Donnerstag 16 September 2021, 07:00

Vero Boquete analysiert die Entwicklung des Frauenfussballs in Spanien

  • Innerhalb von sechs Jahren gab es einen radikalen Wandel

  • Im August stand Spanien erstmals in der Top 10 der Frauen-Weltrangliste

  • "Bei der EM und der nächsten WM wird Spanien zu den Favoriten gehören", kündigt sie an

Viel hat sich im Frauenfussball Spaniens geändert, seitdem die Auswahl bei der FIFA Frauenfussball-WM Kanada 2005™ debütierte. In dieser Woche beginnt nun die Qualifikation für die Turnierauflage 2023 in Australien/Neuseeland. In Kanada kamen die Spanierinnen auf ein Remis und zwei Niederlagen. In die Qualifikation hingegen gehen sie nun als eines der favorisierten Teams. In dieser Zeitspanne hat der Frauenfussball in Spanien einen radikalen Wandel durchgemacht, so dass man mittlerweile als eines der großen Teams weltweit gilt, was durch das jüngste Erreichen der Top 10 der FIFA/Coca-Cola-Frauen-Weltrangliste bestätigt wurde.

Fortschritte in Spanien

"Ich bin sehr zufrieden mit diesen Veränderungen. Dafür haben wir alle hart gearbeitet und jetzt steht Spanien endlich da, wo es auf aufgrund seiner Talente auch stehen sollte", erklärt Vero Boquete. Die bekannteste Spielerin Spaniens im vergangenen Jahrzehnt betont gegenüber FIFA.com die wichtigsten Faktoren hierfür. "Ganz wichtig war die Beteiligung der großen Vereine und der Verbände. Es gibt mehr Professionalität und auch das Niveau der Spielerinnen wurde besser. Spielerinnen mit viel Talent, die sich vor einigen Jahren kaum weiter entwickeln konnten, stoßen jetzt nicht mehr ständig auf Hindernisse", erzählt Boquete, die von 2008 bis 2011 in Spanien für Espanyol spielte, bevor sie zu einem wahren Fussball-Globetrotter wurde und bei Tyresö, Bayern München und Frankfurt unter Vertrag stand. 2015 gewann sie mit den Frankfurterinnen auch die UEFA Champions League der Frauen. Sie fährt fort: "Ab dem Augenblick, wo es für den Frauenfussball Unterstützung und organisatorische Hilfen für die Professionalisierung gab, kamen die Erfolge. Was die Gesellschaft und die allgemeine Stimmung angeht, so hat das noch ein wenig gedauert, aber mittlerweile nähern wir uns dem an, was wir uns alle wünschen." Auch die sportliche Entwicklung ist in ihren Augen beachtlich. Ein großer Teil der Spielerinnen, die jetzt die Qualifikation für die Frauen-WM anstrebt, hat schon mit ihr zusammengespielt. "Wenn ich eine Wunschelf zusammenstellen könnte mit den Spielerinnen meiner früheren Teams, dann wären viele von ihnen Spanierinnen. Talent gab es immer reichlich", bekräftigt Boquete, mittlerweile 34 Jahre alt und Spielerin beim AC Mailand.

Favoritinnen

Bei der FIFA Frauen-WM Frankreich 2019™ waren die Fortschritte noch offensichtlicher. Nach der Niederlage im Viertelfinale der UEFA EURO 2017 bedeutete diese Weltmeisterschaft den entscheidenden Schritt nach vorne. Obwohl Spanien im Achtelfinale gegen die USA ausschied, waren die Schlussfolgerungen durchaus positiv: "Spanien spielte auf einem hohen Niveau und dieses Spiel hat die letzten Befürchtungen zerstreut. Wenn man so weit kommt, dann hat man schon viel geschafft. Bei der nächsten Europameisterschaft wird Spanien zu den Favoriten zählen. Jetzt muss man mit dem Wandel von einer eher mittelmäßigen Mannschaft zu einem der Favoriten auf EM und WM umgehen, aber da habe ich keine Sorge, denn die Spielerinnen verfügen über genügend Erfahrung", zeigt sie sich zuversichtlich. Boquete erklärt, warum sie die Spanierinnen schon jetzt in dieser Rolle sieht: "Wir reden hier von Spielerinnen, die auf Vereinsebene bereits dort angekommen sind. Die Spielerinnen von Barça beispielsweise haben bereits in zwei Endspielen gestanden, die UEFA Champions League gewonnen. Für sie ist das gar kein Problem", glaubt sie. In dieser Woche beginnt für Spanien die Qualifikation für die Frauenfussball-WM 2023 in einer Gruppe mit Schottland, der Ukraine, Ungarn und Faröer. Der Gruppensieger qualifiziert sich direkt für die WM-Endrunde. Großen Anteil an dieser Entwicklung hat der FC Barcelona. 2019 erreichte man bereits das Finale der UEFA Champions-League der Frauen und in diesem Jahr dann folgte der Triumph in Göteborg mit einem 4:0-Sieg gegen Chelsea. Mit diesem Sieg war Barça endgültig unter den großen europäischen Vereinen angekommen.

Die Rolle des FC Barcelona

"Als sie den Pokal in den Himmel stemmten, habe ich das Gleiche gespürt, wie bei der allgemeinen Entwicklung im Frauenfussball: Zufriedenheit und große Freude für alle, wegen des erfolgreichen Projektes und des Umstandes, dass die Mühen Früchte getragen haben. Barça hat sich aus der zweiten Reihe nach vorn gearbeitet und kämpft jetzt um die großen Titel. Sie leisten eine großartige Nachwuchsarbeit und holen auch einige ausländische Spielerinnen, um den Kader zu ergänzen, aber 80 bis 90 Prozent der Spielerinnen kommen aus Spanien", so Boquete. Dieser Stamm des FC Barcelona ist auch der Stamm der spanischen Auswahl. Für Boquete ist das ein entscheidender Faktor: "Diese acht oder zehn Spielerinnen von Barça können in der nächsten Partie auch für Spanien auflaufen. Bei großen Turnieren ist das ein wichtiger Vorteil für uns. Sie kennen sich, sie trainieren zusammen … Bei anderen Ländern ist das oft nicht so." Auch der spanische Nachwuchs entwickelt sich vielversprechend. Dank der Vorbilder bei den Erwachsenen, der Unterstützung des Frauenfussballs durch die Medien und die Vereine und der Nachwuchsförderung durch den Verband ist man auch hier auf Kurs. "Die strukturierte Nachwuchsarbeit der Vereine offenbart, dass man immer besser arbeitet. Es gibt Mannschaften für fünf- und sechsjährige Mädchen, das Ganze rückt mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit und damit akzeptieren auch immer mehr Eltern, dass ihre Mädchen Fussballspielerinnen werden möchten", so Boquete. Auch wenn das ein gutes Schlusswort wäre, möchte Boquete am Ende doch das rein Sportliche hervorheben. Glücklich und selbstsicher erklärt sie: "Ich erwarte mit großer Vorfreude die nächsten großen Turniere - die kommende Europameisterschaft und auch die Weltmeisterschaft -, bei denen Spanien zu den Favoriten zählen wird." Das ist eine klare Ansage.

Veronica Boquete of Spain throws her shoes to the fans