Dienstag 13 September 2016, 07:00

Unvergessene Hattricks in Hochgeschwindigkeit

Ein Hattrick ist im Fussball eine hochgeschätzte Errungenschaft. Seit den 1850er Jahren gilt es unter Sportlern und Sportlerinnen als etwas ganz Besonderes, in einer Partie drei Treffer zu erzielen. Belgiens Nationalstürmer Romelu Lukaku (FC Everton) beispielsweise beendete am gestrigen Montagabend eine seit März andauernde Durststrecke. Binnen elf Minuten traf der Angreifer im Premier League-Spiel beim FC Sunderland dreimal (60./68./71.).

Ebenfalls beeindruckend war die Leistung von Joel Pohjanpalo von Bayer Leverkusen am vergangenen Samstag. Gegen den Hamburger SV wurde der Finne eine Viertelstunde vor dem Ende beim Stand von 0:1 eingewechselt, um anschließend mit seinem Hattrick für den 3:1-Erfolg der Hausherren zu sorgen. "Das war der größte Moment in meiner Karriere", so der skandinavische Angreifer anschließend und fügte mit einem Augenzwinkern hinzu: "I had a good finish."

Elf bzw. 15 Minuten klingen nach einer halben Ewigkeit, wenn man an Sadio Mane im Dress von Southampton denkt, der im Mai 2015 gerade einmal 176 Sekunden brauchte, um die Abwehr von Aston Villa Abwehr auseinanderzunehmen und drei Treffer zu erzielen - ein Rekord in der englischen Premier League. Selbst mit dieser beeindruckenden Kunststück konnte er jedoch nicht den schnellsten Hattrick in der Geschichte erzielen, wie FIFA.com entdeckte.

Freitag, der 28. November 2014, ist ein wichtiger Meilenstein in dieser langen Geschichte, denn an diesem Tag ist ein halbes Jahrhundert vergangen, seit offiziell der schnellste Hattrick aller Zeiten erzielt wurde. Der Schotte Tommy Ross markierte ihn in nur 90 Sekunden, wobei dieser Rekord seit weit weniger als 50 Jahre Bestand hat.

Bis dem ehemaligen Spieler von Ross County schließlich der schnellste Hattrick zuerkannt wurde, verging viel Zeit, und dahinter steckt eine verschlungene Geschichte. Nach diesen drei Toren im Jahre 1964 sollte es 40 Jahre dauern, bis Ross' Leistung endlich die verdiente Anerkennung bekam. Zwischendurch waren legendäre Momente des Fussballs in den Blickpunkt gerückt, inoffizielle Aufzeichnungen hatten die Lorbeeren eingeheimst und wiederentdecktes Filmmaterial von einem anderen Hattrick hatte diesem die offizielle Anerkennung gebracht.

Als er für seine schier unglaubliche Leistung gegen Nairn County im zarten Alter von 17 Jahren schließlich das Zertifikat vom Guiness-Buch der Rekorde erhielt, erklärte Ross, jetzt sei er nach jahrzehntelangem Zweifel und Unglauben endlich derjenige, der zuletzt lache. "Ich habe an jenem Nachmittag bei unserem 8:1-Sieg gegen Nairn sieben Treffer erzielt, aber der Hattrick wurde nie anerkannt - bis jetzt", erklärte er im Jahr 2004. "Jetzt habe ich das Zertifikat bekommen und kann all die 'ungläubigen Thomasse', die meinten, ich bilde mir das alles nur ein, eines Besseren belehren."

Paradoxerweise mussten der gegnerische Torhüter sowie der Schiedsrichter des Spiels als Zeugen fungieren, damit ihm die Anerkennung endlich zuteil wurde. Für die Untersuchung des Falls und die Bestätigung von Guiness World Records war es erforderlich, Beweise einzusenden. Ross glaubt mittlerweile, dass es fast unmöglich sein dürfte, seinen Rekord zu brechen, weil die derzeit üblichen akrobatischen Einlagen und einstudierten Torjubel-Choreographien ganz einfach zu lange dauern.

"Damals gab es keine Umarmungen oder Küsschen, wenn man ein Tor erzielt hatte. Du ranntest einfach zurück zur Mittellinie und das Spiel ging weiter. Wenn du Glück hattest, bekamst du vom Mannschaftskapitän einen Klaps auf den Hinterkopf, aber das war das höchste der Gefühle."

