Freitag 18 Dezember 2020, 06:52

Ein WM-Erlebnis aus erster Hand

  • Osvaldo Santander gehört dem #FanMovement der FIFA an

  • Der Argentinier berichtet über seine Beziehung zum Fussball und seine WM-Erlebnisse

  • "Den Ruhm heimsen einige wenige ein, aber die Party feiern wir alle!"

Die Leidenschaft der argentinischen Fussballfans wurde bereits gut dokumentiert, vor allem bei den letzten beiden Auflagen der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™. In Brasilien und Russland hob die treue argentinische Fangemeinde den Support für ihre Nationalmannschaft auf ein neues Niveau. Die Argentinier strömten in Massen in die Stadien und sorgten mit ihren einprägsamen Fangesängen und der gewohnten Farbenpracht für ausgelassene Stimmung.

Der Argentinier Osvaldo Santander, ein Mitglied der FIFA-Fanbewegung spricht über seine Beziehung zu seinem Lieblingssport sowie die Erlebnisse, die er gemeinsam mit anderen Fans aus der ganzen Welt bei den letzten beiden FIFA Fussball-Weltmeisterschaften hatte.

"Mein Name ist Osvaldo Santander, ich bin 55 Jahre alt und Werbefachmann. Vor allem aber bin ich Argentinier. Ich betone das, weil es in direktem Zusammenhang mit meiner Fussball-Leidenschaft steht und der bedingungslosen Liebe zum runden Leder.

Ich war drei Jahre alt, als ich zum ersten Mal mit meinem Vater im Stadion war – bei meinem Lieblingsklub San Lorenzo de Almagro. Dort wurde die Saat für etwas gelegt, das seither immer weiter wächst und mich zum Mitglied einer großen Fussballfamilie gemacht hat, die Spaß an jedem Spiel hat, bei einem Tor Freudentränen vergießt, bei einer Niederlage leidet und mitfiebert.

Eine FIFA Fussball-Weltmeisterschaft, nämlich die von 1974 in Deutschland, hat für immer einen Platz in meinem Herzen. Ich war neun Jahre alt und sammelte begeistert Sticker, um mein Album voll zu bekommen. Das war natürlich ein Ding der Unmöglichkeit, aber es brachte mich dazu, mir alle Spiele im Fernsehen anzuschauen – in Schwarz-Weiß. Dann kam die WM 78 in Argentinien, und diese beiden Turniere legten bei mir den Grundstein für die ewige Fussball-Liebe.

Mein ganzes Leben dreht sich um Weltmeisterschaften. Wenn ich mich an Dinge erinnern möchte, die ich mit 25 erlebt habe, kommt mir Italien 1990 in den Sinn. Wenn ich mich an das erinnern möchte, was ich 2006 getan habe, ist die WM in Deutschland mein Bezugspunkt. So ist das bei allen Weltmeisterschaften.

Außerdem sammele ich seit über 30 Jahren Fussballobjekte, vor allem von Weltmeisterschaften. Der Fussball bringt mir Freude, regt meine Fantasie an und löst eine Liebe aus, für die ich nie eine Gegenleistung erwarten werde.

Meine WM-Begeisterung hat mich 2014 nach Brasilien geführt. Ich habe dort zwei Wochen verbracht und hatte fantastische persönliche Begegnungen. Das war eine riesige Fussballparty, es wurden Trikots, Schals und Fahnen getauscht ... Ich habe mir sogar das Spiel Algerien – Korea angeschaut, mit ganz niedrigen Erwartungen, und am Ende war es ein super Spiel (4:2). Da kam mir die Idee, zur WM 2018 nach Russland zu reisen!

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Ich kehrte total zufrieden aus Porto Alegre zurück und dachte darüber nach, wie schwierig das alles werden würde: die Tickets, die Flugreisen, die Unterkunft ... Meine Freunde erklärten mich für verrückt. Aber nichts konnte mich von meinem Plan abbringen.

Das erste Zeichen kam von der FIFA, die mir die Eintrittskarten für die sieben Spiele zusprach, die ich beantragt hatte – alle in Moskau. Unter anderem bestand vielleicht auch die Möglichkeit, Argentinien zu sehen, wobei noch zwei Spieltage der Qualifikation ausstanden und die Situation schwierig war.

Zum Glück haben wir uns qualifiziert, und ich konnte mich wieder etwas beruhigen. Die Eintrittskarten waren nicht nur für mich, sondern auch für meinen Sohn Julián, der mir schon bei Tausenden von Fussballabenteuern Gesellschaft geleistet hat, für meine Schwester María Mercedes und für einen Freund, der sich dem Unternehmen von Anfang an angeschlossen hatte.

