Donnerstag 28 Januar 2021, 10:15

Mariana de Almeida bahnt den Weg und hinterlässt Spuren

  • Die Argentinierin ist eine von drei Schiedsrichterinnen, die in Katar Geschichte schreiben werden

  • Die Klub-WM ist ihr sechstes FIFA-Turnier

  • Gemeinsam mit einer Kollegin erreichte sie bereits einen Meilenstein in der Copa Libertadores

Einen Tag nachdem sie die Partie Independiente gegen Arsenal in der ersten argentinischen Liga geleitet hatte, stand Mariana de Almeida früh auf. Kurze Zeit später fiel ihr auf, dass sie vier verpasste Anrufe von ihrem Ehemann Javier Uziga auf dem Handy hatte. Er ist genau wie sie selbst Schiedsrichterassistent. Auf der Rückreise aus Paraná rief sie ihn besorgt zurück. Doch es gab keinen Grund zur Sorge, denn sie hatte einen begeisterten Javier an der Strippe...

– Du bist bei der Klub-WM dabei, Mariana! Bei der Klub-WM!

"Ich wusste nicht, wovon der sprach, weil ich zu diesem Zeitpunkt weder die Nachrichten noch das Schreiben mit der offiziellen Nominierung gelesen hatte", erklärt De Almeida kurz vor dem Abflug nach Katar im Gespräch mit FIFA.com. "Darauf hatte vorher nichts hingedeutet, deshalb war die Überraschung riesig, aber auch die Freude und der Stolz", fügt die 38-jährige Unparteiische lachend hinzu.

De Almeida ist gemeinsam mit den Brasilianerinnen Edina Alves Batista (Schiedsrichterin) und Neuza Back (Schiedsrichterassistentin) eine der drei ersten Frauen, die dem Schiedsrichteraufgebot einer FIFA Klub-Weltmeisterschaft angehören. Die Auflage von 2020 beginnt am 4. Februar.

"Auf persönlicher Ebene ist das für mich eine Anerkennung meiner beruflichen Laufbahn und ein Beleg für das Vertrauen in meine Arbeit. Gleichzeitig werden immer mehr Schiedsrichterinnen für Männerturniere nominiert. Als ich angefangen habe, war das überhaupt nicht der Fall. Ich hoffe, dass dies weiteren Mädchen und Frauen als Motivation dient, Schiedsrichterinnen zu werden."

Von Fan und Journalistin zur Schiedsrichterin

Wir wollten wissen, wie De Almeida überhaupt zum Fussball gekommen ist. "Es gab keine familiären Einflüsse und ich bin auch keine gute Spielerin, aber ich mochte den Fussball schon immer. Ich sah mir alle möglichen Spiele an, vor allem mit Freunden aus der weiterführenden Schule. Und dann beschloss ich, eine Ausbildung im Zusammenhang mit Sport zu machen."

Im Jahr 2000 begann sie, Sportjournalismus zu studieren. "In einer Vorlesung ging es um das Schiedsrichterwesen, vor allem um das Reglement, und das hat mir gefallen. Aber ich hatte das Gefühl, dass ich meine Kenntnisse vertiefen sollte, wenn ich als Frau über dieses Thema sprechen wollte", erklärt De Almeida.

"Ich habe mit dem Dozenten darüber gesprochen, einem ehemaligen Schiedsrichter, und er hielt das für eine gute Idee. Also empfahl er mir, einen Kurs bei der argentinischen Schiedsrichtervereinigung zu belegen. 'Dort entdecken Sie vielleicht etwas Neues', sagte er. Und er hatte Recht!", meint sie lächelnd.

De Almeida ging ohne Ängste oder Vorurteile an die Sache heran und wurde auch ohne Vorbehalte aufgenommen. "Eine Sekretärin nahm meine Bewerbung entgegen, und ich habe mich von der ersten Minute an wirklich wohl gefühlt. Niemand hat mich komisch angeschaut oder mich gefragt, was ich dort eigentlich will. Außerdem gab es auch an der Journalistenschule nicht besonders viele Mädchen. Das hat sich alles ganz normal angefühlt."

Ihre Begeisterung stieg, als die praktischen Einheiten begannen. "Das hat mir wirklich gut gefallen, und ich habe zum ersten Mal darüber nachgedacht, das Ganze zu meinem Beruf zu machen. Zu diesem Zeitpunkt absolvierte ich ein Praktikum bei einer Sportzeitung, aber ich wusste, dass sich beides nicht vereinbaren ließ. Also habe ich mich für das Schiedsrichterwesen entschieden."

Selber pfeifen wollte sie allerdings nicht unbedingt. "Es hat mir von Anfang an besser gefallen, mit dem Schiedsrichter zusammenzuarbeiten und diese sekundäre Rolle zu übernehmen, die manchmal auch zur Hauptrolle wird, weil unsere Entscheidungen wichtig sind. Ich fand es super, das Spielgeschehen von der Linie aus zu sehen!", betont die Schiedsrichterassistentin.