Berichten zufolge wurde in einem englischen Amateurspiel im Jahr 2013 allerdings ein Hattrick in nur 70 Sekunden erzielt. Daher könnten seine Tage an der Spitze gezählt sein. Der Schwede Magnus Arvidsson mag vielleicht auch das Gefühl haben, ein Anrecht auf den Rekord zu haben, denn laut inoffiziellen Aufzeichnungen hat er seinen Dreierpack im Jahr 1995 innerhalb von 89 Sekunden vollbracht. Damals rettete er den IFK Hässleholm mit einem 5:3-Sieg gegen den Zweitligarivalen Landskrona BoIS vor dem Abstieg. "Solche Dinge vergisst man nicht so schnell", meinte er. Zwischen den Toren gab es kaum Zeit für den Anstoß." Für den Augenblick bleibt jedoch der Schotte an der Spitze der ewigen Liste.

Viele Jahre lang galt Eduardo Maglioni als der schnellste Hattrick-Schütze. Der Torjäger von CA Independiente brachte die Kugel 1973 in der Partie gegen Gimnasia y Esgrima La Plata innerhalb von 111 Sekunden drei Mal im Tor unter.

Für diesen Augenblick wird der Argentinier noch heute verehrt, damals war ihm jedoch gar nicht bewusst, dass er etwas ganz Besonders vollbracht hatte. "Als ich in der Kabine war, kam ein Journalist auf mich zu und erklärte: 'Du sorgst aber auch immer wieder für Aufruhr.' Ich war davon ausgegangen, dass ich innerhalb von 15 Minuten erzielt hatte, aber dann erklärte er mir, dass es weniger als zwei Minuten waren! Ich konnte es gar nicht glauben."

Er bekommt am 18. März noch immer Anrufe, in denen er nach jenem Spiel gefragt wird. Dieses Meisterstück des argentinischen Fussballs wäre allerdings fast gar nicht zustande gekommen, denn der erste Treffer war laut Maglioni selbst mehr Glück als Verstand. "Beim ersten Tor hatte ich Glück, denn ich versuchte, den Ball am kurzen Pfosten zu versenken. Aber mein Timing war schlecht, und er ist stattdessen am langen Pfosten reingegangen!"

Dieser Dreierpack wurde offiziell nie als schnellster aller Zeiten gewertet. Diese Ehre wurde jedoch für kurze Zeit einem anderen Hattrick zuteil, obwohl er mehr Zeit in Anspruch nahm. Der Grund dafür ist, dass unbearbeitetes Filmmaterial vom Spiel selbst auftauchte, das 1967 stattfand. Damals wurden Spiele nur ausgesprochen selten aufgezeichnet und daher gilt es als unglaublicher Glücksfall, dass Kameras beim irischen Ligaspiel zwischen Shelbourne und Bohemians vor Ort waren und Jimmy O'Connors drei Treffer innerhalb von 133 Sekunden auf Zelluloid gebannt wurden. Die Partie endete mit einem 3:2-Sieg seines Teams.

Als die Verantwortlichen des Klubs 30 Jahre später gefragt wurden, ob der Schiedsrichter die Behauptung ebenfalls bestätigen könne, zauberte er erstaunlicherweise sein Originalnotizbuch vom damaligen Spiel hervor, in dem O'Conners Treffer ausdrücklich erwähnt wurden. "Nur wenn ich mir das Video anschaue, kommen die Ereignisse von damals zurück", so O'Connor. "Ich erinnere mich noch, wie ich nach dem Spiel in die Kabine ging und der Trainer sagte: 'Das ist neuer Rekord.' Ich wollte ihm nicht glauben."

Abdul Hamid Bassiouny erzielte seine drei Treffer für Ägypten innerhalb von 117 Sekunden. Von den 14 Länderspieleinsätzen, die er für Ägypten zu verzeichnen hatte, war sein Auftritt im WM-Qualifikationsspiel gegen Namibia sicher der denkwürdigste. Mit seinem Dreierpack trug er zum 8:2-Erfolg seines Teams bei und ist der schnellste Hattrick-Schütze in einem Spiel der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™. Den schnellsten Hattrick einer WM-Endrunde kann hingegen der Ungar László Kiss für sich verbuchen. Im Jahre 1982 brachte er die Kugel in der Partie gegen El Salvador innerhalb von sieben Minuten drei Mal im Netz unter. Bis heute ist er der einzige Einwechselspieler, dem in der Endrunde des Weltturniers ein Dreifacherfolg gelungen ist.

