Donnerstag 21 Mai 2020, 13:38

Migné: Die schwere Balance zwischen Ambitionen und Realismus

  • Migné war neun Jahre lang Assistenztrainer von Claude Le Roy

  • Seine erste Stelle als Cheftrainer trat er 2018 an

  • Der Franzose hofft auf Erfolge in der Qualifikation für die FIFA Fussball-WM Katar 2022™

Äquatorial-Guinea gehört mit weniger als zwei Millionen Einwohnern zu den afrikanischen Ländern mit der geringsten Bevölkerung. In Nigeria hingegen leben mehr als 100 Mal so viele Menschen. Folglich spielen auch sehr viel weniger Menschen Fussball als in Ländern wie Nigeria, Ägypten oder Algerien. Das wiederum macht die Aufgabe für Nationaltrainer und Teams in dem Land sehr viel schwieriger.

Trotz dieser Situation sagte Sébastien Migné sofort zu, als man ihm die Leitung der Nationalmannschaft Äquatorial-Guineas anbot. Das Land mit der wunderschönen Atlantikküste ist das einzige in Afrika, in dem Spanisch zu den offiziellen Amtssprachen gehört. In einem Interview mit FIFA.com verriet der Franzose, warum er das Angebot annahm: "Als ich Cheftrainer von Kenia war, merkte ich in einem Spiel gegen Äquatorial-Guinea, wie schwer sich mein Team tat. Das beweist das große Potenzial des Kaders. Ich sagte mir also schon damals: 'Vielleicht kann ich mit diesem Team etwas erreichen.' Daher habe ich die Herausforderung angenommen."

Es ist verständlicherweise nicht leicht, genügend hochklassige Spieler in einem Land mit weniger als zwei Millionen Einwohnern zu finden. Auf die Frage, wie er diesem Problem begegnet, sagte Migné: "Am Anfang hatte ich gar keine Zeit, neue Spieler in Betracht zu ziehen, daher habe ich zunächst einmal mit dem verfügbaren Kader gearbeitet. Später habe ich dann alle Landesteile besucht und nach talentierten Spielern Ausschau gehalten, genau wie ich es auch mit Claude Le Roy gemacht habe."

"Wir haben zwar einige in Europa aktive Spieler, doch wegen der Umstände in Afrika fällt es ihnen schwer, sich anzupassen. Daher konzentriere ich mich darauf, die besten Spieler in der Heimat zu finden, wobei das Coronavirus dieses Vorhaben derzeit enorm verzögert", so der Coach.

knwyg8wrtg2en4cqeaow.jpg

Neun Jahre unter Le Roy

Nach zehn Jahren als Trainer in Frankreich wurde Migné 2008 zum Assistenztrainer von Claude Le Roy, als dieser Nationaltrainer Omans wurde. Migné arbeitete volle neun Jahre eng mit seinem Landsmann zusammen, bevor er dann selbst Cheftrainer des Nationalteams von Kongo wurde.

Zu der langen Zusammenarbeit mit Le Roy sagte Migné: "Bei ihm habe ich gelernt, wie man außerhalb seines Heimatlandes arbeitet und dass Fussball als internationaler Sport nicht auf Frankreich beschränkt ist, wo ich bis dahin gearbeitet hatte. Er brachte mir bei, wie man sich mit dem internationalen Fussball vertraut macht und andere Kulturen zu schätzen lernt. Wir begannen mit den Ländern am Persischen Golf, wo wir die arabische Kultur kennen lernten. Dann gingen wir nach Afrika. Ich hätte mir zu Beginn meiner eigenen Reise keinen besseren Mentor als ihn wünschen können. Er brachte mir bei, wie man Offensivfussball spielen lässt. Das versuche ich jetzt umzusetzen."

"Er war wie ein Vater für mich. Wir haben volle neun Jahre eng zusammengearbeitet und unser Verhältnis ging weit über die Arbeit hinaus. Wir haben in Afrika viel Zeit ohne unsere Familien verbracht. Wir waren in all den Jahren wohl viel mehr beieinander als bei unseren Familien", so der 47-Jährige weiter.

Entsprechend schwer fiel ihm die Entscheidung, künftig getrennte Wege zu gehen. "Das war eine sehr schwere Entscheidung, auf jeden Fall. Es ist nicht leicht, neun Jahre hinter sich zu lassen. Doch als sich mir die Chance bot, Nationaltrainer zu werden, habe ich sie sofort ergriffen", so der Franzose.

Der Übergang vom Assistenztrainer zum leitenden Chefcoach war eine große Herausforderung für Migné. Auf die Frage nach den Unterschieden zwischen den beiden Tätigkeiten antwortete er: "Auf den Schultern eines Cheftrainers lastet eine sehr schwere Verantwortung. Ich habe Le Roy früher auch bei den Trainingseinheiten geholfen, doch jetzt trage ich die gesamte Verantwortung für alle Aspekte von der Taktik bis zu den Einwechslungen."

ms1j0hj1mqlnautsd4xk.jpg

Katar 2022: Ambitionen und Realismus

Bei der Auslosung der zweiten Runde der Afrika-Qualifikation für Katar 2022 landete Äquatorial-Guinea zusammen mit Tunesien, Sambia und Mauretanien in Gruppe B. Auf die Gegner angesprochen, sagte Migné: "Das ist eine schwere Gruppe, doch wir haben nichts zu verlieren. Wir werden jedes Spiel mit der gleichen Entschlossenheit angehen und jede sich bietende Gelegenheit nutzen. Wir müssen geduldig und bescheiden bleiben und möglichst viel aus diesen Länderspielen lernen."

"Gemäß der FIFA/Coca-Cola-Weltrangliste gehören wir in dieser Gruppe zur zweiten Kategorie. Das müssen wir akzeptieren. Ich glaube allerdings nicht, dass die anderen Teams uns unterschätzen werden, insbesondere Tunesien nicht. Die Tunesier kennen uns recht gut. Im letzten Spiel haben sie uns nur knapp mit einem Tor besiegt", so der Trainer.

In Bezug auf seine Ziele mit Äquatorial-Guinea ist Migné ambitioniert, aber auch realistisch. "Wir verfolgen haben mehrere Ziele. Wir haben es noch nie zu einer WM-Endrunde geschafft und diese Aufgabe ist alles andere als leicht. Auf kontinentaler Ebene hat das Land ein Mal am CAF Afrikanischen Nationen-Pokal teilgenommen, nämlich als Gastgeber. Doch wir haben eine vielversprechende Zukunft vor uns. Es gibt viele schöne Erfolge, die wir erreichen können, wenn wir alle an einem Strang ziehen und Fortschritte machen", ist er überzeugt.

In der WM-Qualifikation wird Migné auf seinen Landsmann Corentin Martins treffen, der Nationaltrainer Mauretaniens ist. Zu diesem Duell meint Migné: "Spiele gegen andere französische Trainer sind immer eine schöne Sache. Wir sind in letzter Zeit weniger geworden, weil immer mehr Nationalteams auf einheimische Trainer setzen. Mit dem Anpfiff ist allerdings alles andere vergessen. Dann konzentrieren wir uns nur noch darauf, unsere Taktik umzusetzen, um Mauretanien zu besiegen."

Martins sagte kürzlich in einem Interview mit FIFA.com zum gleichen Thema: "Es geht dabei ja nicht um Martins gegen Migné sondern um elf Mauretanier gegen elf Äquatorialguineer. Ich habe Mignés Team zwar noch nicht beobachtet, doch ich bin überzeugt, dass er einige sehr starke Spieler zur Verfügung hat."