Dienstag 28 September 2021, 03:00

Sarmiento: Ein Spiel gegen Brasilien ist für jeden Argentinier etwas Besonderes

  • Brasilien und Argentinien treffen im Halbfinale von Litauen 2021 aufeinander

  • Albiceleste-Torhüter Nico Sarmiento blickt vorab auf diese Partie

  • Er schwärmt von seinem Kollegen und Freund Lucas Farach, dem Helden des Sechsmeterschießens im Viertelfinale gegen die RFU

Nachdem Lucas Farach den entscheidenden Sechsmeter gehalten hatte und Argentinien sich im Viertelfinale der FIFA Futsal-Weltmeisterschaft Litauen 2021™ gegen die RFU durchgesetzt hatte, war er von jubelnden Teamkameraden umringt. Mitten darunter war auch sein Torhüterkollege Nico Sarmiento, der den Helden immer wieder umarmte und gar nicht mehr aufhört, ihn zu loben.

Sekunden zuvor hatten sich die beiden einen wissenden Blick zugeworfen, als Romulo zum siebten Sechsmeter für die RFU antrat. Es war ein Blick, der dazu führte, dass Farach Sarmiento zwischen den Pfosten ablöste. "Als er mich ansah, konnte ich erkennen, dass er voller Selbstvertrauen war, und als er mich fragte, ob wir tauschen könnten, haben wir nicht lange überlegt", so Sarmiento gegenüber FIFA.com. Diese Entscheidung erwies sich als goldrichtig, denn Romulo scheiterte an Farach – und damit stand Argentinien im Halbfinale, wo der Erzrivale Brasilien wartet.

Wir sprachen mit Sarmiento, dem Gewinner des Goldenen Handschuhs von adidas bei der WM 2016 in Kolumbien, über die Beziehung zu seinem Teamkameraden, das Viertelfinalduel gegen RFU, seine Hoffnungen auf den erneuten Gewinn der FIFA Futsal-WM, was es bedeutet, gegen Brasilien zu spielen, und eine besondere Botschaft, die über die sozialen Medien kam.

FIFA.com: Haben Sie nach dem Spiel gegen die RFU viele Nachrichten bekommen?

Nico Sarmiento: Unzählige! Alle waren überglücklich, obwohl wir ihnen wirklich alles abverlangt haben, sogar Leute, die noch nie ein Futsal-Spiel gesehen hatten und sich jetzt dafür begeistern. Wir sind sehr glücklich, dass wir ein Lächeln in die Gesichter unserer Familien und Freunde gezaubert haben.

Es gab sogar eine Nachricht auf Instagram für dich von einem bestimmten Fussballspieler, der gerade in Paris ist.

[seufzt] Wir sind hier alle große Fans von ihm. Wenn du Lionel Messi nicht magst, magst du keinen Fussball! Jeder in der Mannschaft liebt den Fussball, und wir sind sehr stolz darauf, dass der beste Spieler der Welt uns beobachtet. Dass Messi unser Turnier verfolgt und wir das wissen, ist eine weitere Quelle der Motivation für das Spiel gegen Brasilien.

Was für ein Gefühl war es, dass zwei von Ihnen - Sie und Ihr Teamkollege Lucas Farach - in einem Sechsmeterschießen Schüsse gehalten haben und Sie sich deswegen für die Runde der letzten Vier qualifiziert haben?

Nachdem sich der Staub gelegt hat, sind wir sehr glücklich. Schließlich wissen wir, wie schwierig es ist, bei einer Weltmeisterschaft ins Halbfinale zu kommen. Es ist ein großartiges Gefühl, einen Beitrag leisten zu können, indem wir Sechsmeter parieren. Es ist eine Alles-oder-Nichts-Situation, und in den letzten Wochen haben wir dafür trainiert und mit den Trainern und unseren Mitspielern daran gearbeitet.

Wie bereitet man sich auf ein solches Sechsmeterschießen vor?

Indem man den Ball im Training immer wieder aufs Tor jagt! [lacht] In den Wochen vor dem Turnier hat der Rest der Mannschaft an der Schusstechnik gearbeitet und wir haben versucht, die Schüsse zu parieren. Der Torwarttrainer Nico Noriega und der Videoanalytiker haben uns vor jedem Spiel Videos von gegnerischen Schüssen gezeigt, damit wir sehen können, welche Gewohnheiten sie haben und wie sie auf den Ball zulaufen. Sie sorgen dafür, dass wir so viele Informationen wie möglich haben. Wenn die Nerven blank liegen und das Adrenalin pulsiert, vergisst man schnell, wenn die Informationen nicht eindeutig waren.

Sie schienen sehr glücklich zu sein, als Farach den entscheidenden Schuss hielt?

Ich war absolut begeistert und habe mich sehr für Lucas gefreut. Ich weiß, wie hart er gearbeitet und gekämpft hat, um bei dieser Weltmeisterschaft dabei zu sein und um immer bereit zu sein, wenn er gebraucht wird. Als er vor dem letzten Sechsmeter zu mir hinübersah, konnte ich sehen, dass er voller Selbstvertrauen war, und als er mich fragte, ob wir tauschen könnten, haben wir nicht lange überlegt. Wir haben ein großartiges Verhältnis. Das macht die Sache sehr viel leichter. Wir helfen uns ständig gegenseitig.

Haben Sie beide diese Entscheidung getroffen oder liegt sie bei den Trainern?

Der Trainer lässt uns viel Freiraum, um zu entscheiden, wie es uns besser gefällt. Wir haben vor dem Sechsmeterschießen mit ihm und dem Torwarttrainer darüber gesprochen. Wir haben uns darauf geeinigt, wer bei den ersten Schüssen jeweils im Tor steht. Danach wollten wir dann einfach Schuss für Schuss entscheiden. Weil wir wissen, dass wir die Unterstützung des anderen und unserer Mannschaftskameraden haben, sind wir viel ruhiger, und das kann den Ausschlag geben, wenn wir unter Druck stehen.

