Dienstag 02 Mai 2017, 09:44

Kuranyi: "Deutschland ist dieses Jahr Favorit"

  • Kevin Kuranyi spielte fünf Jahre für den russischen Verein Dynamo Moskau

  • Der deutsche Ex-Nationalstürmer hat Confed-Cup-Erfahrung

  • Für Kuranyi ist in diesem Sommer Deutschland der Favorit

Russische Fans reagieren oft verhalten, wenn ihre Klubs große ausländische Stars engagieren. Kevin Kuranyi aber war ein Spieler, der nach seiner Verpflichtung keines der gängigen Stereotype bestätigte. In den fünf Jahren, in denen er bei Dynamo Moskau als Sturmspitze agierte, ließ er nicht eine Sekunde lang Zweifel an seinem Sportsgeist und seiner Professionalität aufkommen. Mit 56 Toren in allen Wettbewerben zusammen avancierte er zum zweitbesten Torschützen des Klubs seit dem Fall der Sowjetunion.

Als die Anhänger Dynamos Kuranyi im Frühjahr 2015 einen fantastischen Abschied bereiteten, blieb kaum ein Auge trocken. Nach einer Ehrenrunde mit Sohn Karlo und Tochter Vivien brach auch der Deutsche gerührt in Tränen aus. Eine solch starke Beziehung zwischen einem Spieler und den Fans, die auf gegenseitiger Zuneigung und Respekt beruht, ist in den heutigen Zeiten nicht mehr oft anzutreffen.

"Als ich frisch nach Moskau gezogen war, dachte ich, dass die Russen verschlossen und ernst sind", erzählt der 35-Jährige, der Ende März seine aktive Karriere beendet hat. "Das war ein falscher Eindruck. Du musst einfach persönlich mit den Menschen sprechen, und sie öffnen sich dir und sind die freundlichsten und offensten Zeitgenossen der Welt."

Nach den fünf Spielzeiten bei Dynamo sagt Kuranyi von sich selbst, dass er sich ein wenig wie ein Russe fühle. "Wenn ich jemanden aus Russland treffe, finden wir praktisch immer Gemeinsamkeiten", sagt er lachend. "Die Russen sind gutmütig, leidenschaftlich und direkt. Um Probleme reden sie nicht herum. Sie sagen dir ins Gesicht, was sie denken."

Der ehemalige Stürmer plant, schon bald nach Russland zurückzukehren. Er wird voraussichtlich als TV-Experte bei der Berichterstattung über den Konföderationen-Pokal vor Ort sein. "Es gibt Gespräche mit deutschen Sendeanstalten. Wir sehen uns beim Konföderationen-Pokal im Juni!"

Deutschland 2005 großer Erfolg Für deutsche Sportberichterstatter ist Kuranyi ein Glücksfall. Neben der Tatsache, dass er deutscher Nationalspieler war, verfügt er über umfassendes Wissen über den russischen Fussball. Er kennt die Kultur und Traditionen des Landes. Der einstige Torjäger hat sowohl unter Joachim Löw als auch unter Stanislav Cherchesov gespielt und weiß mehr über die deutschen und russischen Nationalspieler als kaum ein anderer. Nicht zuletzt weiß er, wie es sich anfühlt, selbst beim Konföderationen-Pokal zu spielen. Der perfekte Experte.

"Beim Konföderationen-Pokal 2005 zu spielen, war etwas Besonderes für mich", sagt Kuranyi, der in der Auflage auf heimischem Boden jeweils ein Tor gegen Australien und Argentinien beisteuerte. "Wir hatten die Chance, die Atmosphäre bei einem großen Fussballturnier aufzusaugen und waren die ersten, die in den renovierten Stadien in Nürnberg, Leipzig und Frankfurt spielen durften."

Deutschland erzielte bei jenem Turnier in jeder Partie mindestens zwei Treffer, aber selbst das reichte nicht, um im Halbfinale gegen Brasilien zu bestehen. Die Schützlinge von Jürgen Klinsmann fanden einfach kein Rezept gegen das Angriffs-Duo Adriano und Ronaldinho und verloren 2:3.

"Ein Blick auf den Kader Brasiliens bei diesem Turnier genügt, um zu wissen, warum sie die Favoriten waren", sagt Kuranyi rückblickend. "Es gab keine Schwachpunkte in der Aufstellung. Sie hatten auf wirklich jeder Position kolossale Spieler."

Die Seleção sollte sich später den Pokal sichern, während sich die Gastgeber mit dem dritten Platz begnügen mussten. "Tatsächlich wurde der dritte Platz von allen als großer Erfolg angesehen", erklärt Kuranyi, der in 52 Länderspielen 19 Mal für Deutschland traf. "Das Nationalteam war gerade im Umbruch und wurde praktisch von Grund auf erneuert. Es waren viele neue Spieler dabei und auch der Trainerstab war neu. Durch den Sieg gegen Mexiko im Spiel um Platz drei machte das verjüngte Team seinen ersten Schritt nach vorne. Viele junge Spieler waren zum ersten Mal bei einem Fussballturnier dabei und sammelten unbezahlbare Erfahrung."

"Zwölf Jahre später sind wir in einer anderen Phase unserer Entwicklung und ich glaube, dass Deutschland beim Konföderationen-Pokal 2017 der Favorit ist."

Russland im Umbruch Kuranyi glaubt nicht, dass es fair wäre, von der Sbornaya beim bevorstehenden Turnier der Champions eine herausragende Leistung zu erwarten. "Cherchesov hat das Nationalteam nicht gerade in der leichtesten Zeit übernommen", sagt der Deutsche zur Verteidigung des russischen Coaches, mit dem er bei Dynamo zusammengearbeitet hat. "Er musste viele neue Kräfte einbauen. Das Team befindet sich im Grunde in der gleichen Situation wie 2005 Deutschland."

"Wenn es ihm gelingt, die talentierten Spieler zu verbessern und eine gute Mischung aus Jugend und Erfahrung zu finden, kann Russland den dritten Platz schaffen. So wie wir vor zwölf Jahren. Doch es macht keinen Sinn, auf die Spieler Druck auszuüben. Lasst sie einfach guten Fussball spielen und die Erfahrung eines Turniers machen, damit sie für die Aufgabe im nächsten Jahr gut gerüstet sind."