Donnerstag 22 März 2018, 07:00

Southgate: "Sein Land zur WM zu führen, ist etwas ganz Besonderes"

  • Gareth Southgate übernahm die englische Nationalmannschaft im November 2016

  • Der ehemalige Verteidiger nahm als Spieler an der FIFA Fussball-WM Frankreich 1998™ teil

  • Southgate: "Wir haben eine Reihe sehr aufregender junger Spieler"

Gareth Southgate hat als Spieler bei WM-Turnieren vor ganz verschiedenen Herausforderungen gestanden. 1998 in Frankreich feierte er im ersten Spiel der Engländer gegen Tunesien sein WM-Debüt. Dann verpasste er verletzungsbedingt zwei Spiele und kehrte erst im Achtelfinale gegen Argentinien als Einwechselspieler wieder ins Team zurück. Hier erlebte er die Verlängerung und dann die Niederlage im Elfmeterschießen. Bei der FIFA Fussball-WM 2002 in Korea/Japan war er dann lediglich als Reservespieler dabei und wurde nicht eingesetzt.

Man kann also mit Fug und Recht feststellen, dass er die Voraussetzungen perfekt erfüllt, den englischen Kader zu führen, der sich in wenigen Monaten ganz eigenen Herausforderungen stellen wird. Southgate übernahm das Amt im November 2016 als dritter Trainer innerhalb weniger Monate. Er führte das Team ohne Niederlage durch die Qualifikation für die FIFA Fussball-WM Russland 2018™, wobei England die Qualifikationsgruppe F als Sieger beendete.

Bei der Endrundenauslosung wollte es das Schicksal, dass Southgate auch als Nationaltrainer sein WM-Debüt gegen Tunesien bestreitet. Die weiteren Gegner in Gruppe G sind Panama und Belgien. Der ehemalige Verteidiger, der insgesamt 57 Mal für England spielte, sprach exklusiv mit FIFA.com über die nun beginnende letzte Phase der Vorbereitung auf Russland 2018.

Zunächst einmal die Frage, wie gefällt Ihnen der Job als Englands Nationaltrainer? Ist es so, wie Sie es erwartet haben? Ich denke, es ist ein Glück für mich, dass ich zuvor U-21-Auswahltrainer war und auch selbst für England gespielt habe. Daher hatte ich eine recht gute Vorstellung von der Arbeit als Nationaltrainer. Ich habe ja ziemlich eng mit Roy [Hodgson] zusammengearbeitet und viel von den Sachen mitbekommen, mit denen er sich beschäftigen musste. Daher habe ich mir keine Illusionen gemacht, wie schwer diese Aufgabe ist. Aber es macht mir viel Spaß. Es ist eine große Herausforderung und sein Land zur WM zu führen, ist etwas ganz Besonderes.

Sie wurden gleich ins kalte Wasser geworfen, zunächst als Interimstrainer, nachdem Sam Allardyce nach nur einem einzigen Spiel den Posten wieder räumte. Können Sie Ihre Emotionen in den ersten Tagen und Wochen nach Ihrer Ernennung beschreiben? Das waren schon ungewöhnliche Umstände. Roy und Sam waren mir gegenüber in ihrer Position sehr gut. Ich hatte es ganz bestimmt nicht auf ihren Posten abgesehen. Als Sam im Oktober seinen Platz räumte, hatten wir buchstäblich nur noch drei Tage für die Vorbereitung eines Trainingslagers. Ich hatte also wirklich nicht viel Zeit, darüber nachzudenken. Mir war klar, dass ich am besten geeignet war, die Lücke zu füllen und die Mannschaft in der Qualifikation auf Kurs zu halten.

England hat in der WM-Qualifikation einige Spiele erst durch späte Tore für sich entschieden. Welcher Moment war für Sie auf dem Weg nach Russland herausragend und warum? Ich habe mit dem Team darüber gesprochen, wie wichtig es ist, späte Tore zu erzielen, statt sie zu kassieren. Das zeichnet die besten Teams aus. Es kommt vor, dass man in bestimmten Spielen dominiert und viel mehr vom Ball hat, und dass der Gegner dann in der Schlussphase erschöpft ist und nachlässt.

Das packendste Spiel war wohl das in Schottland. Wir hatten gut 80 Minuten lang so ziemlich alles unter Kontrolle. Dann aber änderte sich durch zwei brillante Freistöße von Leigh Griffiths alles. Dass wir in dieser Situation doch noch den Ausgleich geschafft haben, war im Hinblick auf die Qualifikation sehr, sehr wichtig.

