Freitag 30 September 2016, 07:18

Keita lässt auf Worte Taten folgen

Man muss höllisch aufpassen, wenn einem ein Mikrofon vor die Nase gehalten wird. Alles, was man sagt, wird genauestens notiert, aufgezeichnet, gespeichert und ist für alle Zeiten abrufbar. 2014 ließ sich Naby Keita dazu hinreißen, sich in einem Interview für seinen ehemaligen Klub Red Bull Salzburg in aller Offenheit zu präsentieren und dachte nicht an die Konsequenzen. "Ich habe davon geträumt, der beste Fussballer Afrikas zu werden und eines Tages für den FC Barcelona zu spielen." War dies vielleicht nicht doch ein wenig zu anmaßend für einen 19-jährigen Guineer ohne wirkliche Erfahrung auf Spitzenniveau?

Weniger als zwei Jahre später ist er Stammspieler in der deutschen Bundesliga und Leistungsträger der guineischen Nationalmannschaft. Er hat seinen Äußerungen in Österreich Taten folgen lassen und keinen Grund, sie zurückzunehmen. "Ich habe immer noch das gleiche Ziel, das hat sich nicht geändert", versichert der Mittelfeldspieler von RB Leipzig gegenüber FIFA.com, obgleich es sich in Nuancen doch ein wenig anders anhört. "Als ich klein war, liebte ich Barça. Aber heute will ich einfach nur eines Tages bei einem großen Klub spielen. Real Madrid oder Bayern München gehören dazu."

Mit seinem Wechsel von der österreichischen in die deutsche Bundesliga hat Keita einen weiteren Schritt gemacht, um sich seine Träume zu erfüllen. Was die individuelle Auszeichnung als bester afrikanischer Spieler betrifft, bereitet er sich darauf vor, indem er schon einmal diverse Preise abräumt. So wurde er 2015/16 in Österreich als bester Spieler der Saison und 2015 in Guinea als Fussballer des Jahres ausgezeichnet. "Diese Titel haben mich noch mehr motiviert, weiter zu arbeiten und besser zu werden. Ich bin auf dem richtigen Weg", sagt er fast unangenehm berührt und verrät damit eine Schüchternheit, die indes nicht unvereinbar mit großem Ehrgeiz ist. "Der nächste Schritt ist, der beste Spieler in Deutschland zu werden. Die Menschen werden nicht unbedingt daran glauben, aber ich werde es versuchen und mit meinem Team hart arbeiten, um das zu erreichen."

Schon immer der Beste Um Worten Nachdruck zu verleihen, lässt man am besten Taten sprechen. Zu Beginn der Meisterschaft nahm Keita in der Begegnung gegen das Spitzenteam von Borussia Dortmund seinen Platz auf der Ersatzbank ein. Als er beim Stand von 0:0 gegen Ende der Partie eingewechselt wurde, bescherte der offensive Mittelfeldspieler den Roten Bullen mit einem Treffer in der 89. Minute den Sieg. Der Aufsteiger aus Leipzig hat offizielle Ziele ausgerufen, und Keita stimmt die gleichen Töne an. "Der Klassenerhalt ist das Ziel des Klubs, und das müssen wir akzeptieren. Wenn der Klub zu uns sagt: 'Wir wollen diesen Platz oder jenes Ziel erreichen', werden wir alles geben, um es zu schaffen", bekräftigt er. "Aber es gibt das offizielle Ziel und das in unseren Köpfen. Wenn es die Chance gibt, besser zu sein, werden wir sie nutzen."

Schon in jungen Jahren hat Keita daran Geschmack gefunden, der Beste zu sein. In den Straßen von Matam, einem einfachen Viertel von Conakry. "Als ich klein war und bei Turnieren mitspielte, wurde ich immer zum besten Spieler gewählt und war immer der beste Torschütze", sagt er stolz, ohne arrogant zu wirken. "Wenn man sich daran gewöhnt hat, der Beste zu sein, will man es bleiben. Alles, was ich tue, mache ich, um der Beste zu sein. Auch wenn ich es nicht schaffe, muss ich alles dafür tun", sagt er voller Überzeugung und erklärt, dass die Ursprünge dieses Ehrgeizes außerhalb des Sports liegen. "Es war nie leicht für mich. Mein Vater hat keine Arbeit gehabt, meine Mutter auch nicht. Ich war der einzige, der ihnen helfen konnte. Ich möchte nicht zu sehr auf die Einzelheiten eingehen, sonst fange ich an zu weinen", gibt er schamhaft zu.

Die Einzelheiten sind: Eine arme Familie, ein schwerer Alltag, die Erziehung durch eine ältere Schwester, die ihren Brüdern das beibrachte, was sie in der Schule lernte sowie einige Hilfsarbeiten für den Vater, der gelegentlich Motorräder reparierte. "Als ich im Alter von zwölf oder 13 Jahren regelmäßig Fussball gespielt habe, haben die Leute erstmals zu mir gesagt, dass ich eine Zukunft habe. Seitdem geht mir das nicht aus dem Kopf. Ich versuche, auf bestimmte Dinge zu verzichten, um mich auf den Fussball zu konzentrieren, weil ich wusste, dass ich meinen Eltern eines Tages helfen können würde."

Für die Familie und das Land Was Naby noch nicht wusste, als er diese Entscheidung traf, war, dass er dank seiner talentierten Füße nicht nur seinen nächsten Verwandten helfen würde. "Es ist schwer für uns afrikanische Spieler. Es ist nicht leicht, mit einer afrikanischen Familie umzugehen", erklärt der junge Mann, der sein Land als 18-Jähriger verließ, um beim französischen Zweitligisten Istres anzuheuern. 2013 wechselte er nach Salzburg. "Da ist meine Mutter. Dann gibt es noch ihre Schwester, ihren großen Bruder - und jeder hat seine eigene Familie. Und du bist es, der sich für sie um alles kümmern muss. Es ist nicht leicht für uns. Du arbeitest und kannst dich nie erholen."

Umso weniger, wenn noch die Verantwortung dazu kommt, ein ganzes Land glücklich zu machen. Naby hat dies erfahren, als er in der zweiten Runde der Afrika-Qualifikation für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™ für die Sylie National sowohl im Hin- wie auch im Rückspiel gegen Namibia traf und sein Team in die Gruppenphase führte. "Ich werde das Gleiche versuchen, um mein Land zur WM zu führen", kündigt er kurz vor der kommenden Partie Guineas am 9. Oktober gegen Tunesien an. "Es wäre fantastisch, weil wir ein Land sind, das den Fussball liebt. Bisher gelingen uns noch nicht die Ergebnisse, um es glücklich zu machen. Wir fragen uns selbst, was nicht gut läuft, weil wir ein talentiertes Team haben. Wir spielen gut, aber verlieren Spiele, die wir nicht verlieren dürfen. Aber dieses Mal haben wir eine Mannschaft, die es schaffen kann. Diese Generation kann etwas verändern."

Und wenn Naby Keita etwas ankündigt, weiß er, dass seine Worte aufgezeichnet werden und er daran gemessen werden kann.