Dienstag 05 März 2019, 08:00

Wie Wheel-Soccer Barrieren durchbricht 

  • Beim Wheel-Soccer treten Kinder - mit und ohne Behinderung - im Rollstuhl gegeneinander an

  • Mandy und Marcel Pierer organisierten das erste bundesweite Turnier in Stuttgart

  • "Wir wollen den Wheel-Soccer-Cup als süddeutsches Turnier etablieren"

Es gibt Menschen, vor deren Engagement man einfach bewundernd den Hut ziehen muss. Zu diesen Menschen gehören Mandy und Marcel Pierer. Vor vier Jahren übernahmen sie die Kinder- und Jugendrollstuhl-Gruppe MTV Wheelers und leiten diese seitdem voller Enthusiasmus. Darüber hinaus organisierte das Ehepaar im letzten Jahr das erste bundesweite Wheel-Soccer-Turnier in Stuttgart, bei dem Kinder im Rollstuhl - mit und ohne Behinderung - gegeneinander angetreten sind.

Die Begeisterung für den Wheel-Soccer hat sie dazu motiviert, wie Mandy Pierer im Interview mit FIFA.com erklärt. "Unser Sohn ist auf den Rollstuhl angewiesen. Als er ganz klein war und seinen ersten Rollstuhl bekam, nahmen wir an einem Rollstuhlmobilitätstraining teil. Mein Mann und ich haben da zum ersten Mal selbst im Rollstuhl gesessen und Rollstuhl fahren gelernt. Dort wurde auch Wheel-Soccer angeboten. Das ist jetzt neun Jahre her", erzählt sie und fügt schmunzelnd hinzu: "Nachdem wir die Kinder ins Bett gebracht hatten, haben wir noch alle zusammen mit den Unterrichtenden Wheel-Soccer gespielt, weil es uns so gepackt hat."

Vor zwei Jahren nahmen die Pierers mit ihrer Rollstuhlgruppe an einem Wheel-Soccer-Turnier in Berlin teil und beschlossen, nachdem sie die Begeisterung der Kinder sahen, dieses auch in Stuttgart ins Leben zu rufen. Der Weg von der Idee bis zur finalen Umsetzung war jedoch ein langwieriger. Ganze zwei Jahre dauerte die Organisation.

"Man darf nicht vergessen, dass wir Eltern von drei Kindern und berufstätig sind und eines hat noch besondere Bedürfnisse. Wir haben nicht die zeitlichen Kapazitäten, jeden Tag daran zu arbeiten. Von der Hallenbuchung bis zur Organisation und Werbung haben wir alles selbst gemacht“, erklärt Pierer. "Für so eine Veranstaltung ist auch nicht jede Sporthalle geeignet. Wenn man zu einer großen inklusiven Sportveranstaltung einlädt, dann braucht man auch eine Halle, die barrierefrei ist. Sie muss mehr bieten, als das man einfach nur hineinkommt mit dem Rollstuhl. Man braucht Sanitäranlagen und geeignete Umkleiden. Es hat eine Weile gedauert bis wir eine geeignete Halle und einen freien Termin gefunden haben."

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Wheel-Soccer baut Hemmschwellen ab

Warum sich die Stuttgarter des Jahres 2017 ausgerechnet für Fussball entschieden haben, ist schnell erklärt. "Wheel-Soccer basiert quasi auf einer vereinfachten Form von Fussball. Wir wissen alle, dass Fussball so ziemlich jeden begeistert. Jeder kennt die Regeln und jedem ist irgendwie klar, wie das Spiel funktioniert. Bei Wheel-Soccer ist das Schöne, dass die Kinder, die im Rollstuhl sitzen, quasi die Chance haben, Fussball zu spielen. Sie kennen das Spiel von ihren Geschwistern oder weil der Papa total fussballbegeistert ist und sie es immer im TV gesehen haben. Sie haben eine Vorstellung von dem Spiel. Jeder, der weiß wie Fussball funktioniert, kann sofort einsteigen."

Inklusion ist beim Wheel-Soccer nicht nur ein Wort – hier wird sie gelebt. Darüber hinaus kann Wheel-Soccer dazu beitragen, Barrieren im Kopf und Vorurteile abzubauen. Denn der Fussball vereint durch ein gemeinsames positives Erlebnis. "Viele Erwachsene haben erst einmal das Gefühl: 'Oh, so viele Kinder im Rollstuhl?' Dann setzten sich ihre gesunden Kinder in den Rollstuhl. Das ist für Eltern manchmal schwierig, das zu sehen. Aber dann auf einmal im Spiel lösen sich bei allen die Anspannungen und Hemmungen, die vielleicht da waren“, so Pierer. "Einige haben gesagt, dass es total anstrengend ist, Rollstuhl zu fahren aber das es auch total viel Spaß macht. Es ist vielleicht kein Zuckerschlecken, aber es ist auch keine Strafe. Man kann damit durchs Leben kommen und auch im Rollstuhl Spaß haben. Ich habe wieder gelesen: 'In den Rollstuhl gefesselt sein.' Das sind so negativ besetzte Aussagen. Sie haben genauso viel Spaß, wie Kinder, die keine Behinderung haben."

Dank des Sports entsteht ein große Gemeinschaft und ein Teamzusammenhalt, der seines Gleichen sucht. Denn am Ende haben alles das selbe Ziel: "Der Ball muss ins Tor."

Was ist Wheel Soccer?

  • Zwei Teams zu je vier Spielern und Torwart, mit und ohne Behinderung, treten gegeneinander an

  • Gespielt wird mit einem großen Gymnastikball, der mit einer Hand oder dem Rollstuhl geschlagen bzw. gestoßen wird

  • Jedes Team darf bis zu zwei "Bonusspielern" (Spieler mit stärkeren Beeinträchtigungen) enthalten. Diese Bonusspieler dürfen von den Gegenspielern nicht attackiert werden

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Sport wirkt sich immer positiv auf das Selbstwertgefühl des Menschen aus, egal ob er eine Behinderung hat oder nicht.
Mandy Pierer