Am Ende hatten wir in der Gruppe zwar einen komfortablen Vorsprung, doch wenn wir diesen einen Punkt nicht gerettet hätten, dann hätte sich die Dynamik der Gruppe verändert.

Englands Gegner in Gruppe G in Russland: Tunesien: 18. Juni, Wolgograd Das ist durchaus ein kurioser Zufall. (Southgate feierte sein WM-Debüt als Spieler 1998 in Frankreich ebenfalls gegen Tunesien). Sie hatten es in der afrikanischen Qualifikation schwer, denn die Gegner sind sehr stark und die Gruppen sind klein, man darf sich also kaum Ausrutscher leisten. Tunesien hat eine sehr interessante Mannschaft. Einige Spieler haben einen tollen Torriecher und können gegen jeden Gegner zum Torerfolg kommen.

Panama: 24. Juni, Nischni Nowgorod Wir haben erfahren, dass dieses Team über unglaublichen Kampfgeist verfügt. Ihr Weg in der Qualifikation war eine fantastische Sache. Man erkennt sofort, wie viel Energie in diesem Team steckt. Sie sind gut organisiert und werden ganz sicher voller Hoffnung und Optimismus ins Turnier starten. Panama ist für jeden ein gefährlicher Gegner.

Belgien: 28. Juni, Kaliningrad Was die individuellen Stärken und Schwächen angeht, gibt es bei den Belgiern keine Überraschungen. Dieses Team spielt schon seit geraumer Zeit zusammen. Beim Turnier in Brasilien hatten die Belgier einen sehr starken Lauf. Sie haben viele erfahrene Spieler mit 50 oder noch mehr Länderspielen. Solche Mannschaften erreichen oft ihren Leistungshorizont.

Wie viele Plätze sind in Englands Kader für Russland 2018 noch zu besetzen? Nicht sehr viele. Wir haben den Kader ziemlich klar vor Augen. Allerdings hatten wir bisher nur wenige Möglichkeiten, regelmäßig zusammen zu spielen. Natürlich erwartet jeder, dass Harry Kane zum Team gehört, aber er stand nur bei sechs der 14 Spiele seit meinem Amtsantritt zur Verfügung. Es fehlt uns noch etwas die Konstanz bei der Zusammenstellung des Kaders.

Es sind durchaus noch Plätze im Kader zu vergeben, aber viele sind es nicht. Wir haben nach 18 Monaten ein ziemlich klares Bild und wissen, wer unsere stärksten Spieler sind. Bei ein, zwei Spielern gibt es auch noch Verletzungssorgen. Manche haben in dieser Saison nicht allzu viel gespielt aber davon abgesehen bleiben kaum noch Entscheidungen zu treffen.

Southgates möglicher Kader Harry Kane Er stand nur in sechs meiner 14 Spiele zur Verfügung, aber in diesen sechs Spielen hat er sieben Tore gemacht. Man braucht nun wirklich kein Nobelpreisträger zu sein, um zu erkennen, dass das ein ziemlich wichtiger Beitrag ist. Genau so wichtig ist seine Mentalität, seine Einstellung. Er hat den festen Willen, ein Weltklassespieler zu sein und tut derzeit alles dafür. Er gehört auf jeden Fall schon jetzt zu den besten Stürmern der Welt. Für ihn ist dieses große Turnier die perfekte Gelegenheit, sich selbst herauszufordern.

Die Verteidiger Ich hoffe, dass sie alle noch besser sind als ich damals! Mein Job besteht darin, ihnen zu helfen, sich zu steigern und ein möglichst hohes Niveau zu erreichen. Für das Team wünschen wir uns natürlich ballsichere Verteidiger, die von hinten heraus das Spiel aufbauen können, die sich mit dem Ball wohlfühlen. Das halte ich auf internationaler Ebene für sehr wichtig. Für Spitzenteams ist das absolut notwendig.

Die Einheit Es macht großen Spaß, mit dieser Gruppe zu arbeiten. Sie sind gern zusammen, viele haben schon früher zusammen gespielt und die meisten sind schon etwas länger in der Nationalmannschaft dabei. Sie sind offen und kommen gut miteinander klar. Beim Essen sitzen immer wieder andere Grüppchen zusammen. Wir haben also kein Cliquenbildung nach Klubs oder so. Das ist eine gute Ausgangsbasis.