Montag 13 Juni 2022, 05:00

Zwei "All Whites" diskutieren über Vielfalt und WM-Träume

  • Die Neuseeländer Bill Tuiloma und Logan Rogerson sprachen mit FIFA+

  • Beide sind zuversichtlich, im interkontinentalen Playoff gegen Costa Rica für eine Überraschung sorgen zu können

  • Sie sprechen auch über die veränderte Wahrnehmung des Fußballs in ihren Bevölkerungsgruppen

Die Frage nach der einzigen ungeschlagenen Mannschaft bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Südafrika 2010™ findet sich in nahezu jedem Wissensquiz zur Turniergeschichte. Dass die Antwort nicht etwa Spanien lautet, das mit seiner goldenen Generation den Titel holte, sondern Neuseeland, sorgt dort auch heute noch für großen Stolz.

Dies zeigt zwar, wie bewundernswert die Kiwis in Südafrika auftraten, doch seither sind zwölf Jahre ohne einen weiteren Auftritt auf der Weltbühne vergangen. Fans und Spieler müssen auch nicht daran erinnert werden, dass zwischen Neuseelands erster WM-Teilnahme und dem ungeschlagenen Abenteuer 2010 sechs Turnierauflagen und fast drei Jahrzehnte vergangen waren.

Sie wissen auch nur zu gut, dass in einem Land, in dem der Fußball stets um einen Platz auf der Titelseite kämpfen muss, die Bedeutung einer Rückkehr auf die Weltbühne gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

"Die erfolgreiche Qualifikation für die WM wäre für den Fußball in der Heimat natürlich eine Riesensache", so Flügelspieler Logan Rogerson gegenüber FIFA+. "Ich erinnere mich noch gut an die Begeisterung und die Folgen für den Fußball, als die All Whites 2010 in Südafrika dabei waren. Die WM-Teilnahme inspirierte viele junge Neuseeländer, selbst Fußball zu spielen. Den gleichen Effekt wollen wir auch dieses Mal erzielen. Ich erinnere mich noch, wie ich mitten in der Nacht aufgestanden bin, um zusammen mit meinem Vater die Spiele der WM 2010 zu sehen. Das sind sehr schöne Erinnerungen. Es ist schon verrückt, wenn man bedenkt, dass ich Teil eines Teams sein könnte, das uns wieder auf diese Bühne bringt."

Logan Rogerson (r.)

Bevorstehendes Duell gegen die "Ticos"

Neuseeland braucht nur noch einen Sieg, um diesen Traum wahr zu machen. Doch hinter dieser scheinbar leichten Aufgabe verbirgt sich die harte Realität, dass kaum jemand darauf tippt, dass die Neuseeländer den so wichtigen Sieg einfahren werden.

Die einseitigen Quoten der Buchmacher für das interkontinentale Playoff-Duell gegen Costa Rica spiegeln die bessere Bilanz des Gegners der All Whites wider. Schließlich hat sich der Gegner für vier der letzten fünf WM-Endrunden qualifiziert. Doch wer angesichts dieser Ausgangssituation nun erwartet, dass die Spieler von Danny Hay die Außenseiterrolle annehmen, die Erwartungen nicht zu hoch schrauben und ihre Chancen herunterspielen, liegt ziemlich falsch.

"Wir sind sehr zuversichtlich", sagt Verteidiger Bill Tuiloma, der beim 5:0-Sieg gegen die Salomon-Inseln, der Neuseeland den Playoff-Platz sicherte, zwei Tore erzielte. "Wir glauben fest daran, dass wir es schaffen und das Ticket für die WM-Endrunde buchen können. Dies ist ein sehr wichtiger Moment für uns. Jeder kann im Training sehen, dass alle voll konzentriert sind und die Arbeit leisten, die wir brauchen. Wir haben wirklich ein gutes Gefühl, was dieses Spiel angeht."

Bill Tuiloma (l.)

"Wir werden Costa Rica einen heißen Tanz liefern", ist auch Rogerson überzeugt. "Wir hatten reichlich Zeit, um unseren Spielstil und unsere Identität zu finden, und das sollte bis Dienstag alles perfekt sein. In unserem Kader gibt es reichlich Talent. Und während Neuseeland früher nicht viele Spieler hatte, die in Europa aktiv waren, spielt jetzt fast der gesamte Kader auf einem hohen professionellen Niveau."

Beeindruckende Botschafter

Die Erfahrung in Übersee ist indes nicht der einzige Unterschied zwischen dem aktuellen und den früheren neuseeländischen Teams. Dieser Kader repräsentiert den Schmelztiegel der Kulturen des Landes weitaus besser und spiegelt die Entschlossenheit des Verbandes wider, das "All White" Image des Fußballs zu überwinden.

Für Rogerson, einen Maori, und Tuiloma, der samoanischer Abstammung ist, ist diese visuelle Darstellung von Vielfalt und Inklusivität nicht unbedeutend. Beide sind der Ansicht, dass dies sogar entscheidend ist, um die historische Wahrnehmung des schönsten aller Spiele in ihren Gemeinschaften zu verändern.

"Als ich als Kind Fußball spielte, fragten mich alle in meiner Nachbarschaft immer: 'Was machst du da? Dein Vater hat Rugby gespielt, und auch du solltest Rugby spielen'", erinnert sich Rogerson. "Ich musste mich sogar entscheiden, entweder mit dem Fußball aufzuhören, oder zu meinen Großeltern ziehen, weil ich Fußball spielen wollte, denn dort, wo ich aufwuchs, war Rugby die einzige Möglichkeit.

"Zum Glück haben sich die Zeiten seitdem deutlich geändert, und es ist für Maoris heute definitiv leichter geworden, Fußball zu spielen. Es ist gut, dass sich die Situation ändert. Hoffentlich inspiriert es Kinder aus diesen Kulturen, davon zu träumen, für die All Whites zu spielen, wenn mehr Spieler mit Wurzeln in der Maorikultur und auf den Pazifikinseln im Kader stehen. Für solche Kinder ist es leichter, sich mit Spielern wie Bill und mir zu identifizieren, weil wir einen ähnlichen Hintergrund haben. Ich persönlich komme aus einer kleinen Maori-Stadt, in der es sehr leicht ist, auf die schiefe Bahn zu geraten. Es ist wichtig, dass Kinder aus solchen Gemeinden Vorbilder haben, zu denen sie aufschauen können und die ihnen helfen, ihre Ziele im Leben zu erreichen. Deshalb ist es durchaus von Bedeutung, ein vielfältiges Team zu haben."

Bill Tuiloma (l.)

Auch Tuiloma ist sehr stolz darauf, als Vorbild für seine Gemeinschaft - und für den Fußballsport - zu gelten. "Ich bekomme Nachrichten von Menschen mit Wurzeln auf den Pazifikinseln, die mir sagen, dass ihre Kinder Fußball spielen und so werden wollen wie ich", so der Verteidiger der Portland Timbers. "Es ist schön, so etwas zu lesen, denn wir wollen diese Kinder inspirieren."

Mit ihrem Sprung in die Nationalmannschaft und ihren Erfolgen in Übersee haben die beiden Akteure der All Whites bereits ein außergewöhnliches Beispiel gesetzt. Wenn sie morgen die zwölfjährige Durststrecke des Landes beenden und selbst ein Kapitel WM-Geschichte schreiben können, würden sie damit bei der nächsten Spielergeneration noch größere Träume anheizen.