Freitag 06 November 2020, 09:16

Calvert-Lewin: "Als Mittelstürmer ist Lewandowski ein Vorbild"

  • Dominic Calvert-Lewin liegt in der Torjägerwertung der Premier League ganz vorn

  • Er spricht über seine Kopfballstärke und seinen Wunsch, sich fest als Sturmspitze der Three Lions zu etablieren

  • Der Angreifer schwärmt von James, Richarlison, Rashford und Lewandowski

Dominic Calvert-Lewins Ruf ist in den vergangenen Monaten ähnlich in die Höhe geschossen wie er selbst, wenn er vor dem gegnerischen Tor hochsteigt, um mit dem Kopf die Maßflanken von James Rodriguez oder Lucas Digne zu erreichen.

Der 23-Jährige erzielte in neun Spielen für Everton nicht weniger als elf Tore. Im Rennen um die Torjägerkrone in der noch jungen Saison in der englischen Premier League liegt er trotz starker Konkurrenz durch Stürmer wie Harry Kane, Mo Salah und Jamie Vardy ganz vorn. Calvert-Lewin erzielte gleich bei seinem Debüt in der englischen Nationalmannschaft einen Treffer – natürlich per Kopfball.

Frühere Stars wie Gary Lineker, Alan Shearer und Wayne Rooney schwärmen von ihm. Seine Spielweise wird mit der von Didier Drogba verglichen, seine Stärken in der Luft mit jenen von Cristiano Ronaldo. Schon wird über großes Interesse bei Real Madrid spekuliert, wo man sich durch seine gewaltige Sprungstärke an 'Bam Bam' Zamorano erinnert fühlt.

FIFA.com sprach mit Calvert-Lewin über seinen herausragenden Saisonstart, seine Kopfballstärke und natürlich über Everton und England.

Elf Tore in neun Spielen für Everton – sind Sie mit Ihrem Start in die Saison zufrieden?

Ja, sehr zufrieden. Schon vor Saisonbeginn hatte ich ein gutes Gefühl, weil wir tolle Neuverpflichtungen geholt haben und ich sehr hart trainiert habe. Ich wollte unbedingt einen fliegenden Start hinlegen, und ich denke, das ist mir wirklich gelungen. Jetzt geht es um Konstanz – ich will auch weiter so gut spielen, dann wird es auch viele weitere Tore geben.

Ist Ihre Sprungkraft ein natürliches Talent oder haben Sie sich das antrainiert?

Die Sprungkraft hatte ich schon immer. Ich konnte schon als Kind ziemlich hoch springen. Diese Athletik ist ein Geschenk. Natürlich trainiere ich das auch, um die Sprünge weiter zu perfektionieren, vor allem das Timing auf dem Fussballplatz. Aber grundsätzlich gehörte die Sprungkraft schon immer zu meinen Stärken. In der Schule war ich sehr gut im Weitsprung, da konnte mich nie jemand schlagen.

Wurde versucht, Sie zu anderen Sportarten zu bringen?

100-Meter-Sprint, 200-Meter-Sprint, Weitsprung – das waren meine besten Disziplinen. Wahrscheinlich hätte ich auch in die Leichtathletik gehen können, aber ich liebe den Fussball schon immer und wollte Fussballer werden. Ich bin sehr zufrieden und dankbar, jetzt hier zu sein.

Sind Sie derzeit in der Luft der stärkste Spieler der Welt?

(lacht) Das habe ich in letzter Zeit jedenfalls häufiger gehört und natürlich ist es sehr schön, dass meine große Stärke derartig anerkannt wird. Ich habe natürlich noch andere Bereiche, aber es ist wichtig, auch an seinen Stärken zu arbeiten. Wenn ich eine Chance zu einem Kopfball bekomme, dann will ich sie auch nutzen. Auf den Luftkampf bin ich jedenfalls recht stolz.

Was haben Sie gedacht, als Sie von den Gerüchten hörten, dass James Rodriguez zu Everton kommt?

Es ist nur recht und billig, dass ein Klub mit dem Format und den Zielen wie Everton für Spieler von diesem Kaliber attraktiv ist. Ich persönlich war regelrecht begeistert, weil ich genau weiß, was er leisten kann. Ich kenne die großartigen Tore, die er für seine großartigen Teams erzielt hat. Er ist ein absoluter Spitzenspieler. Für mich als Mittelstürmer ist er ein perfekter Vorbereiter. Meine Aufgabe ist es dann nur noch, den Ball ins Netz zu befördern. Genau so ist es ja nun auch, und es macht riesigen Spaß, mit ihm zu spielen. Er ist einfach auf einem anderen Level. Er diktiert das Spiel. Er kann Gegner nach Belieben ausspielen. Seine Ballführung ist fantastisch, es ist fast unmöglich, ihn vom Ball zu trennen. Auch im Training gelingt das kaum einmal jemandem.