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Sie haben die Angewohnheit, sich zu bücken und auf den Boden zu schlagen. Können Sie uns verraten, was es damit auf sich hat?

Darüber habe ich noch nicht viel nachgedacht. [lächelt] Eigentlich habe ich keine wirkliche Erklärung dafür. Manchmal sehe ich mich selbst im Video und frage mich: 'Was zum Teufel mache ich da eigentlich?' [lacht] Es passiert einfach und es ist nichts, was ich ändern kann oder will. Das gehört einfach zu mir. Es bricht aus mir heraus und so leide ich, erlebe und genieße ich Spiele.

Im Spiel gegen RFU hat das fünfte Foul, das Sie sich in der zweiten Halbzeit geleistet haben, das Spiel verändert.

Ja, es bedeutete, dass wir unseren Spielplan ändern mussten. Es war ein K.o.-Spiel, in dem wir natürlich aufpassen müssen, wie wir in 50:50-Duelle gehen. Wir wussten, dass wir nicht zu sehr pressen konnten, weil sie einige Spieler haben, die sich in Eins-gegen-Eins-Situationen auszeichnen, so dass jeder Kontakt ein Foul sein kann. Sie bekamen einen direkten Freistoß, den ich zum Glück parieren konnte.

Was bedeutet es, in einem WM-Spiel gegen Brasilien anzutreten?

[zögert] Ich hoffe, dass es ein großartiges Spiel wird und ich hoffe natürlich, dass wir gewinnen. Wir erwarten ein unterhaltsames Spiel, weil wir gegen die beste Mannschaft des Turniers antreten werden. Wir müssen genau das Gleiche tun, was wir gegen die RFU getan haben, nämlich ihre besten Spieler ausschalten und das Beste aus unseren Chancen machen. Wir haben großes Glück, denn es ist ein Traum, bei der Weltmeisterschaft gegen Brasilien anzutreten.

Sie haben die RFU hier besiegt, ebenso wie schon 2016 im WM-Finale. Nun geht es gegen Brasilien, das sie 2020 in der WM-Qualifikation im Auswärtsspiel geschlagen haben.

Wenn wir dadurch einen emotionalen Schub bekommen, dann ist das großartig, aber was bei früheren Turnieren passiert ist, bedeutet eigentlich nicht viel. Es ist nicht nur ein weiteres Spiel für sie oder für uns. Wenn man in Brasilien oder Argentinien geboren ist, ist es immer etwas Besonderes, wenn die beiden Mannschaften aufeinandertreffen. Es ist ein Spiel, das jeder, der jemals gegen einen Ball getreten hat, schon immer mal spielen wollte.

Wenn es irgendwo da draußen einen Argentinier geben sollte, der nicht gegen Brasilien spielen will, dann sollte der wohl mit dem Sport aufhören...

Wir sollten ihm den Pass wegnehmen. [lacht] Das ist einzigartig, ein Traum. Genau mit dieser Einstellung müssen wir diese Sache angehen. Ein Duell mit Brasilien erfüllt uns mit Siegeswillen, mit Enthusiasmus, mit großer Motivation.

Empfinden Sie als amtierender Weltmeister besonderen Druck?

Nein, deswegen stehen wir nicht unter besonderem Druck. Unser Ziel ist weiterhin, in jedem Spiel alles zu geben, um es bis ins Finale zu schaffen. Wir versuchen, alles als positive Stärkung zu nutzen und äußeren Druck zu ignorieren. Viele von uns haben schon zuvor bei Weltmeisterschaften gespielt. Wir wissen, dass bei einem solchen Turnier ein kühler Kopf sehr viel wert ist.

Ferrao, der den Ball mit dem Rücken zum Tor annimmt, Rodrigo, der aus allen Lagen schießt, die Magie von Pito und Leozinho... Wie bereitet man sich als Torhüter auf die brasilianischen Angreifer vor?

Bei Brasilien gehe ich immer auf die gleiche Weise an die Spiele heran. Wir wissen, dass jeder Pass und jeder Angriff gefährlich ist. Letztlich war es allerdings auch gegen RFU so, mit Robinho, [Ivan] Chishkala, Eder Lima und den anderen. Gegen solche Mannschaften darf man sich keine Sekunde lang entspannen oder die Konzentration verlieren. Jede Minute zählt, und wenn man auch nur ein bisschen nachlässt, kann man das teuer bezahlen.

Sie wurden 2016 in Kolumbien zum besten Torhüter des Turniers gewählt. Wie wichtig ist es für Sie, dieses Niveau hier zu halten?

Mein Ziel hier ist es, der Mannschaft zu helfen und mein bestes Spiel zu zeigen. Das macht mich zufrieden, nicht der Gewinn einer individuellen Auszeichnung. Dafür habe ich vor dem Turnier gearbeitet, trainiert und mich vorbereitet. Ich möchte, dass meine Mannschaftskameraden das Selbstvertrauen haben, zu spielen und zu wissen, dass ich in jeder Situation für sie da sein werde.

Wie viel würde es Ihnen bedeuten, erneut Weltmeister zu werden?

[seufzt] Wir denken nur von Spiel zu Spiel. Schließlich haben wir als Nächstes Brasilien vor uns. [lächelt] Ich möchte jetzt noch nicht darüber hinaus denken. Es wäre ein Fehler, wenn wir das täten. Das ist die Philosophie, mit der wir so weit gekommen sind und die uns geholfen hat, die WM 2016 zu gewinnen, und wir wollen sie auch in der Nationalmannschaft weiterverfolgen.

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