

Wer ist als Trainer Ihr Vorbild? Ich hatte viele hervorragende Trainer. Ich glaube, Guus Hiddink und Vicente del Bosque kommen meinem Stil am nächsten. Ich bin eher ein Freund der Spieler, kein 'formeller' Trainer. Ich bin kein Lehrer, sondern Roberto Carlos. Ich will mit meinen Spielern gewinnen und ich will, dass sie mir helfen, indem sie ihre Sache gut machen. Ich nenne Hiddink, weil wir eine ähnliche Arbeitsweise haben: Wir leisten Grundlagenarbeit.

Was denken Sie über die Arbeit, die in Katar gerade geleistet wird? Die gesamte Struktur, die Katar für die Weltmeisterschaft erschafft, ist spektakulär. Ich habe in Korea/Japan gespielt, aber dort waren die Entfernungen sehr groß. Wir mussten bereits einen Tag vorher zu den Spielen anreisen, immer wieder das Hotel wechseln. Hier in Katar erreicht man mit der Metro alles in maximal einer Stunde. Mit dem Auto braucht man von den Stadien zu den Hotels 40 Minuten. Ich glaube, Katar wird wegen der vorhandenen Infrastruktur die beste WM aller Zeiten ausrichten. Ich möchte das Organisationskomitee beglückwünschen und wünsche dem Land alles Gute.

Werden Sie bei der WM dabei sein? Ich werde auf jeden Fall zu allen Spielen gehen, weil es sehr einfach ist, von einem Stadion zum anderen zu kommen. Da kann man sich zwei bis drei Spiele pro Tag anschauen. Ich werde das planen.

Was halten Sie von Neymar? Als ehemaliger Spieler und aktueller Trainer finde ich, dass er sich sehr schnell entwickelt. Er hat sich nach seiner Ankunft in Barcelona sehr schnell angepasst und ist heute der drittbeste Spieler der Welt. Ich glaube, dass er sehr bald der Beste von allen sein wird, weil er so rapide Fortschritte macht. Als Messi ausgefallen ist, hat Neymar die Verantwortung übernommen und eine spektakuläre Leistung gebracht.

Und Zidane? Wie macht er seine Sache bei Real Madrid? Die Erfahrung, die er bei Castilla sammeln konnte, ist sehr wichtig, aber die erste Mannschaft ist noch einmal etwas anderes. Er hat sehr gut angefangen und ist von sehr intelligenten Menschen umgeben, die ihm helfen werden. Ich kann ihm nur alles Gute wünschen, denn alles, was er im Fussball gemacht hat, war phänomenal. Er hat immer Siege und Titel geholt, das ist nun einmal Zizous Mentalität. Ich glaube, die Spieler müssen die jüngste Vergangenheit hinter sich lassen. Mit Zidane ist das eine glückliche Mannschaft, die auf dem Platz Spaß hat. Die Spieler zeigen, dass sie Freunde sind, und die Mannschaft hört zu, wenn Zizou etwas sagt. Die Fans müssen etwas Geduld haben, weil er die Mannschaft um die Spieler herum aufbauen muss, denen er vertraut. Dann werden auch die Titel kommen.