Donnerstag 02 September 2021, 07:00

Williams – Hüter des liberianischen Traums

  • Ashley Williams ist Torhüter Liberias

  • Seit einem gehaltenen Elfmeter in der Qualifikation ist er ein Nationalheld

  • Seinen Träumen setzt er keine Grenzen

Im liberianischen Fussball kann der Heldenstatus weit über den grünen Rasen hinausgehen. Das beste und bekannteste Beispiel ist George Weah, der nach einer außergewöhnlichen Karriere im Fussball zum Staatspräsidenten aufstieg.

Ob Ashley Williams irgendwann einmal eine Karriere in der Politik anstrebt, ist noch offen. Fest steht aber, dass er bereits jetzt ein Fussball-Nationalheld ist. Auch das genaue Datum, an dem dieser Held geboren wurde, ist bekannt: Es war der 8. September 2019. Da war Williams gerade einmal 18 Jahre alt.

Ashley Williams

In der ersten Runde der Qualifikation zur FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Katar 2022 hatten Liberias Lone Stars das Hinspiel gegen den Erzrivalen Sierra Leone mit 3:1 gewonnen. Im Rückspiel jedoch lagen sie mit 0:1 zurück. Dann kam die 95. Minute. Elfmeter für die Hausherren. Kapitän und Spielmacher Umaru Bangura trat an, um das Weiterkommen seiner Mnanschaft zu besiegeln. Doch Williams hatte etwas dagegen. Er ahnte die Ecke und hielt.

"Ich würde mich nicht mal als Elfmeterspezialisten bezeichnen. Strafstöße liegen mir nicht besonders. Aber an dem Tag war ich gut aufgelegt", erklärt Williams am Mikrofon von FIFA.com. "Mein Rezept bei Elfmetern ist auch ganz einfach: Ich richte mich nach dem starken Fuß des Schützen und werfe mich dann in die eine oder die andere Ecke. Rechtsfüßer schießen häufig in die von ihnen aus gesehen linke Ecke und Linksfüßer umgekehrt in die von ihnen aus gesehen rechte. Das hat sich auch an diesem Tag wieder bewahrheitet!"

In der Familie

Spricht da die Erfahrung aus Williams? Wohl kaum. Als er den berühmten Elfmeter hielt, hatte er nämlich gerade einmal vier Spielzeiten als Torhüter hinter sich. Von Haus aus ist Williams eigentlich Linksaußen. Dass er sich eines Tages zwischen die Pfosten stellte, hat jedoch nichts mit der Verrücktheit zu tun, die Torhüter und Linksaußen angeblich gemein haben. Vielmehr hat es handfeste körperliche Gründe. "Ich war nicht ausdauernd genug für einen Feldspieler", erzählt Williams. "Die Position des Torhüters ist weniger anstrengend.

Eines Tages fehlte in meiner Mannschaft ein Torwart, da habe ich es mal versucht. Der Versuch war erfolgreich. Also bin ich im Tor geblieben." So ganz von ungefähr kommt die Veranlagung zum Torhüter aber möglicherweise auch nicht, denn auch Vater Emmanuel Williams und Onkel Sunday Seah standen zwischen den Pfosten.

Vier Jahre nach dem erfolgreichen Feld- bzw. Torversuch jedenfalls konnte Liberia dank Ashley Williams weiter von seiner ersten Teilnahme an einer Weltmeisterschaft träumen. Im Zuge dessen wurde Williams selbst quasi aus dem Nichts ein Star in seiner Heimat. "Den 8. September 2019 werde ich natürlich nie vergessen. Wir standen damals vor einer großen Herausforderung und mindestens genauso großen Erwartungen. Es kommt mir immer noch vor wie in einem Traum", sagt er. "Seitdem hat sich viel in meinem Leben geändert, angefangen bei meinem Engagement in Europa."

Inzwischen spielt Ashley Williams nämlich in der dritten spanischen Liga bei Linense. Seinen Träumen setzt er jedoch keine Grenzen. "Ich bin ein großer Fan von Manuel Neuer. Von seinen Qualitäten träumt jeder junge Torwart. Mein größter Wunsch wäre, in seine Fußstapfen zu treten und irgendwann für Bayern München zu spielen", so Williams. "Und wer weiß? Ich komme von so weit unten und musste so viele Hindernisse überwinden, um dort hin zu kommen, wo ich jetzt bin. Ich bin der lebende Beweis dafür, dass alles möglich ist, wenn man nicht aufgibt!"

Nigeria, 20 Jahre danach

Williams‘ Selbstvertrauen kommt keine Sekunde zu früh angesichts der Tatsache, dass am 3. September die zweite Qualifikationsrunde in Afrika mit dem Spiel gegen die Spitzenmannschaft aus Nigeria beginnt. "Wir können es kaum erwarten", sagt der Schlussmann. "Unsere Mannschaft hat Qualität. Die Mischung aus Jugend und Routiniers stimmt. Für uns ist das Ziel Weltmeisterschaft durchaus realistisch!" Vor fast 20 Jahren ist Liberia schon einmal nur knapp an der Erfüllung seines WM-Traums vorbeigeschrammt. In einer Gruppe mit Nigerias Super Eagles, Ghana und Sudan fehlte den Lone Stars auf dem Weg nach Korea/Japan 2002 am Ende lediglich ein Punkt. Der legendäre George Weah machte damals seine letzten Spiele für die Nationalmannschaft. "George Weah hat nicht nur Liberia stolz gemacht, sondern ganz Afrika. Und heute ist er mein Präsident! Er spornt uns an, noch besser zu werden und uns selbst zu übertreffen", sagt Williams. "Er hat uns den Weg geebnet und bewiesen, was machbar ist!"