Dann kauften wir die Flugtickets. Acht Monate vor der WM hatten wir das Wichtigste schon beisammen!

Die Monate vor dem Turnier waren aufregend. Es gab Treffen mit anderen Fans, die sich zusammenschlossen und Versuche, sich mit Leuten aus anderen Ländern zu verabreden, zu denen ich Kontakt hatte und die diese wunderbare Reise ebenfalls antreten würden. Viele von Ihnen sind Sammler wie ich.

Da wir die gesamten 18 Tage in Moskau verbringen würden, haben wir ein Apartment in der Nähe des Luschniki-Stadions gemietet, hinter der Moskauer Universität.

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Gleich zu Beginn der Reise, während eines achtstündigen Aufenthalts in Frankfurt, legte ich die Fahnen, die wir mitgebracht hatten, auf dem Boden aus. Daraufhin haben andere Fans dasselbe gemacht, und sofort kam dieses magische Gemeinschaftsgefühl auf, das für eine WM typisch ist.

Russland 2018 war Freude und Emotion pur. Alles war unglaublich gut organisiert. Die Sicherheitskräfte waren höflich, aber strikt. Das hat einen Beitrag dazu geleistet, dass wir ein sehr emotionales Event erleben konnten, aber auf kontrollierte Weise – ohne Schlägereien und ähnliche Dinge. Das ist bemerkenswert.

Es ist sehr empfehlenswert, schon einige Tage vor Turnierbeginn anzureisen. Wir sind vier Tage vorher angekommen und haben dort schon alle Fans in totaler Ekstase angetroffen. Dabei gab es noch gar keine Ergebnisse zu feiern oder zu beklagen. Das alles lag noch vor uns.

Da wir keine Tickets für die Eröffnungsfeier hatten, gingen wir schon früh zum Fan Fest. Wenn ich sagen würde, es war fabelhaft, dann wäre das noch untertrieben. Wir hatten das schon in Brasilien erlebt, aber das hier war noch eine Nummer größer. In der Halbzeit der Partie Russland gegen Saudiarabien sind wir in die Nähe des Stadions gegangen, um Erinnerungsstücke für unser Museum zu sammeln: Plastikbecher, die im Abfall gelandet waren, Ausweise, Merchandising-Artikel ... einfach alles!

Zwei Tage später haben wir dann unser geliebtes Argentinien im Spartak-Stadion gegen Island spielen sehen. Wir waren mit Trikots, Mützen und Fahnen ausgestattet und hatten außerdem Sticker und 300 Bierdeckel dabei, die wir an alle verteilten, die uns begegneten.

Unsere Nationalhymne zu hören war sehr emotional. Meinem Sohn und mir kamen die Tränen, weil einige Monate zuvor derjenige verstorben war, der diese Liebe zum Fussball geweckt hatte, nämlich mein Vater (sein Opa Paco). In diesem Moment hatten wir das Gefühl, dass er bei uns war. Das Ergebnis war gar nicht so wichtig, aber es war ein unvergessliches Erlebnis, unser Nationalteam so weit von zu Hause angefeuert zu haben.

Später sahen wir dann noch die Spiele Deutschland gegen Mexiko, Polen gegen Senegal, Portugal gegen Marokko, Belgien gegen Tunesien, Dänemark gegen Frankreich und zum Abschluss unseres Abenteuers Brasilien gegen Serbien. Die Begegnungen waren fantastisch, um Objekte für unser Museum zu sammeln. Es kamen Trikots, aufblasbare Werbeartikel, Tickets, Gläser und viele andere Dinge zusammen.

Als wir die Rückreise antraten, war Argentinien für das Achtelfinale qualifiziert und wir hatten ein unvergessliches Erlebnis hinter uns. Und das alles weil der Fussball unberechenbar ist. Du kannst gewinnen oder verlieren, aber du nimmst immer Geschichten und Momente mit, an die du dich dein ganzes Leben lang erinnerst.

Bei einer WM lernst du unglaublich viele unterschiedliche Menschen kennen. Niemand wird ausgeschlossen. Du hüpfst, singst und liegst dir mit anderen Menschen in den Armen, und wenn du genauer hinschaust, fällt dir auf, dass einer Deutscher ist, der andere Ecuadorianer, ein weiterer Senegalese und auch ein Rumäne ist dabei ... Wir haben sogar jemanden aus Nepal kennengelernt! Es ist einfach fantastisch!

Bei einer WM geht es nicht nur um Spieler, Funktionäre und Trainerstäbe, die versuchen, einen Pokal zu gewinnen. Hier kommen Menschen aus aller Welt zusammen, die dieselbe Leidenschaft verbindet, dasselbe Gefühl. Den Ruhm heimsen einige wenige ein, aber die Party feiern wir alle! Es lebe der Fussball!