Und was sagen Sie zu Richarlison?

Richy ist klasse! Wir spielen ja nun schon eine ganze Weile zusammen und haben die Spielweise und auch die Persönlichkeit des Anderen schätzen gelernt. In allererster Linie ist da seine Mentalität – er ist durch und durch ein Siegertyp. Er arbeitet sehr hart für das Team. Vieles davon bekommt man als Zuschauer von außen gar nicht mit. Aber wenn man an seiner Seite spielt und seine Energie und seinen Einsatz hautnah miterlebt, dann ist das sehr beeindruckend. Und natürlich ist er auch absolut brandgefährlich als Angreifer. Mir macht es sehr großen Spaß, an seiner Seite zu spielen. Wir freuen uns über die Erfolge des anderen, bei Toren und bei Vorlagen. Wenn er trifft, freue ich mich genau so sehr für ihn, wie er für mich, wenn ich treffe. Ich bin ganz sicher, dass da noch eine ganze Menge mehr kommt, doch er zeigt auch jetzt schon, dass er über alle Qualitäten verfügt.

Kann sich Everton diese Saison für die Champions League qualifizieren?

Das müssen wir uns zutrauen. Die Qualität, die wir im Kader haben, stimmt mich zuversichtlich. Aber wir müssen die ganze Saison über konstant sein. Wir können uns keine Ausrutscher leisten. Manchmal weiß man nicht, warum man manche Ergebnisse einfährt, aber es kommt darauf an, wie man reagiert. Wenn wir konstant bleiben, habe ich aber keine Zweifel, dass wir Großes erreichen können.

Sprechen wir über internationalen Fussball: Wie war Ihr Debüt für England?

Das war einfach unglaublich. Wohl jeder Spieler sagt, dass er schon als Kind davon geträumt hat, doch bei mir stimmt es wirklich. Es war ein fantastisches Gefühl, in der Kabine meinen Namen neben dem Trikot mit der Nummer 9 zu sehen und es dann überzustreifen. Und dann ging's raus auf den Platz und ich habe sogar ein Tor geschossen! Das war ein sehr emotionaler Moment. Ich habe mir vorgestellt, wie stolz meine Familie sein würde. Es war alles genau so, wie ich es mir erträumt hatte. Aber natürlich läuft es nicht immer so. Fussball ist schnelllebig. Du spielst gut, du triffst, du gewinnst. Natürlich freut man sich darüber, doch dann geht es schon um das nächste Spiel. Ich versuche jedenfalls, die Erfolgsmomente zu genießen. Und ich will mehr davon. Ich bin regelrecht süchtig danach. Ich will weiter für England spielen und meine Sache gut machen und Tore erzielen.

Sie standen zwei Mal in der Startaufstellung, haben zwei gute Partien gezeigt und bei Ihrem Debüt sogar getroffen. Wie würden Sie Ihre erste Auswärtsreise mit dem englischen Nationalteam beschreiben?

Ich finde, das war schon ziemlich erfolgreich. Es gibt immer Kritiker, die in Frage stellen, ob man sich auf diesem Niveau bewähren kann und ob man überhaupt dabei sein sollte. Also muss man beweisen, dass man sich dabei wohlfühlt und mithalten kann. Aber ich wollte nicht nur das beweisen. Ich wollte beweisen, dass ich im Spiel wirklich etwas bewegen kann und zusätzliche Stärken in den Kader einbringe. Daher bin ich sehr zufrieden.

Sie sprachen vom starken Kader. Wie groß ist Ihre Entschlossenheit, sich einen Stammplatz zu sichern?

Man muss fest entschlossen sein, es geht gar nicht anders. Ich bin als Spieler und als Persönlichkeit noch in der Entwicklung, aber die Ambitionen müssen immer sehr hoch sein. Ich hatte immer schon hohe Ziele: Ich will für England spielen, und zwar regelmäßig. Daran hat sich nichts geändert. Selbst als ich noch meilenweit vom Nationalteam entfernt war und auch bei Everton nicht spielte, war meine Ambition, an den Punkt zu kommen, wo ich jetzt bin - und noch darüber hinaus. Auf dieses Ziel richte ich meinen Blick: Ich will bei großen Turnieren Englands Sturmspitze sein und der Spieler, auf dessen Torgefährlichkeit England setzt.

