Ufarte und der Ursprung eines Sieger-Teams

Die beiden haben viel Zeit zusammen verbracht. In den 1970er Jahren bildeten der Mittelfeldspieler Luis Aragonés und der schnelle, technisch versierte Flügelstürmer José Armando Ufarte ein kongeniales Duo auf der rechten Flanke – zur damaligen Zeit wohl das beste des spanischen Fussballs. Jahre später arbeiteten sie dann als Chef- und Assistenztrainer der spanischen Nationalmannschaft zusammen, gaben dem Schicksal die Wende und beendeten mit dem Europameistertitel 2008 die ewige Titelflaute der Roja.

"Ich hatte nur eine Bedingung. Ich sagte zu ihm: 'Ich gehe gern mit dir zur Nationalmannschaft, aber ich werde dir immer sagen, was ich denke. Die Entscheidung liegt dann bei dir. Wenn du mir zustimmst, gut, wenn nicht, werde ich dich trotzdem nach Kräften unterstützen, aber zuerst musst du mir zuhören.'" Aragonés lachte damals und akzeptierte die Bedingung seines Freundes. Ufarte lächelt noch immer, wenn er an diese Situation zurückdenkt.

Wir schreiben Juli 2004, und Spanien war gerade mit Pauken und Trompeten in der ersten Runde der Europameisterschaft in Portugal ausgeschieden. Als dem Weisen aus Hortaleza (wie Aragonés nach dem Madrider Außenbezirk, aus dem er stammt, auch genannt wird) der Posten des Nationaltrainers angeboten wird, entscheidet er sich für seinen alten Weggefährten als Assistenten. Dieser hatte bereits sieben Jahre lang für die Nachwuchsabteilungen der Nationalmannschaft gearbeitet, war mit ihnen sechs Mal Europameister geworden und hatte bei der U-20-Weltmeisterschaft den zweiten Platz belegt. Er hatte zur Ausbildung von Spielern wie Iker Casillas, Sergio Ramos, Cesc Fábregas oder Andrés Iniesta beigetragen, dem er nach seinem Debüt mit 15 Jahren gesagt hatte, er solle sich verstärkt um seine Physis kümmern, Fussball spielen könne er schon.

Klare Idee Am Montag startet Spanien gegen die Tschechische Republik in die Europameisterschaft und strebt nach dem dritten Titelgewinn in Folge. FIFA.com wollte wissen, wie die Geschichte dieses Erfolgsteams begann, das nach dem glanzlosen Auftritt bei der WM in Brasilien vor zwei Jahren wieder in die richtige Spur finden will. Ufarte gibt uns einige interessante Einblicke.

"Luis hatte einen starken Charakter und wir hatten beide eine ganz klare Vorstellung davon, wie die Mannschaft spielen sollte. Wir haben nicht locker gelassen, und es hat alles gut geklappt." Inzwischen liegt der Titelgewinn bei der Europameisterschaft acht Jahre zurück, doch das Bild von Iker Casillas, der den Pokal in den Wiener Himmel reckt, und alles, was danach kam, ist noch immer in den Köpfen. Allerdings war der Weg dorthin lang und bisweilen steinig.

"Die Ergebnisse waren nicht alle so gut, wie wir es gern gehabt hätten. Es gab viel Kritik, und um unsere Vorstellung vom Fussball umsetzen zu können, tauschten wir Spieler aus. Es war hart, bis wir schließlich auf dem richtigen Weg waren." Nach dem Ausscheiden im Achtelfinale der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006™, strichen Aragonés und Ufarte mehrere Spieler aus dem Kader, die bis dahin einen Stammplatz gehabt hatten, unter ihnen auch Raúl González. "Ob ein Fussballer gut oder sehr gut ist, hängt von Sekundenbruchteilen ab, und mit den Jahren wird man einfach langsamer. Das geht uns allen so", erklärt er und lächelt leicht resigniert. "Nachwuchsspieler standen in den Startlöchern, und deshalb haben wir uns entschlossen, auf ihn zu verzichten, allerdings mehr aus Alters- als aus Qualitätsgründen."

Eine Frage des Vertrauens Dies löste eine Riesendebatte aus. Doch das Trainergespann ließ sich nicht aus dem Konzept bringen, und im Juni 2008 griffen schließlich alle Rädchen ineinander und alles lief wie geschmiert. "Nach der zweiten Partie gegen Schweden erkannte ich, dass das Team seine Sache sehr gut machte und dass wir uns Hoffnungen machen konnten. Es folgte ein sehr schwieriges Spiel gegen Italien  und danach wussten wir, dass wir es mit jedem Gegner aufnehmen konnten."

