Mittwoch 14 Juni 2017, 23:00

Von Tahuichi bis ins Aztekenstadion: Boliviens Aufstieg und Fall

  • Bolivien erreichte 1994 nach 44 Jahren wieder eine WM-Endrunde und war auch beim FIFA Konföderationen-Pokal 1999 dabei

  • Bolivien blieb sieglos und holte drei Unentschieden

  • Die Tahuichi-Fussballschule spielte eine zentrale Rolle

Als Bolivien 1994 nach 44 Jahren erstmals wieder die Endrunde einer FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ erreichte, kam das Land scheinbar aus dem Nichts. "Aber dem Ganzen ging eine Entwicklung voraus", betont der ehemalige Stürmer Jaime Moreno. Er gehörte zur Goldenen Generation des südamerikanischen Landes, das auch beim FIFA Konföderationen Pokal 1999 dabei war. "Die Mannschaft und ihre Erfolge waren das Ergebnis von 15 Jahren Vorbereitung."

Moreno, Marco El Diablo Etcheverry, Erwin Sanchez, Luis Cristaldo und eine ganze Reihe anderer junger Talente eroberten die Fussballwelt in den 90er-Jahren im Sturm – und sie alle entstammten der berühmten Tahuichi-Akademie. Die im bolivianischen Hinterland gelegene Fussballschule wurde 1978 eröffnet, um den Ärmsten der Armen in Bolivien eine Chance zu geben und die Not im Land zu bekämpfen.

"Diese Jahre bedeuteten mir und allen im bolivianischen Fussball alles", sagt Moreno, der insgesamt 75 Länderspiele für Bolivien bestritt. "Tahuichi bedeutete uns alles. Alles, was wir erreicht haben, wurde uns dort beigebracht."

Moreno und die anderen der so genannten "Goldenen Generation" hatten schon als Teenager zusammen gespielt, gelebt und geträumt, bis sie schließlich die Achse einer immens heimstarken bolivianischen Nationalmannschaft bildeten, die in La Paz schier unschlagbar war. 1997 erreichte sie das Finale der Copa América und war, wenn auch nur für kurze Zeit, eine feste Größe auf internationaler Ebene. "Als wir noch bei Tahuichi waren, sind wir quer durch Europa und die USA gereist", erinnert sich Moreno, der später bei DC United in der Major League Soccer zur Legende wurde. In Washington spielte er mit Landsmann Etcheverry zusammen, ebenfalls ein Tahuichi-Absolvent. "Wir haben gelernt, zusammen zu siegen und gemeinsam besser und größer zu sein, als wir es uns je erträumt hätten."

Nobelpreise und Weltbühne Es kommt nicht unbedingt oft vor, dass eine Fussballschule für den Friedensnobelpreis nominiert wird. Tahuichi wurde indes nicht weniger als sechs Mal für diese Auszeichnung nominiert.

"Wir waren hungriger als die meisten anderen", sagt Moreno, der heute in den Mittelatlantikstaaten der USA seine eigene Fussballschule betreibt und dort heimisch geworden ist. "Wenn man im Leben durch eine harte Schule geht, macht einen das stärker. Wer diesen Hunger nicht hat, der gibt vielleicht auf, wenn es mal Gegenwind gibt. Manchmal laufen die Dinge zu glatt. Wir Spieler, die wir die Fussballschule Tahuichi durchlaufen haben, hatten es nie einfach."

"Der Höhepunkt des bolivianischen Fussballs war natürlich die Weltmeisterschaft 1994", sagt Moreno, verweist aber im selben Atemzug darauf, dass das Andenland schon die Endrunde 1990 nur um einen Punkt verpasst hatte. "Aber es hat lange gedauert, bis wir eine Mannschaft waren, die erfolgreich sein konnte."

"Ein gutes Dutzend Spieler in unserem Kader spielte zusammen, seit sie sich mit ungefähr 14 Jahren in Tahuichi zusammengefunden hatten", fährt er fort. "Da sieht man, was möglich ist, wenn eine Gruppe sich über einen langen Zeitraum einspielen kann."

Wenn 1994 die Glanzzeit des bolivianischen Fussballs war, so markierte 1999 den Abgesang der Goldenen Generation. Es war ein kurzer aber laut Moreno heftiger Flirt mit der Weltspitze des Fussballs.

"Jedes Turnier ist wichtig. Allein das Nationaltrikot überzustreifen, ist unbeschreiblich. Und mit der Nationalmannschaft dann beim FIFA Konföderationen-Pokal zu spielen – ein globales Turnier! Wir waren so aufgeregt, dabei zu sein, noch dazu in Mexiko und im Azteken-Stadion. Zu Hause saß das ganze Land am Fernseher und man wusste einfach, man war Teil von etwas Besonderem."

"All das sind besondere Momente und es ist schade, dass wir nicht noch mehr erreicht haben, aber die Vorbereitungen liefen nicht perfekt", so Moreno weiter. Bis heute sehnt er den Moment herbei, da sein Geburtsland wieder an einer WM teilnimmt. "Aber ich werde nie vergessen, dass ich dabei war."