Im Finale der FIFA U-20-Weltmeisterschaft 2017 haben Sie das Siegtor für England erzielt…

Das war ein wirklich fantastisches Gefühl. In unserem Team stimmte bei diesem Turnier einfach alles. Vor dem Finale war mein Gefühl ganz klar: 'Genau hier will ich sein, das ist meine Bühne'. Ich weiß noch, dass ich nach dem Spiel zu meiner Familie gerannt bin und mit ihnen gefeiert habe, bis tief in die Nacht hinein, denn sie waren drüben in Südkorea. Es war ein fantastischer Moment, als mir das einzige Tor im Finale gelang, ein Moment, an den ich mich immer erinnern werde.

Meinen Sie, dass England den Titel bei der FIFA Fussball-WM Katar 2022™ gewinnen kann?

Ich bin noch nicht sehr lang bei der Nationalmannschaft – erst ein Trainingslager – aber ich bin zuversichtlich. Die Spieler zeigen Woche für Woche Höchstleistungen für ihre Klubs. Wir haben sehr viele absolut erstklassige Spieler im Team. Und jeder Einzelne muss alles für das Team geben, damit wir gegen die besten Spieler der Welt bestehen können. Ich will ein Teil dieser Geschichte sein. Ich will alles für das Team geben, wer auch immer der Gegner ist. Und ich bin sicher, dass die anderen Jungs das auch wollen. Es gibt sehr viele Spitzenteams auf der Welt. Ich hatte beim letzten Trainingslager die Gelegenheit, gegen Belgien zu spielen. Belgien ist Weltranglistenerster. Ein solcher Gegner gleich am Anfang meiner internationalen Karriere war natürlich eine großartige Erfahrung. Ich habe erlebt, worauf ich mich einstellen muss und wie hoch das Niveau ist. Wir haben in diesem Spiel eine gute Leistung gezeigt und gewonnen. Damit hat England wohl gezeigt, dass wir den besten Teams Paroli bieten können.

Sie sprechen von der enormen Qualität im Kader. Wen halten Sie aktuell für den besten englischen Nationalspieler?

Für mich ist das Marcus Rashford. Ich hatte schon vorher eine Menge von ihm gesehen. Er ist ein wirklich unglaublicher Spieler. Aber ich hatte noch nie mit ihm zusammen gespielt und er war sogar noch besser, als ich gedacht hatte. Er hat einfach alles: Schnelligkeit, Durchschlagskraft, Technik. Er ist äußerst gefährlich und vor dem Tor einfach perfekt. Er kann abschließen und er ist kopfballstark. Wenn du als Mittelstürmer neben einem solchen Akteur spielst, dann bist du felsenfest überzeugt, dass du jeden Gegner schlagen kannst. Ich habe keinerlei Zweifel, dass er auf Jahre hinaus zu den absoluten Topspielern gehören wird.

Wer ist gegenwärtig der beste Spieler der Welt?

(zögert) Robert Lewandowski. Er erzielt unglaublich viele Tore. Wenn ich mir als junger Mittelstürmer ein Vorbild aussuchen würde, dann würde ich Robert Lewandowski nehmen, mir seine Spielweise und sein Stellungsspiel anschauen, denn ich meine, dass er sehr ähnliche Eigenschaften wie ich hat.

Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Ich bin ein Gewohnheitstier. Ich habe einen engen Zeitplan, um mich so gut wie möglich vorzubereiten auf die Spiele am Wochenende. Im Hinblick auf den Fussball mache ich gerne Yoga, unterziehe mich Massagen und ähnlichen Dingen. Davon abgesehen spiele ich gerne mit meinen Kumpels ein bisschen auf der PlayStation. Ich versuche, ein wenig Spanisch zu lernen. Und wenn ich Freizeit habe - was momentan eher selten der Fall ist - gehe ich gerne mit Freunden einen Kaffee trinken, treffe mich mit ihnen oder meiner Familie.

Verraten Sie uns zum Schluss Ihr Lieblingsessen?

Lachs, in verschiedenen Variationen. Wenn ich samstags spiele, esse ich Donnerstagabend Lachs, Freitag Lachs und dann noch mal vor dem Spiel. Ich liebe Lachs einfach, merken Sie es? (lacht)