Gegen die Azzurri, die damals amtierender Weltmeister waren, musste man ins Elfmeterschießen. Damals avancierte Casillas zum Helden und ein 21-Jähriger, der seit seiner Jugend keinen Elfmeter mehr geschossen hatte, schickte die Italiener nach Hause. Das waren zwei der Jungs, die Ufarte bereits in der Nachwuchsabteilung unter seinen Fittichen gehabt hatte. Insgesamt 13 Spieler des 23-köpfigen Kaders waren zuvor bereits von ihm trainiert worden. "Wir haben im Training Elfmeterschießen geübt, Luis mit den Stammspielern und ich mit den Reservisten. Ich habe ihm dann berichtet, wer seine Sache gut gemacht hatte, und Cesc war einer von ihnen. Am Ende der Verlängerung hatten wir schon entschieden, wer die Schützen sein würden."

Es folgte das Halbfinale gegen Russland (3:0), vielleicht das beste Spiel der Roja in diesem Turnier, auch wenn Aragonés, der bekanntermaßen sehr abergläubisch war, eine Sache ganz und gar nicht gefiel. "Gelb mochte er überhaupt nicht", so Ufarte lachend. "Wenn er die Wahl gehabt hätte, wären wir an diesem Tag niemals in diesen Trikots aufgelaufen, aber kurioserweise war es dann fast schon ein leichtes Spiel." Das konnte man vom Finale gegen Deutschland nicht gerade sagen, das durch einen Treffer von Fernando Torres entschieden wurde. El Niño** hatte seinerzeit unter Ufarte auch schon bei der U-16-Europameisterschaft 2001 das entscheidende Tor erzielt. "Als der Schiedsrichter das Finale abpfiff, haben Luis und ich uns kurz umarmt und sind dann zur Bank gegangen. Das war eine Riesenfreude und etwas, auf das wir sehr lange gewartet hatten."

Neue Reize Trotz des Turniersieges wurden Aragonés und Ufarte nach der EURO durch Vicente del Bosque und seinen Trainerstab abgelöst, die die Erfolgsserie fortsetzen sollten. "Das Leben ist nicht immer gerecht", meint er mit einem Schulterzucken.

Ufarte vermisst seinen langjährigen Freund, der 2014 verstarb, und den er als hervorragenden Motivator in Erinnerung hat. "Er war sehr clever, kannte sich im Fussball hervorragend aus und konnte gut mit den Spielern umgehen. Seine große Tugend war es, dass er es geschafft hat, den Spielern viel Selbstbewusstsein einzuhauchen und sie davon zu überzeugen, dass wir Europameister werden würden." Aragonés führte Einzelgespräche mit den Spielern, und Xavi Hernández war eine feste Größe auf seiner Kaderliste. "Er spielte eine fundamentale Rolle. Er war Luis' verlängerter Arm auf dem Spielfeld. Ein Ausnahmespieler, der über alle erforderlichen Eigenschaften verfügte, um eine Mannschaft um ihn herum aufbauen zu können."

In Frankreich wird das Team nach zwölf Jahren das erste große Turnier ohne den Mittelfeldspieler bestreiten. Tatsächlich stehen nur noch fünf Akteure im Kader, die bereits bei der EURO 2008 dabei waren, nämlich Iker Casillas, Sergio Ramos, Andrés Iniesta, David Silva und Cesc Fábregas. Außerdem herrscht gemeinhin Unsicherheit darüber, ob sich mit dem Auftritt bei der WM in Brasilien ein Kreis geschlossen hat, oder ob man weiterhin den ganz großen Erfolg anstreben kann.

"Natürlich ist es nicht einfach, Xavi zu ersetzen, aber ich glaube, dass weiterhin sehr gute Spieler im Team sind und dass die Mannschaft eine hervorragende Europameisterschaft spielen kann. Wenn wir mit Bescheidenheit und harter Arbeit an die Sache herangehen, ist sogar der Titel drin. Allerdings sehe ich das Feld sehr ausgeglichen mit drei klaren Favoriten: Spanien, Deutschland und Frankreich."

Der 75-Jährige wird selbst nicht nach Frankreich reisen, doch er wird seinen ehemaligen Schützlingen von zu Hause aus die Daumen drücken und fest daran glauben, dass sie den Pokal noch einmal holen. Genau wie 2008, als alles anfing – mit ihm selbst und Aragonés.