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Gute Erfahrungen

De Almeida findet, dass sie sich im Schiedsrichterwesen glücklich schätzen kann. "Mir ist noch nie etwas Komisches passiert und ich hatte auch noch nie das Gefühl, mich heulend in eine Ecke verkriechen zu müssen. Ganz im Gegenteil." Sie begann im Jahr 2006 als Offizielle des argentinischen Fussballverbands AFA im Nachwuchsbereich. "Die Mütter freuten sich, eine Frau auf dieser Position zu sehen, auch wenn sie sich aufgeregt haben, wenn ich Entscheidungen gegen ihre Kinder getroffen habe", meint sie mit Humor.

Ihren Humor verliert sie auch nicht, als sie sich an eine Szene in der zweiten Liga erinnert, wo die Tribünen nicht weit von den Seitenlinien entfernt sind. "Ich zog die Karte aus der Tasche, um etwas zu notieren, und man rief mir Telefonnummern zu... Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen."

Als Schiedsrichterassistentin macht De Almeida keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. "Die Spielregeln sind die gleichen. In Argentinien kenne ich viele Spielerinnen gut, denn wir haben uns praktisch gemeinsam weiterentwickelt! Dasselbe gilt für viele Spieler. Auf dem Platz bringt man mir Respekt entgegen. Die Zeiten, in denen wir absolute Exoten waren, sind längst vorbei."

De Almeida ist zwar seit 2008 FIFA-Schiedsrichterassistentin, ihr erstes FIFA-Turnier war allerdings die FIFA U-20-Frauen-Weltmeisterschaft 2012, an die sie sich noch immer gern erinnert. "Einmal abgesehen davon, dass das eine sehr emotionale Angelegenheit war – ich war Ersatzschiedsrichterin des Finales – haben sie uns auch eine Fahne geschenkt, die ich seitdem benutze."

Es folgten die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2015, das Olympische Fussballturnier der Frauen 2016 und die FIFA U-17-Frauen-Weltmeisterschaft 2018, bevor sie 2019 zum zweiten Mal bei einer WM der A-Nationalteams dabei war, wo sie dem Videobeweis-Team des Finales angehörte. "Es war ein Privileg für mich, dass man mir in Bezug auf ein Instrument vertraute, mit dem ich erst kurz zuvor zum ersten Mal in Kontakt gekommen war."

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Copa Libertadores, Katar und die Zukunft

Im September 2020 erreichte De Almeida dann gemeinsam mit ihrer Landsfrau Daiana Milone einen weiteren Meilenstein: Sie waren die ersten beiden Frauen, die einem Schiedsrichtertrio der Copa Libertadores angehörten (zuvor hatte es bereits Einsätze in der Copa Sudamericana gegeben, bevor der Wettbewerb von der Pandemie ausgebremst wurde).

De Almeida kam bei der Partie Racing Club Avellaneda gegen Nacional Montevideo zum Einsatz, einem Spitzenduell. "Es stimmt schon, dass unser Einsatz aufgrund von COVID-Fällen zustandegekommen ist, aber sie haben ihr Vertrauen in uns gesetzt, obwohl wir seit sieben Monaten kein Spiel mehr geleitet hatten und aus dem Land des Heimteams kamen. Doch später folgten andere Nominierungen, die mit COVID nichts zu tun hatten", betont sie.

Nachdem sie im ersten Finale des professionellen Frauenfussballs in Argentinien zwischen den Boca Juniors und CA River Plate zum Einsatz gekommen ist, denkt De Almeida nur noch an Katar. "Ich bin schon etwas nervös, aber ich will das Ganze trotz der großen Verantwortung genießen." Sie berichtet, dass sie mit Alves Batista und Back eine eigene WhatsApp-Gruppe eingerichtet hat, "nur um über die [Klub]-WM zu reden. Ich kenne die beiden und habe mit beiden bei der WM schon als Videoassistentin zusammengearbeitet. Auch bei anderen Turnieren haben wir uns schon gesehen, obwohl wir noch nie ein Trio gebildet haben."

De Almeida weiß genau, was sie will, auch über die Klub-WM hinaus. "Ich möchte Schiedsrichterin sein, solange mein Körper es erlaubt und sogar noch länger, denn durch den Videobeweis hat sich eine weitere Möglichkeit aufgetan. Aber einmal abgesehen von meinen persönlichen Zielen fände ich es auch gut, wenn es bei der Copa América oder der WM 2022 in Katar eine Schiedsrichterin geben würde. Damit tun sich Möglichkeiten auf, die auch zukünftigen Generationen zugutekommen werden."

De Almeida und ...

  • die Ehe mit einem Schiedsrichterassistenten. "Wir unterstützen einander, helfen uns gegenseitig und haben Verständnis füreinander, auch wenn wir schon das eine oder andere Mal wütend schlafen gegangen sind, weil wir bei einem Spielzug unterschiedlicher Meinung waren."

  • die Spielregeln. "Ich bewahre ein ausgedrucktes Exemplar jeder Version auf, und die letzte will ich immer zur Hand haben, um Dinge anzustreichen oder nachzuschlagen."

  • Erinnerungsstücke. "Ich habe viele Trikots aufgehoben, darunter auch das, was ich bei meinem ersten Einsatz anhatte, in einer Fünferfussball-Liga für Jungen."

  • Erinnerungsstücke II. "Ich habe die Gelben Karten meiner Debüts in den einzelnen Spielklassen aufgehoben und alle FIFA-Abzeichen, die ich benutzt habe."