Der Australier Archie Thompson ist in die Geschichte eingegangen, weil er 2001 bei einem 31:0-Sieg gegen Amerikanisch Samoa sage und schreibe 13 Treffer in einer Partie erzielte. Damit hält er den Rekord für die meisten Treffer in einem WM-Qualifikationsspiel. Den Geschwindigkeitsrekord brach er damit allerdings nicht, denn zwischen den schnellsten drei Treffern lagen fünf Minuten. Elf Jahre später bewies er jedoch in einem Qualifikationsspiel zum EAFF Ostasien-Pokal gegen Guam, dass diese Trefferrate kein Zufall gewesen war. Nachdem er beim 9:0-Kantersieg seines Teams eingewechselt worden war, gelangen ihm nämlich erneut drei Tore in fünf Minuten.

Hattrick-Helden gibt es jedoch nicht nur im Männerfussball. Die legendäre deutsche Nationalspielerin Inka Grings steht Thompson in dieser Hinsicht in nichts nach. Nachdem sie 2004 anlässlich eines Qualifikationsspiels für die UEFA Women's EURO fünf Treffer zu einem 11:0-Erfolg gegen Portugal beigetragen hatte (drei davon innerhalb von fünf Minuten), gelang ihr ein Jahr später fast dasselbe, als sie in der Frauen-Bundesliga gegen SC 07 Bad Neuenahr sechs Treffer für den FCR 2001 Duisburg markierte, von denen wiederum drei innerhalb von fünf Minuten fielen.

Mit dieser Bilanz kann in Deutschland kein Mann mithalten. Michael Tönnies hat mit seinem Dreierpack innerhalb von fünf Minuten in der Bundesliga jedoch für reichlich Furore gesorgt. Er erzielte diese Treffer nämlich 1991 beim 6:2-Erfolg des MSV Duisburg gegen den Karlsruher SC, bei dem damals noch Oliver Kahn zwischen den Pfosten stand. "Das war nicht nur deshalb etwas ganz Besonderes, weil ich drei Tore innerhalb von fünf Minuten erzielt habe", so Tönnies, "sondern auch deshalb, weil ich insgesamt fünf Treffer gegen Oliver Kahn erzielen konnte."

Wenn es um ganz besondere Leistungen geht, ist Joel Pohjanpalo schwer zu schlagen. Am ersten Spieltag der Saison 2012 kam er zum zweiten Mal in der ersten finnischen Liga zum Einsatz. Der 17-Jährige feierte einen Auftakt nach Maß, als er innerhalb von 162 Sekunden einen perfekten Hattrick erzielte (per Kopf, mit einem Rechts- und einem Linksschuss). Damit wurde er über Nacht zu einer Sensation im Internet. Sie werden kaum einen Spieler finden, der einen besseren ersten Eindruck hinterlassen hat.

Beachtlich ist jedoch auch die Leistung von James Hayter, der in England einen nationalen Rekord aufstellte. Nach seiner Einwechselung für Bournemouth gegen Wrexham im Jahr 2004 war er gleich mit der ersten Ballberührung erfolgreich. Von seinem Kopfballtreffer in der 85. Minute bis zu seinem dritten Treffer vergingen gerade einmal 140 Sekunden. Damit brach er einen englischen Rekord, der 61 Jahre lang Bestand gehabt hatte. In der ersten englischen Liga konnte Robbie Fowler bis vor kurzem den schnellsten Hattrick für sich verbuchen, der für seinen Dreierpack gegen Arsenal vier Minuten und 33 Sekunden gebraucht hatte - deutlich länger als Hayter.

Leider verpasste seine Familie das historische Ereignis jedoch, da sie wenige Minute zuvor das Stadion verlassen hatte: "Meine Eltern schütteln darüber immer noch den Kopf. Sie waren zum Spiel gekommen, aber da ich auf der Reservebank saß und nicht eingewechselt worden war, gingen sie etwas früher. Sie wollten eine frühere Fähre erwischen", erinnert er sich zehn Jahre später. "Ich glaube, ich bin eingewechselt worden, kurz nachdem sie gegangen waren. Sie haben dann im Radio gehört, wie ein Tor nach dem anderen fiel. Sie haben sich natürlich gefreut, waren gleichzeitig aber auch sehr enttäuscht."