Dienstag 08 Oktober 2019, 07:13

De Boer: "2022 können die Niederlande Weltmeister werden"

  • Ronald de Boer spricht über den neuerlichen Aufschwung der Niederlande

  • Der legendäre Ex-Nationalspieler sieht Oranje als WM-Titelkandidat

  • De Boer ist voll des Lobes über Katar, ein Land, das er gut kennt

Im Fussball sind Eigenschaften wie Geduld und Perspektive meist nicht besonders gut ausgeprägt. Wenn es für Teams nicht besonders gut läuft, wird schnell mit Hochdruck nach grundlegenden Fehlern gesucht oder individuelle Schuldzuweisungen lassen nicht lange auf sich warten.

Manchmal allerdings ist es allerdings klüger – und mutiger – dem Ruf nach Veränderung zu widerstehen. Für Ronald de Boer gilt dies ganz besonders im internationalen Fussball, wo Generationswechsel fast unausweichlich zu Erfolgsschwankungen führen. Das Nationalteam der Niederlande sieht er als perfektes Beispiel.

Derzeit darf man die niederländische Elftal mit Fug und Recht als eines der beeindruckendsten und mitreißendsten Teams der Welt bezeichnen. Allein im vergangenen Jahr schlugen die Niederländer Frankreich, England und Deutschland (zwei Mal) und brachten es in diesen vier Partien gegen echte Schwergewichte im Schnitt auf je drei Tore.

Diese Stärke ist besonders bemerkenswert, nachdem die Niederländer zwei Mal in Folge in der Qualifikation für große Turniere gescheitert sind und dabei jeweils auswärts und auch zu Hause gegen Teams wie Island und die Tschechische Republik verloren. In dieser Zeit gab es zwar drei Trainerwechsel, doch Forderungen, das berühmte Nachwuchs-Fördersystem zu reformieren und die Ansätze anderer Länder zu imitieren, wurden abgelehnt.

"Es gab durchaus etwas Panik, als die Nationalmannschaft zu kämpfen hatte – es wurde davon gesprochen, dass wir die Dinge nicht richtig anpacken würden und dass wir Deutschland bei der Nachwuchsförderung kopieren sollten", so de Boer gegenüber FIFA.com.

"Ich habe das nie geglaubt und das damals auch deutlich gesagt, denn für mich steht fest, dass wir eines der besten Nachwuchs-Förderungssysteme der Welt haben. Glücklicherweise haben wir unsere Strukturen nicht grundlegend geändert – und nun sehen wir auch wieder gute Resultate.

"Ich habe schon damals als es nicht so gut lief, gesagt, dass wir schon bald wieder ein Team haben würden, das es mit den Besten der Welt aufnehmen kann. Man konnte sehen, dass neue Talente vor dem Durchbruch standen.

Manchmal muss man eben einfach etwas Geduld haben. Wenn man zurück blickt, hat es immer sehr erfolgreiche niederländische Spielergenerationen gegeben und dazwischen auch immer wieder Lücken, in denen es nicht so gut lief. Man kann bei einem so kleinen Land wie dem unseren nicht erwarten, dass es ein großartiges Team nach dem anderen hervorbringt, vollgepackt mit Spitzenspielern auf allen Positionen. Es gibt Höhen und Tiefen."

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Es gibt kaum Zweifel, dass wir derzeit den Aufstieg einer neuen Generation niederländischer Spitzenfussballer erleben. Die große Frage ist nun allerdings, ob die aktuelle Generation Vergleichen mit den gefeierten Weltklasseteams der 1970er Jahre oder von 1988 und 1998 standhalten kann.

De Boer ist davon überzeugt und meint zudem, dass die Schützlinge von Ronald Koeman sogar noch einen Schritt weiter gehen können, als die mit Stars gespickten Teams mit Cruyff, Van Basten und Bergkamp.

"Für mich steht fest, dass dieses Team 2022 definitiv um den Weltmeistertitel mitspielen kann", so de Boer, der 67 Länderspiele für Oranje bestritt. "Spieler wie [Matthijs und die anderen Jungs von Ajax kennt ja mittlerweile jeder, aber auch bei AZ Alkmaar, PSV Eindhoven und Feyenoord Rotterdam stehen unglaubliche Talente vor dem Durchbruch. Und dann wäre da ja auch noch [Virgil] Van Dijk, der stärker und stärker wird.

Und es herrscht auch eine gute Balance. Man muss bei Nationalmannschaften ja immer hoffen, dass auch die Verteilung der Spieler stimmt. Es bringt beispielsweise nicht viel, wenn lediglich fünf gute Stürmer zur Verfügung stehen. Und genau so eine Verteilung haben wir jetzt, mit De Ligt, De Jong, [Georginio] Wijnaldum, Memphis [Depay] und Van Dijk, die alle auf verschiedenen Positionen glänzen."

De Boer hat noch weitere gute Gründe, sich besonders auf die WM 2022 in Katar zu freuen. Denn er kennt das Gastgeberland gut. Schließlich hat er seine Karriere in Katar ausklingen lassen und auch einige Zeit dort als Trainer gearbeitet.

"Ich habe insgesamt sieben Jahre in Katar gelebt, dort mit Spielern wie Pep [Guardiola], [Gabriel] Batistuta und Frank Leboeuf gespielt, und ich kann nur Gutes sagen", so der Niederländer. "Der größte Vorteil ist für mich, dass das Land so klein ist. Die Fans können zwei Spiele am Tag sehen, aber viel wichtiger finde ich, dass man wirklich überall spüren wird, dass hier eine WM stattfindet.

In größeren Ländern sind die Fans viel weiter verteilt. Aber in Katar wird quasi das ganze Land von der WM übernommen. Überall werden Fans sein und man wird die WM-Atmosphäre auf Schritt und Tritt spüren, wo auch immer man hingeht.

Das ist ein sehr positiver Faktor. Es ist auch gut, dass das Turnier in einen ganz neuen Kulturkreis vorstößt. Für die Fans vor Ort wird es ein großartiges Erlebnis, denn sie werden etwas völlig Neues erleben und merken, dass die Menschen in Katar sehr freundlich sind. Ich bin fest davon überzeugt, dass es eine großartige Weltmeisterschaft wird."